Prof. Dr. med. Volker Faust Psychosoziale Gesundheit von Angst bis Zwang Seelische Störungen erkennen, verstehen, verhindern, behandeln |
SCHIZOIDE PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNGKühl - abweisend -"gemütsarm" - gleichgültig gegenüber Lob oder Kritik - einzelgängerisch - zurückgezogen - "unkonventionell"
"Unfähig, mit Menschen zu leben, zu reden. Vollständiges Versinken in mich. Stumpf, gedankenlos, ängstlich. Ich habe nichts mitzuteilen, niemals, niemandem". Dieser deprimierend-selbstkritische Seufzer fasst mehr zusammen als die trockene Symptom-Schilderung der Psychiater und Psychologen je zu vermitteln vermag. Sie entspricht in etwa dem, was man heute als schizoide Persönlichkeitsstörung bezeichnet. Und sie stammt von einem Schriftsteller, der gerade in dieser Hinsicht oft zitiert wird, nämlich Franz Kafka (wichtige Werke: Der Prozess, Das Schloss, Die Verwandlung u.a.) - wohl nicht zuletzt aus eigener seelischer Not heraus. Was aber versteht man unter einer schizoiden Persönlichkeitsstörung, ein Begriff, der schon zu Beginn und dann vor allem in der Mitte des 20. Jahrhunderts lebhaft diskutiert und verwendet wurde, wobei man heute nur noch einen Teil dieser Definitionen akzeptiert. Und zuvor: Was versteht man eigentlich unter einer Persönlichkeitsstörung?
Zum Begriff Persönlichkeitsstörung siehe das spezielle Kapitel und der Kasten. Schizoid kommt vom Griechischen: schizein = spalten, zerteilen, trennen und findet die meiste Verwendung im Begriff "Schizophrenie". Der Wortteil - oid kommt vom Griechischen eides = ähnlich, d. h. = schizoid heißt soviel wie der Schizophrenie ähnlich. Schizoide Persönlichkeiten sind also Menschen, die zumindest einige Wesensmerkmale bzw. Symptome einer schizophrenen Psychose (siehe das ausführliche Kapitel über die Schizophrenien [PDF, 1 MB]) aufweisen. Doch wie so vieles in der Psychiatrie hat auch dieses Krankheitsbild mehrere, gleichsam psychiatrie-historische Phasen durchlaufen. Das ist ohnehin ein Punkt, der dem Laien mitunter unfassbar erscheint (aber auch vielen Ärzten, ja Psychologen, Psychiatern und Nervenärzten), nämlich: Es gibt Menschen, die bestimmte Krankheitszeichen und damit Krankheiten haben. Diese Krankheiten aber wechseln offensichtlich im Verlauf der Zeit ihre Definitionen und Klassifikationen und damit zumindest auch Teile von Beschwerdebild, Verlauf und Sachen, mitunter sogar die Begriffe. Da kann man schon einmal an der Wissenschaft, insbesondere der Psychiatrie seine Zweifel bekommen. Denn es muss doch möglich sein, psychische Leiden und damit die seelisch Leidenden allgemeingültig so einzuordnen, dass sie die Ärzte und Psychologen entsprechend diagnostizieren und vor allem dann auch therapieren können. Wie soll man aber an eine Medizin glauben, die offenbar selber nicht so recht weiß, was sie will, kann oder darf. Diese Überlegungen - nebenbei ein Grundproblem der "Seelenheilkunde" und ihrer verwandten Wissenschaft, der Psychologie oder "Seelenkunde" (ohne das - heil dazwischen) - spricht aber sogar für diese Fächer. Denn das heißt soviel: Man bleibt nicht stehen, nur weil die ältere Generation von Wissenschaftlern ein so schönes und inzwischen geläufiges und damit bequemes Krankheitskonzept entwickelt hatte, sondern man hinterfragt die Hypothesen zu Beschwerdebild, Ursachen, Verlauf und dann Diagnose und Therapie. Und wenn sich die alten Konzepte bewähren, werden sie beibehalten, ansonsten durch treffendere und voll allem praxisbezogenere ersetzt. Und das ist gut so, nicht zuletzt im Interesse der Patienten. So auch hier. Doch gibt es gerade bei den Persönlichkeitsstörungen und insbesondere bei der schizoiden Persönlichkeitsstörung sehr gängige, auch der Allgemeinheit geläufige Symptom- und Charakter-Schilderungen. Deshalb kommen wir in diesem Rahmen um einen kurzen historischen Überblick nicht herum. Im Einzelnen: Zur Geschichte der schizoiden Persönlichkeitsstörung Am Anfang stand die Schizophrenie, eine jener ("klassischen") seelischen Störungen, die schon im Alten Testament beschrieben wurden (z. B. König Nebukadnezar mit der Flammenschrift an der Wand, d. h. einer optischen Sinnestäuschung). Dabei fragte man sich schon früher: Wird die Schizophrenie vererbt? Und wenn