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Klaus Reinhardt:
VOM WISSEN ZUM BUCH
Fach- und Sachbücher schreiben
Verlag Hans Huber, Bern 2008. 172 S., € 16,95.
ISBN: 978-3-456-84521-0

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Es gibt einen köstlichen Bild-Witz, in dem sich zwei Autoren über einen verschüchterten Nicht-Autor lustig machen: „Was, Sie haben noch kein Buch geschrieben?“ Und dies in einem Raum, in dem die überquellenden Buch-Regale bis zur Decke wachsen…

Wahrhaftig, gibt es noch Menschen, die sich noch nicht zwischen zwei Buchdeckeln verewigen konnten? Kann denen noch geholfen werden? Vielleicht durch eine Schreib-Therapie… Aber Spaß beiseite, das Verfassen eines Buches führt wohl nach wie vor zum höchst-erreichbaren Renommee und das nicht umsonst. Ein Buch – welcher Gattung auch immer – mag diese oder jene Mängel haben, es ist und bleibt eine geistige Leistung, im allgemeinen Verständnis wahrscheinlich höher anzusetzen als Malerei und Komposition (wobei Letzteres natürlich so spezifische Vorbedingungen erfordert, wie sie im Vergleich zu allen anderen Künsten nur selten gegeben sind). Auf jeden Fall handelt es sich beim Schreiben um eine kreative Leistung und vor allem den Mut, sich dem Urteil der Allgemeinheit und damit ggf. Kritik zu stellen. Menschen, die derlei infrage stellen oder gar herabwürdigen, sollte man sich genauer ansehen. Sie verbergen nicht selten durch einen unerfüllbaren Wunsch oder einen gescheiterten Versuch ein entsprechendes Trauma in ihrer Biographie („Da wäre mir jeder Baum zu schade, der dafür gefällt werden müsste…“).

Nun ist es aber ein Unterschied, ob man sich belletristisch oder fachlich engagiert. Einen Essay, eine Kurzgeschichte oder gar einen Roman zu verfassen, das ist vermutlich für die meisten noch aufwendiger, ja mit mehr Herzblut verbunden, als einen Fachartikel, ein Sach- oder Fachbuch vorzustellen. Letzteres mag zwar „seriöser“ wirken, ist aber – bei professionell ausreichender Grundlage – weniger riskant als ein Werk, das nicht nur vom Stil, sondern auch von der „inneren Anmutung“ her überzeugen soll. Aber zurück zur Frage: selber ein Buch schreiben? Und dabei kein „schöngeistiges“, sondern ein Fachbuch für Spezialisten bzw. ein allgemeinverständliches Sachbuch für interessierte Laien?

Über das „gute Schreiben“ gibt es eine umfassende Literatur, meist etwas trocken-belehrend, manchmal auch mit flotter (dabei selbst-ironischer) Feder, aber in der Regel mühsam zu lesen. Dabei gibt es auch Anleitungen zur „schön-geistigen Produktion“, dafür wird sogar allerorten geworben (Wollen Sie Roman-Autor werden?). Bei Fach- und Sachbüchern wird weniger geworben, das setzt halt Experten-Wissen voraus. Gleichwohl sind die Verlage darauf angewiesen, dass sie gute Autoren finden (wobei so mancher Lektor seufzt: die Besten schreiben nicht, es ist ein Jammer). Ganz so schlimm ist es zwar nicht, aber ein Fach- oder Sachbuch lässt sich halt nicht „aus der Tiefe des Gemüts“ entwerfen, es ist und bleibt „harte Knochenarbeit“. Das hat schon manche zur Verzweiflung und schließlich zur Aufgabe gebracht. Schade. Sie hätten sich halt belesen und instruieren und dadurch animieren lassen sollen. Aber wo? Vor allem in deutscher Sprache? Auch das gibt es übrigens, wenngleich mitunter recht speziell konzipiert und damit mühsamer nutzbar, sogar zum Thema akademische Schreibhemmung (z. B. „Keine Angst vor dem leeren Blatt“, „Schreibkompetenzen – Erfolgreich wissenschaftlich schreiben“, „frei geschrieben – Mut, Freiheit & Strategie für wissenschaftliche Abschlussarbeiten“ u. a.).

