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E. Pallenbach:
DIE STILLE SUCHT
Missbrauch und Abhängigkeit von Arzneimitteln
Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2009. 211 S., 3 Tab., 16 Abb., € 29,80
ISBN 978-3-8047-2506-5

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Es gibt Themenkreise, von denen hört und liest man in der Psychiatrie ununterbrochen. Dazu gehören Depressionen, Angststörungen, Alkoholismus, Rauschdrogenabhängigkeit u. a. mit längerer Publikations-Tradition sowie Burnout, ADHS usw. mit etwas neuerer „Sprengkraft“. Und es gibt durchaus heftige, vor allem aber – heute immer wichtiger werdend – kosten-intensive Leiden, die muss man mit aufwendigen Literatur-Recherchen suchen, will man fündig werden. Dazu gehören beispielsweise die Manie – und die Medikamenten-Abhängigkeit.

Letzteres ist ein durchaus „heißes Eisen“, in jeder Hinsicht. Es ist auch nicht so, dass von offizieller Stelle gar nichts publiziert und angemahnt wird. Aber es geht irgendwie am Interesse von Klinik und Wissenschaft und sogar Allgemeinheit vorbei. Und das bei geschätzten 1,4 bis 1,9 Millionen Medikamenten-Abhängigen, zuzüglich einer nicht unerheblichen Dunkelziffer und noch einmal so viel mit risiko-reichem Konsum. Und natürlich mit erheblichen volkswirtschaftlichen Konsequenzen: rund 14 Milliarden Euro pro Jahr.

Also ein Schwerpunkt-Thema – jedoch ohne entsprechendes Echo. Die Ursachen, so die einen, können nur vermutet werden. Die Gründe, so die anderen, liegen auf der Hand. Das hängt einerseits mit der „Schiene“ zusammen, auf der man in die Tabletten-Sucht geraten kann, sehr im Gegensatz zu Alkohol, Rauschdrogen und Nikotin. Ihnen kommt keinerlei stichhaltige Begründung zu. Anders das Medikament, vom Arzt verordnet, vom Apotheker aufgrund ärztlicher Anweisung ausgehändigt. Und zwar aus Gründen, die niemand eintauschen würde: vor allem Schmerzen, Schlafstörungen und schwerwiegende seelische Beeinträchtigungen, aus welchem Grund auch immer, von spezifischen Indikationen ganz zu schweigen. Wer hier zu den Kritikern gehört, sollte sich einer robusten Gesundheit erfreuen dürfen. Hoffentlich muss er nicht eines Tages Abbitte leisten, so der Einwand vieler Betroffener und ihrer Ärzte.

Und doch: Es gerät nicht jeder in die Gefahr von Missbrauch und Abhängigkeit von Arzneimitteln mit Sucht-Gefahr.

Das hat zwei Seiten, mindestens. Und die kann man auch nicht einfach wegdiskutieren. Also bräuchte es eine um Objektivität bemühte, klinisch und wissenschaftlich zugleich abgesicherte und vor allgemein-verständliche Dokumentation. Kein „oberlehrer-hafter Zeigefinger“, aber konsequente Darstellung der Gefahren, auch wenn man die meist herben Heilanzeigen nicht aus den Augen verlieren sollte.

Leider ist das Angebot solcher Publikationen, ob Flyer, Broschüren, populärmedizinische oder Fachbücher nicht überwältigend, weder nach Zahl noch Inhalt und Darstellungsweise. Das war so, das ist so – und wird auch wohl so bleiben. Da darf man froh sein, wenn wieder ein neues Angebot auf den Markt kommt. Und das sollte nicht theoretisieren, dramatisieren oder verharmlosen. Und am besten sowohl Ärzten und Apothekern, als auch interessierten Patienten weiterhelfen (ein allerdings nicht einfacher Spagat).

Im Falle des neuen Buches über Die Stille Sucht – Missbrauch und Abhängigkeit von Arzneimitteln aus der wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft Stuttgart, zeichnen der Hauptautor und zwei pharmazeutische Kollegen aus Apotheker-Sicht verantwortlich, unterstützt durch eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Mit diesem Buch – so im Vorwort – soll ein Beitrag zur Übernahme von Verantwortung geleistet werden. Gewährleistet wird dies durch die fachlich fundierte, gleichzeitig aber auch um Allgemeinverständlichkeit bemühte Dokumentation der wichtigsten Gruppen von Arzneimitteln mit Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial, komplettiert durch verschiedene Nahrungs-, Ergänzungs- und Genussmittel sowie Partydrogen. Das ist ein weites Feld, von den Schmerzmitteln (Opioide und Nicht-Opioid-Analgetika) über Hypnotika und Tranquilizer bis zu Psychostimulanzien und Schlankheits- und Doping-Mitteln, Laxanzien und Diuretika, Parkinson-Mitteln und Antiepileptika sowie Narkosemitteln. Und – nicht zu vergessen – wie erwähnt – Koffein, Nikotin, ja die relativ neuen Ecstasy, Poppers, Herbal und Liquid-Ecstasy, die Amphetamine, ja Spice und Space.

Das kann man zwar auch anderenorts nachlesen, aber nicht so gut aufbereitet, griffig und vor allem in einem Band vereint wie hier, ergänzt durch Ratschläge für die Einnahme, die Zubereitung und Verordnung, einschließlich möglicher Alternativen. Neben der Prävention aber auch der Umgang mit der bereits eingetretenen Sucht.

Ergänzt wird das empfehlenswerte Buch durch Kontakt-Adressen von Institutionen und internet-basierten Informations-Quellen zur Hilfe und Unterstützung Betroffener. Und ein umfassendes Sachregister, was es zum hilfreichen Ratgeber macht (VF).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
Beachten Sie deshalb bitte auch unseren Haftungsausschluss (s. Impressum).