ja, was sind die Folgen, welche Symptome entwickeln die Kinder und Enkel, die gleichen wie ihre kranken Verwandten oder nur einzelne, vielleicht gar nicht so auffällige? Tatsächlich erkannte man schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts, dass nicht wenige Angehörige schizophrener Patienten selber zwar nicht ausgeprägt psychotisch erkrankten (z. B. Wahn, Ich-Störungen und Sinnestäuschungen), sehr wohl aber eine Reihe von Verhaltensauffälligkeiten zeigten, die in den Familien nicht-psychotischer Patienten gar nicht oder nur selten zu beobachten sind. Dazu gehört vor allem die Neigung zu Rückzug und zwischenmenschlicher Isolation und ein eigenwilliges Verhalten, das die Fachleute als exzentrischen Kommunikationsstil bezeichneten (Einzelheiten siehe später). So etwas findet man auch bei schizophren Erkrankten, wenn die ausgeprägten Symptome wie Wahn oder Halluzinationen zurückgegangen oder ganz verschwunden sind. Dann bleiben "nur" einige "grenzwertige" Charaktereigenschaften, die zwar nicht selten, trotzdem aber nicht als völlig "normal" gelten, also nicht dem herkömmlichen Durchschnitt entsprechen. Und so legten sich die Psychiater schon sehr früh eine Art "Spektrum" dieser Leiden zurecht, gleichsam ein Kontinuum von gesunden (von der Wesensart her aber "schizothymen") Persönlichkeiten über persönlichkeitsgestörte ("schizoide") Menschen bis zu offensichtlich schizophren erkrankten Patienten. Unter "schizothym" verstand man eine zwar nicht krankhafte Wesensart, aber doch die auffallende Neigung, sich gegenüber der Außenwelt abzugrenzen, mit nur wenigen Freunden guten Kontakt zu haben, eigene Ideen und schöpferische Gedanken in zu ausschließlicher Weise nachzuhängen sowie an eigenen Prinzipien etwas zu starr festzuhalten. Schizoide Persönlichkeiten, die man dann zu den "Grenzfällen" rechnete, hatten schon in den früheren Klassifikationen deutlich mehr Besonderheiten aufzuweisen: kühl-distanziert, ja ungesellig bis ablehnend, ohne Wärme, wenig herzlich, zurückgezogen, fast autistisch (übertrieben mit sich selbst beschäftigt), aber auch empfindsam, leicht verletzbar, launisch, sprunghaft, vor allem unfähig, Feindseligkeiten zu äußern und damit zu neutralisieren, was aber unerwartete Gefühlsausbrüche nicht ausschloss, nicht selten sogar bahnte (Fachliteratur: Konstitutionstypologie nach Kretschmer). Diese Charakterisierung bzw. dieser Wesens-Typ war nicht selten, wurde durch diese wissenschaftlichen Konzepte gut dargestellt und fand deshalb rasch Eingang in Psychiatrie und Medizinische Psychologie und sogar in das Allgemeinverständnis. Sie wies aber auch viele Unstimmigkeiten auf, die nicht nur damit zu begründen waren, dass es eben eine große Variationsbreite solcher Wesensmerkmale gebe, wie überall, wenn man Menschen beurteilen und einzuteilen versucht. Den kritischen Wissenschaftlern ging es vor allem darum, das ja an sich schlüssige Konzept der Konstitutionstypologie entweder zu bestätigen oder zu ergänzen, je nach den Ergebnissen moderner Untersuchungen (meist Analysen von Krankenakten, Befragungs- und Retrospektivstudien, bei denen man rückwirkend zu entsprechenden Schlussfolgerungen zu kommen sucht). Und da galt es doch recht widersprüchliche Befunde zu akzeptieren - oder das Konzept neu zu überdenken. Am interessantesten und auch die meiste Klarheit bringend sind dabei so genannte Adoptionsstudien. Dort werden adoptierte Kinder untersucht, die z. B. von einem oder beiden schizophren erkrankten Elternteilen abstammen, nach der Adoption aber in seelisch gesunden Familien aufwachsen. Auf diese Weise kann man recht genau unterscheiden zwischen genetischen (Erb-)Einflüssen und der Bedeutung von Erziehungsfaktoren, die bei schizophren erkrankten Eltern natürlich eine zusätzliche Belastung wären, bei gesunden Familien aber diese Probleme nicht aufweisen dürften. Und hier zeigte sich, dass nicht wenige Kinder schizophrener Eltern, auch wenn sie in gesunden Familien aufwachsen dürfen, bereits im Kindes- und Jugendalter auffällig werden, sich vor allem von ihrer gesunden, d.h. erblich nicht belasteten Umgebung deutlich unterscheiden. Und wieder sprach man von einem Kontinuum, einem Schizophrenie-Spektrum: Auf der einen Seite die voll ausgeprägte und