Neu, versiert die Vorteile nutzend und die Nachteile umschiffend ist nun das Buch von Klaus Reinhardt: Vom Wissen zum Buch – Fach- und Sachbücher schreiben. Es ist nicht das erste Werk dieser Richtung des promovierten Mediziners, Germanisten und Lektors eines renommierten Verlages. Er hat schon vor einigen Jahren ein Handbuch für Pflege- und Gesundheitsberufe herausgegeben und jetzt eine interessante Anleitung aus der Sicht des Lektors (stellenweise durchaus der eigenen Zunft kritisch gegenüber). Geschickt distanziert er sich auch vor dem ggf. drohenden Nimbus eines mühsamen Lehrbuchs für das „richtige Schreiben“. Man darf darin schmökern, nachschlagen (gutes Sachregister, das „Schaufenster“ eines jeden Buches), mal da oder dort anlesen, man kann es aber auch „brav abarbeiten“ (Zitat). Man soll – so der Autor – „mit reduziertem Aufwand zum eigenen Schreiben finden“.

Dabei geht es von grundsätzlichen Fragen (Soll ich oder soll ich nicht?) über Verlags-Kontakte und -Verträge, das Rohmaterial mit erster Fassung (Vorsicht vor überzogener Selbstkritik, das könnte ein frühes Ende einläuten) über die mehrfachen Überarbeitungen bis zur bestmöglichen Version. Und sinnvollerweise erst am Schluss die stilistischen Feinheiten, sonst wäre es womöglich gar nicht so weit gekommen.

Interessant drei Interviews mit avancierten Autoren, die – weil schon nachweisbar erfolgreich – auch gute Tipps über überstandene eigene Schwächen vermitteln können. Das spendet Trost, regt an und gibt Kraft zum Durchhalten.

Bedeutsam nebenbei die Hinweise zu allgemeinverständlichen Wissenschafts-Themen, denn das ist eine besonders tragische Seite deutscher Wesensart. Wer hätte als junger Wissenschaftler früher sein sauer erarbeitetes Fachwissen nicht gerne der Allgemeinheit vermittelt, besonders wenn es sich um alltags-relevante Themen handelt. Und was musste er von seinen Vorgesetzten hören, mehr oder weniger verblümt formuliert: Das ist schon wichtig, aber Sie müssen sich entscheiden. Für was, wird sich der arglose Leser fragen. Nun, man musste sich im deutschsprachigen Bereich (früher?) gut überlegen, ob man ein „ernsthafter, seriöser Wissenschaftler“ werden wollte, der in der Fachsprache seiner Disziplin mit seinesgleichen diskutiert – oder wer sich in den Niederungen allgemeinverständlicher Darstellungen zu verlieren getraute, was seiner Karriere nicht dienlich zu sein pflegte.

Dazu gab es übrigens früher manche groteske Beispiele, die damit der Wissenschaft zwar verloren gingen, dafür der Allgemeinheit zum Vorteil gereichten, beispielsweise als Medizin-Journalisten, was im Übrigen für manche anderen Disziplinen gilt. Nach und nach zeichnete sich allerdings ein Kompromiss ab: Pensionierte Professoren wagten sich nach Abschluss ihrer offiziellen Laufbahn und mit nach wie vor glühendem Wunsch nach populär-wissenschaftlicher Weitergabe ihres Wissens schließlich aus der Deckung und holten nach, was ihnen zuvor nicht gerade direkt verwehrt, aber durchaus vermiest wurde. Leider waren sie dann wegen mangelnder Routine auf diesem ja eher schwierigen Sektor nicht mehr ganz so überzeugend, was Stil und vor allem bildhaft-plastische Vermittlung hoher Wissenschaft anbelangt – aber immerhin. Clevere Verlage stellten ihnen dafür journalistische Routiniers zur Seite, falls sie sich zu dieser Hilfestellung bereit erklären konnten.

Heute scheint sich ein später Wandel abzuzeichnen, natürlich auf der angelsächsischen, vor allem US-amerikanischen Nachahmungs-Schiene. Sonderbar, dass dies erst jetzt so richtig durchschlägt, wo wir doch unseren Vorbildern jenseits des großen Teiches alles nachmachen (und sogar unsere hart erarbeiteten Erkenntnisse überwiegend in ihrer Sprache publizieren). Dabei wäre es schon früher ein Segen gewesen, wie der Arzt, Historiker und Germanist Dr. med. W. Bartens in einem Interview in Reinhardts Buch zu bedenken gibt, wo es doch seit jeher „in der angelsächsischen akademischen Tradition für einen Professor keine Schande ist, sondern eine Ehre, zu etwas beizutragen, was dort public understanding of science heißt.

Durchsetzen wird sich in den Kreisen junger Wissenschaftler das Buch Vom Wissen zum Buch, denn es füllt nicht nur die berühmte Lücke, es lebt von der interessanten Ausbildungs- und damit Wissens- und Berufs-Kombination des Autors, dem es damit gegeben ist, die Hürden zum eigenen Fach- oder gar Sachbuch von beiden Seiten zu beleuchten – und zu nehmen (VF).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
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