oft chronische Schizophrenie, in der Mitte die damals so genannte Borderline-Schizophrenie (siehe unten) und auf der anderen Seite die schizoide Persönlichkeitsstörung. Alle drei Krankheitsbilder sollen eine biologische Prädisposition aufweisen, d. h. eine erbliche Belastung. Dies gilt nicht nur für die ausgeprägte Schizophrenie, sondern auch für die beiden weniger auffälligen Krankheitsbilder Borderline-Schizophrenie und schizoide Persönlichkeitsstörung (in diesem Zusammenhang muss man allerdings wissen, dass die Borderline-Schizophrenie in der früheren Definition nichts mit dem heutigen Begriff einer Borderline-Persönlichkeitsstörung zu tun hat. Einzelheiten siehe das entsprechende Kapitel). Was versteht man heute unter einer schizoiden Persönlichkeitsstörung? Um es vorweg zu nehmen (einschließlich der kritischen Überlegungen aus der Einleitung dieses Beitrags): Es gibt die schizoide Persönlichkeitsstörung. Es gibt Menschen mit dieser krankhaften Wesensart, und nicht wenige können sich bei einigem Nachdenken an ein solches Beispiel erinnern. Andererseits tut sich die Wissenschaft gerade hier noch immer schwer. Um es einmal nur in Fachbegriffen auszudrücken: Es gilt folgende Krankheitsbilder zu unterscheiden, die teils klassifikatorisch (wissenschaftliche Einteilung), teils psychopathologisch (Krankheitsbild), ja sogar psychiatrie-historisch (wie hat man das früher gesehen?) und psychiatrie-politisch (wie unterteilen es die derzeit tonangebenden psychiatrischen Institutionen, z. B. die Amerikanische Psychiatrische Vereinigung - APA und die Weltgesundheitsorganisation - WHO) von einer schizoiden Persönlichkeitsstruktur abgegrenzt werden sollten, nämlich Schizophrenie, wahnhafte Störungen, Asperger-Syndrom (schizoide Störung in der Kindheit), schizoide Neurosenstruktur (Einteilung im Rahmen der Psychoanalyse), vor allem aber die schizotype Persönlichkeitsstörung. Leider muss man sich sogar in diesem Rahmen, der doch der Allgemeinheit ein wenig Klarheit bringen sollte, auf solche wissenschaftlichen Probleme einlassen, denn in der Frage der Definition und Klassifikation ist letztlich noch vieles im Fluss - besonders hier. Nachfolgend trotzdem eine alltags-relevante Übersicht zum Beschwerdebild der schizoiden Persönlichkeitsstörung: Schon die Psychoanalytiker charakterisierten die - schizoide Neurosenstruktur wie folgt: empfindlich und labil im Kontakt mit anderen, deren Nähe nur schwer ertragen bzw. als gefährliche Belastung und persönliche Grenzen ("Schutz-Distanz") auflösende Beengung empfunden wird. Dennoch großes Bedürfnis nach Nähe. Die Patienten wollen also letztlich aus ihrer Isolierung heraus, geraten dadurch aber ständig in Ambivalenz (gefühlsmäßig hin- und hergerissen, ständiger Wechsel voneinander widerstrebenden Gefühlen): Einerseits vorsichtig bis misstrauisch, andererseits empfindlich gegenüber Zurückweisungen und herabsetzender Behandlung. Außerdem können die Betroffenen ihre Kontaktwünsche nicht richtig dosieren: teils distanz- und kritiklose Annährungsversuche, teils abrupter Rückzug mit entsprechender Frustration der anderen. Ein besonderer Schwachpunkt ist eine unzureichende Realitätswahrnehmung oder kurz: "unrealistisch". Vor allem sind sich solche Patienten der Gefühle anderer nicht sicher. Das erklärt auch so manche unkalkulierbaren Reaktionen, je nach Situation. Als positiver Aspekt sehen die psychoanalytisch tätigen Psychiater und Psychologen eine häufig, wenn auch nicht immer auf den ersten Blick registrierbare große intuitive Begabung, die weniger auf konkretem Erkennen oder Erfassen bestimmter Sachverhalte beruht, mehr auf einer Art ahnenden Erfassens, oder allgemein ausgedrückt: "gleichsam aus dem Bauch heraus". Das könnte durchaus Vorteile bringen, die jedoch im Alltag leider nur wenig genutzt werden (können). - Die schizoide Persönlichkeitsstörung, wie sie die Psychiater charakterisiert wissen wollen, enthält im wesentlichen das gleiche Krankheitsbild: reserviert, scheu, zurückgezogen oder in der Fachsprache etwas ausführlicher: abweisende Scheu, stilles Verhalten und psychosoziale Zurückgezogenheit. Dazu Überempfindlichkeit gegenüber Kritik sowie Denk- und Kommunikationsstörungen (wenngleich der zwischenmenschliche Kontakt oft weniger belastet ist als beispielsweise bei der schizophrenen Psychose). Deshalb auch hier selten oder nur wenige Freunde, und wenn, dann eher distanziert, ambivalent (gefühlsmäßig hin- und hergerissen) bis misstrauisch. Als große, zwischenmenschliche und berufliche Belastung gilt auch das launenhaft wirkende bis exzentrische (überspanntes, fast verschrobenes) Verhalten. Oder kurz: Es fehlen die natürlichen Alltagskontakte. Die sozialen Bindungen sind oft gestört, auch im Berufsleben. Nach außen fehlt es an Wärme oder einfach nur an "Gefühl für andere", von Zuwendung ganz zu schweigen - zumindest scheinbar. Das führt naturgemäß zu vielen sozialen, insbesondere zwischenmenschlichen und nicht zuletzt sexuellen Konflikten. Und ganz besonders schwer erklärlich bzw. verstehbar und vor allem ertragbar ist die nicht seltene Kombination aus "kühl-schroff" und "überempfindlich-verletzlich". Und so lauten auch die so genannten diagnostischen Kriterien der tonangebenden APA und WHO zur Charakterisierung der schizoiden Persönlichkeitsstörung (modifizierte Zusammenfassung):
Im Einzelnen:
Zusammenfassend handelt es sich also um Personen, die in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen erheblich eingeschränkt sind. Dies vor allem durch ihre introvertierte (nach innen gekehrte), dazu aber distanziert-schroffe und ungesellige Wesensart. Dadurch können die sozialen und beruflichen Leistungen leiden, vor allem, wenn ein besonderes Engagement über die sonst üblichen gesellschaftlichen Beziehungen hinaus gefordert ist (Kunden-, Schüler- oder Patientenkontakt). Noch schwieriger wird es, wenn solche Menschen die Grundregeln gesellschaftlichen Zusammenhangs nicht befolgen oder gar erkennen können. Andererseits können auch schizoide Persönlichkeiten durchaus beachtliche berufliche Leistungen entwickeln, wenn sie ihre Tätigkeiten allein (vielleicht sogar bewusst isoliert) ausführen dürfen (also gesonderte Verwaltungs-, Labor-, Kontroll- oder Verarbeitungsplätze). Das pflegen die Betroffenen zwar mitunter zu beklagen (sich isoliert oder gar ausgegrenzt zu fühlen), doch wenn man sie dann enger in die Arbeitsgemeinschaft einbeziehen will, ist es auch wieder nicht recht und man wünscht sich in seine alte "Abgeschiedenheit" zurück. Differentialdiagnose: Was könnte es sonst noch sein? Nicht selten hört man die (vorwurfsvolle) Frage, warum es ausgerechnet den Psychiatern mit ihren "paar Krankheitsbildern" so schwer fällt, eine kurze und treffende Diagnose zu stellen. Das geht vor allem auf den mangelnden Kenntnisstand in der Allgemeinheit zurück ("Psychiatrie = Sucht- und Geisteskrankheiten, das wär's"). Leider sind an diesem Defizit die zuständigen Fachleute nicht unerheblich selber schuld, pflegen sie sich doch in Bezug auf Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärung und Prävention eher bedeckt zu halten. Tatsache ist, dass die Psychiatrie eine der vielschichtigsten, kompliziertesten und - nebenbei gesagt - "zukunftsträchtigsten" medizinischen Disziplinen ist. Davon zeugen schon bisher Dutzende (und nicht nur einige wenige) von Krankheitsbildern, die außerdem noch ständig zuzunehmen scheinen mit zahlreichen Unterteilungsmöglichkeiten sowie Hunderten (!) nicht nur von Arzneimitteln, sondern auch psycho-soziotherapeutischen Behandlungs-verfahren. Und selbst ein so relativ selten erscheinendes Leidensbild wie die schizoide Persönlichkeitsstörung muss noch fachgerecht eingeordnet und abgegrenzt werden, will man keinem diagnostischen und damit therapeutischen Irrtum aufsitzen - letztlich zu Lasten des Betroffenen und seiner Angehörigen. Was muss man deshalb ausschließen, will man sich dieser Diagnose sicher sein? Am wichtigsten ist die Unterscheidung gegenüber den schizotypischen, selbstunsicheren und paranoiden Persönlichkeitsstörungen, aber auch gegenüber Autismus (z. B. dem Asperger-Syndrom) und sogar gegenüber Extrembelastungen sowie chronischem Missbrauch von Alkohol, Medikamenten und Rauschdrogen (Einzelheiten siehe das entsprechende Kapitel). Im Einzelnen:
Kurz: Schizotype Persönlichkeitsstörungen sind noch eine Spur "auffälliger" als schizoide Persönlichkeiten. Einzelheiten siehe auch das entsprechende Unterkapitel in dem Beitrag über die Schizophrenien.
Mögliche Krankheitsfolgen durch eine schizoide Persönlichkeitsstörung Es gilt aber nicht nur andere, ggf. ähnlich erscheinende Leidensbilder auszuschließen, es müssen auch die seelischen, geistigen, psychosozialen und körperlichen Folgen einer schizoiden Persönlichkeitsstruktur berücksichtigt werden. Dies wird vor allem dann deutlich, wenn solche Menschen in Behandlung kommen, aber nicht wegen der (noch gar nicht diagnostizierten) Grund-Krankheit "schizoide Persönlichkeitsstörung", sondern wegen psychosozialer oder sonstiger Konsequenzen. Dies herauszufinden ist nicht einfach und in der Regel erst nach einer mittelfristigen Behandlung möglich - und braucht beim Psychiater oder Psychologen viel diagnostische Erfahrung und therapeutisches Geschick. Denn diese Patienten beginnen ihre Behandlung oft wegen einer anderen psychischen Störung, die aber auf das noch nicht erkannte und bis dahin völlig in den Hintergrund gedrängte Grundleiden zurückgeht. Was können solche Folge-Krankheiten sein? Dazu gehört vor allem ein depressives Zustandsbild. Deprimiert oder gar depressiv können schizoide Menschen werden, wenn ihnen ihre Sonderstellung ("Sonderling") langsam bewusst und die Konsequenzen zur Last werden. Wenn sie nicht in die Gesellschaft passen, keinen Freundeskreis, vielleicht nicht einmal einen einzelnen Freund haben, im beruflichen Umfeld ausgegrenzt werden und auch "zu Hause", bei ihren Angehörigen in der Regel zwar geduldet, aber offensichtlich nicht willkommen sind. Vor allem, wenn sie im Grunde den nicht wirklichen Wunsch nach Nähe zu anderen verspüren, trotzdem aber glauben - z. B. aus "konventionellen Gründen -, sich in irgendeiner Weise binden zu müssen. Wenn eine solche Partnerschaft (fast zwangsläufig) scheitert, kann der Zusammenbruch eigener Erwartungen, Wünsche und Hoffnungen auch eine depressive Reaktion zur Folge haben. Zuletzt kann eine solche depressiv-resignative Grundüberzeugung dann gefährlich werden, wenn der Betroffene glaubt, sein Leben sei sinnlos, öde, ohne Zweck und Zukunft - und sollte deshalb vorzeitig abgebrochen werden, und zwar von eigener Hand (Selbsttötungsgefahr). Schizoide Persönlichkeiten neigen aber im Rahmen der erwähnten zwischenmenschlichen, gesellschaftlichen und beruflichen Schwierigkeiten auch zu Angststörungen. Und hier insbesondere zu einer so genannten Sozialphobie (Angst vor den anderen schlechthin) bzw. zu anderen Phobien (Zwangsbefürchtungen). Einzelheiten dazu siehe das ausführliche Kapitel über Angststörungen. Zu solchen Angst-Reaktionen mit nachhaltigen Folgen kann es dann kommen, wenn sich die Betreffenden privat und beruflich gezwungen sehen, intensivere zwischenmenschliche Tätigkeiten aufzunehmen und insbesondere dort Erfolg zu haben. Der aber ist bei einem zwischenmenschlich gehemmten Menschen schwierig. Denn Erfolg hat man in vielen Fällen vor allem dann, wenn man sich auch innerlich mit einbringen kann; das schätzen nämlich die Verhandlungspartner, wenn auch ansonsten das Prinzip des lächelnden Ellenbogens dominiert. Mit anderen Worten: Zu einer schizoiden Persönlichkeitsstruktur als Grundkrankheit kann dann auch eine "Menschenangst" (Fachausdruck: soziale Phobie - s.o.) kommen. Oder Angststörungen, zumindest aber belastende Befürchtungen, je nach Ausgangslage, Anforderungen und psychosozialen Konfliktmöglichkeiten. Und schließlich ist auch eine so genannte Depersonalisationsstörung nicht auszuschließen, besonders bei ausgeprägteren und konsequent jeden Kontakt vermeidenden Einzelgängern. Denn ein Leben am Rande der Gesellschaft (auch wenn wohnlich mittendrin) kann bei zunehmendem Rückzug und damit Isolationsgefahr in ein Gefühl der Entfremdung, ja der Derealisation ("alles so eigenartig um mich herum") bzw. der Depersonalisation ("bin ich eigentlich noch ich selber?") münden. Zwar lässt sich so etwas durch eine rege Phantasietätigkeit teilweise ausgleichen, es können aber auch psychose-nahe Episoden drohen. Auf jeden Fall wird deutlich: Es gilt nicht nur verschiedene Ausgangs-Erkrankungen, sondern auch einzelne Folge-Leiden auseinander zu halten. Gerade die schizoide Persönlichkeit bietet hier für den Arzt und Psychologen einige besonders heikle Probleme. Und schließlich können sich auch Menschen mit einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung sozial zurückziehen, besitzen aber meist die Fähigkeit zu intimen Kontakten (und vereinsamen dadurch auch nicht so offensichtlich unkorrigierbar wie viele schizoid Erkrankte). Kann eine schizoide Persönlichkeitsstörung zur Schizophrenie werden? Wenn es tatsächlich Hinweise darüber gibt, dass sich im verwandtschaftlichen Umfeld einer schizoiden Persönlichkeitsstörung vermehrt Schizophrenien und so genannte schizotype Persönlichkeitsstörungen finden, dann gilt es auch die Frage zu klären: Kann aus einer schizoiden Persönlichkeitsstruktur eine Schizophrenie werden? Die Antwort nach dem bisherigen Stand der Kenntnisse lautet: in der Regel nein. Das heißt aber nicht, dass nicht das eine Leiden zum anderen kommen kann, d.h. dass der Betroffene gleichsam die Anlage für beide Erkrankungen in sich trägt. Und wenn sich auf eine schizoide Persönlichkeitsstörung eine schizophrene Psychose gleichsam aufpfropft, dann ist die Prognose (die Heilungsaussichten) allerdings ungünstiger. Das betrifft jedoch die meisten Persönlichkeitsstörungen, nicht nur die schizoide. Wie häufig ist eine schizoide Persönlichkeitsstörung? Die Frage der Häufigkeit einer schizoiden Persönlichkeitsstörung ist kurz und unbefriedigend zu beantworten: Es fehlen genaue Untersuchungsergebnisse und damit Kenntnisse, besonders wenn man sich klassifikatorisch ständig neuen Konzepten gegenüber sieht. Die so genannten Prävalenzraten (Häufigkeit) liegen je nach Studie gewöhnlich weit unter 1 %. Das Einzige, was man sicher weiß ist: Der klinisch tätige Arzt und Psychologe sieht solche Patienten selten, der in freier Praxis aber auch, denn diese Patienten kommen kaum von selber in Behandlung (am ehesten von Angehörigen, Freunden oder auch manchmal vom Arbeitgeber geschickt). Über die Geschlechtsverteilung gibt es ebenfalls keine erhellenden Auskünfte. Möglicherweise sind Männer wie Frauen gleich häufig betroffen. Das familiäre Verteilungsmuster bzw. damit entsprechende Erbfaktoren besagen, dass schizoide Persönlichkeitsstörungen bei Verwandten einer Schizophrenie oder einer schizotypischen Persönlichkeitsstörung häufiger zu erwarten sind. Wie erklärt man sich das Entstehen einer schizoiden Persönlichkeitsstörung? Die Frage, wie ein Mensch zu einer solchen Persönlichkeitsstörung kommt, scheint wissenschaftlich noch nicht ausdiskutiert. Zum einen sind dabei biologische Aspekte nicht zu übersehen (siehe die Erkenntnisse über das familiäre Verteilungsmuster: öfter Verwandte von Menschen mit einer Schizophrenie oder schizotypen Persönlichkeitsstörung. Es stehen allerdings noch umfassendere Untersuchungen aus (was aber gerade bei so schwer erreichbaren Patienten besonders schwierig sein dürfte). Psychoanalytisch wurde diese Art von Krankheitsbild ja schon früher als schizoide Neurosenstruktur bezeichnet (s.o.). Und man interpretierte die dominierende Neigung zur sozialen Selbst-Isolation als Form der Abwehr gegen zwischenmenschlich nahe und intime Beziehungen. Andere Wissenschaftler vermuten, dass es sich hier um die spezifische Schwierigkeit handelt, Ärger und Feindseligkeit adäquat auszudrücken, obwohl Angst und Wut sehr wohl vorhanden seien und subjektiv quälten. Diese "Sperre im Ärgerausdruck" führte ihrerseits zu den vagen und unbestimmten zwischenmenschlichen Kontaktwünschen bzw. dem Vermeiden solcher Kommunikationsmöglichkeiten. Das gehe - so einige Psychoanalytiker - vor allem auf eine Störung der frühen Mutter-Kind-Beziehung zurück, bei der dem Kind die nahe Erfahrung von Intimität, Zuneigung und Liebe verwehrt oder nur unvollständig ermöglicht worden sei - mit allen späteren Konsequenzen. Wie behandelt man eine schizoide Persönlichkeitsstörung? Erfolgreich behandeln kann man nur, wer einen Behandlungswunsch äußert, also behandlungswillig ist. Das ist gerade bei schizoiden Persönlichkeitsstörungen nicht die Regel. Viele dieser Patienten sind zwar unzufrieden bis unglücklich, aber als krank und damit behandlungsbedürftig stufen sie sich nun doch nicht ein. Und wenn sie - wie erwähnt - von anderen zum Psychologen oder Psychiater geschickt werden ("jetzt tu' endlich was!"), dann ist auch dieser Weg nicht die günstigste Ausgangslage für eine erfolgreiche Therapie, wenn man dazu erst angehalten bis gezwungen werden muss. Dazu kommen spezifische Konsequenzen, die beispielsweise mit dem Fachausdruck umschrieben werden: Kompetenz-Defizit im Umgang mit zwischenmenschlichen gefühlvollen Beziehungen. Oder auf deutsch: Wie soll man den zwischenmenschlichen Kontakt erlernen oder "trainieren", wenn man ihn nicht sucht, ja gezielt meidet. Dabei wäre die spezielle Angst vor intimen Beziehungen schon traurig genug, doch die Furcht bezieht sich ja auf die allgemeine Basis-Kommunikation im Alltag. Oder nochmals wissenschaftlich: Es werden keine differenzierten Interaktions-Erfahrungen gemacht und damit keine Kompetenzen im Umgang mit gefühlsmäßig negativen wie positiven zwischenmenschlichen Beziehungen erworben. Das begünstigt einen Teufelskreis: Die schroff-zurückweisende Art schizoider Persönlichkeiten provoziert im harmlosesten Falle Rückzug der anderen oder Kritik, vielleicht aber auch feindselige Ablehnung und schließlich Ausgrenzung. Das Endergebnis sind Selbst-Isolierung und Vereinsamung. Von einer solchen traurigen Basis aus aber ist natürlich mit keiner Klärung der Situation, geschweige denn einer Besserung und Re-Integrierung in das gesellschaftliche Leben zu rechnen. Oder kurz: "Wer draußen ist bleibt draußen" (Zitat einer Betroffenen). Hier aber setzt vor allem die Verhaltenstherapie an, ein psychotherapeutisches Verfahren, das sich gerade bei der schizoiden Persönlichkeitsstörung am Alltag fest macht und in kleinen Schritten zumindest Erleichterung, wenn nicht gar ein begrenztes "Zurück" in den Kreis der anderen erlaubt. Aber wie gesagt: Gefragt ist auch eine solche Verhaltenstherapie nur selten. Die meisten schizoid Erkrankten nehmen ihre Einsamkeit, ihre Frustrationen und Enttäuschungen als schicksalsmäßig hin - obgleich es eigentlich Möglichkeiten gibt, diesen letztlich unglücklich Lebens- bzw. Leidensweg zumindest etwas zu erleichtern. Mehr wollen übrigens auch die meisten gar nicht, weshalb die Heilungsaussichten auch wiederum nicht so negativ beurteilt werden, wie das manchmal geschieht. Aber immer unter der erwähnten Voraussetzung: Der Betroffene muss eine Behandlung wollen. Das Umfeld, d. h. Angehörige, Bekannte, Nachbarn, Arbeitskollegen u.a. sehen sich dazu weder in der Lage, noch willens, denn man sieht gerade beim schizoid Erkrankten vor allem nur die schroff-abweisende "Schale", nicht den leidvollen Kern. Anhang: Vom Einzelgänger zur schizoiden Persönlichkeitsstruktur? Jeder, der sich die wichtigsten Merkmale einer schizoiden Persönlichkeitsstörung vor Augen hält, kennt Menschen, die ihm dazu mehr oder weniger spontan einfallen. Zum Beispiel der Mangel an zwischenmenschlichen Beziehungen bzw. der nicht sehr ausgeprägte Wunsch danach. Dies liege - so die Betroffenen, falls man überhaupt dazu eine Antwort bekommt -, daran, dass die gemeinsamen Aktivitäten, ja überhaupt nur das Zusammensein mit anderen als einfach nicht befriedigend erlebt werden. Warum also? Und wenn andere versuchen, mit schizoiden Menschen Kontakt aufzunehmen, werden sie mitunter sogar als aufdringlich bis lästig abgewiesen. Das führt dazu, dass man Menschen mit einer schizoiden Persönlichkeitsstruktur kaum Emotionen (Gefühle), ja mitunter überhaupt keine gemütsmäßige Ansprechbarkeit zuschreibt. Unterstrichen wird dies noch durch die Erkenntnis, dass sie in der Regel weder schmerzhafte Erfahrungen noch Wohlbefinden spüren lassen, geschweige denn mitteilen. Und dass sie gleichgültig, wenn nicht sogar hochgradig passiv erscheinen und in ihrer Selbstbezogenheit kaum auf positive, ja sogar nur wenig und sehr verhalten auf negative Einflüsse reagieren. So etwas ist also, mit unterschiedlicher Intensität und Auffälligkeit, gar nicht so selten, besonders in unserer Zeit und Gesellschaft. Denn gerade heutzutage gibt es immer mehr Menschen, die das so genannte Single-Dasein nicht nur schicksalhaft akzeptieren müssen, sondern sogar immer mehr zu schätzen wissen. Das wird zwar von den Soziologen, Psychologen und Psychiatern sehr unterschiedlich bewertet, vor allem was die Konsequenzen im mittleren und höheren Lebensalter anbelangt (hier erwartet man von einer Lebensführung ohne Partner letztlich schon gewisse seelische und psychosoziale, ja sogar körperliche Gesundheitsprobleme, man denke nur an den gerne unterschätzten "Betreuungs-Aspekt" durch nahe Angehörige). Doch auch das wird sich irgendwie einpendeln und durch entsprechende Informationen, Anregungen, gesellschaftliche Umstrukturierungen, ggf. konkrete Hilfen und Unterstützungsmaßnahmen regeln lassen. Auch sind die meisten Single natürlich durchaus gesellig und an jeglichem Kontakt, einschließlich intimer Beziehungen interessiert. Deshalb wird sich - trotz derzeitiger Gesellschaftskritik - wahrscheinlich gar nicht so viel ändern, auf jeden Fall aber kaum verschlechtern, hoffen die Optimisten unter den Soziologen. Nach wie vor aber wird es auch Menschen geben, die anderen lieber aus dem Wege gehen und am liebsten für sich alleine tätig sind. Die Mehrzahl davon aber ist nicht passiv, sondern durchaus aktiv, konstruktiv, und zwar sowohl im Beruf als auch in der Freizeit und dabei mit zum Teil erstaunlichen Erfolgen. Und das heißt: - Ein Single im herkömmlichen Sinne ist keinesfalls mit einer schizoiden Persönlichkeitsstruktur gleichzusetzen. Singles sind ein Phänomen unserer Zeit und Gesellschaft mit eigenen Vorzügen und Nachteilen. - Natürlich kommt die Single-Mentalität einer schizoiden Persönlichkeitsstruktur eher entgegen. Je mehr Menschen für sich alleine leben und dies auch mit Genuss, zumindest bedingter Zufriedenheit tun, umso weniger fallen jene auf, die vielleicht noch einen Grad zurückgezogener sind, aber wegen dieser allgemeinen "Vereinzelungs-Tendenz" auch kaum zu längeren Diskussionen Anlass geben. - Und schließlich mag es so manchen Misch-Typ geben, von der Wesensart her ein wenig schizoid, von der derzeit dominierenden Gesellschaftsstruktur her aber nicht untypisch. Und vor allem auch nicht an sich und seinem Leben leidend. Und durchaus erfolgreich im Beruf, besonders wenn sie selbständig sind oder für sich alleine arbeiten können. Oft genießen ja selbst ausgeprägte schizoide Persönlichkeiten einen hohen Stellenwert an ihrem Arbeitsplatz, weil sie wegen nicht einengender Bindungen beruflich flexibler einsetzbar sind, sich voll auf ihre Aufgaben konzentrieren können und dies auch als Chance empfinden (nach P. Fiedler). Literatur Sehr spezielles Thema mit meist englischsprachiger Fachliteratur, kaum allgemein verständlichen Informationen. Grundlage vorliegender Ausführung sind APA: Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen - DSM-IV. Hogrefe-Verlag für Psychologie, Göttingen-Bern-Toronto-Seattle 1998 Fiedler, P.: Dissoziative Störungen und Konversion. Beltz-PVU, Weinheim 2001 Fiedler, P.: Persönlichkeitsstörungen. Beltz-PVU, Weinheim 2001 WHO: Internationale Klassifikation Psychischer Störungen - ICD-10: Verlag Hans Huber Bern-Göttingen-Toronto 1991 |
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Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise. |