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SEELISCHE STÖRUNGEN BEI EPILEPSIE

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Eine kurz gefasste Übersicht

Mit dem Begriff Epilepsie verbindet sich vor allem die Vorstellung von einem dramatischen Krampfanfall. Davon abgesehen, dass es eine Reihe von epileptischen Anfällen gibt, die mit einem solchen „großen Anfall“ nicht das Geringste zu tun haben (und deshalb auch meist verkannt werden), ist das selten das größte Problem. Die antiepileptische Behandlung hat inzwischen so eindrucksvolle Fortschritte gemacht, dass man – im Vergleich zu früher – ein so gut wie „normales“, d. h. unauffälliges Leben führen kann.

Was nach wie vor ein mitunter ungelöstes oder nur mit Kompromissen ertragbares Problem ist, sind die seelischen und psychosozialen Folgen der Epilepsie. Auch sie lassen sich zumeist in Grenzen halten – aber es bleibt noch immer die Möglichkeit von Beeinträchtigung, Stigmatisierung, wenn nicht gar Diskriminierung und damit Scham, Resignation, vielleicht sogar Rückzug und Isolationsneigung.

Nachfolgend deshalb eine kurz gefasste Übersicht zum Thema Psychosen, Depressionen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen, arzneimittel-beding­te Wesensänderung, psychoreaktive Konsequenzen usw. im Rahmen einer ansonsten inzwischen erfolgreich behandelbaren Krankheit, der Epilepsie.


Erwähnte Fachbegriffe:

Epilepsie – Temporallappen-Epilepsie – Schläfenlappen-Epilepsie – Häufigkeit – Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) – Beschwerdebild – Anfalls-Vorposten – Prodromi – Aura – iktal – postikatal – interiktal – Psychose bei Epilepsie – Epilepsie-Psychose – Sinnestäuschungen – Wahn – affektive Verflachung – Gemüts-Verödung – Residual-Syndrome – Rest-Krankheitszeichen – generalisierte tonisch-klonische Anfälle – komplex-fokale Anfälle – Bewusstseinsstörung – Dämmerzustände – Bewusstseins-Einengung – Psychose – Geisteskrankheit – interiktale Psychose – paradoxe Psychose – Halluzinationen – optische Halluzinationen – Gesichts-Trugwahrnehmungen – akustische Halluzinationen – Hör-Trugwahrnehmungen – euphorisch-ekstatische Stimmungslage bei Epilepsie – Todesangst bei Epilepsie – aggressive Durchbrüche bei Epilepsie – Fremd-Aggressionen – Auto-Aggressionen – Selbst-Aggressionen – Alternativ-Psychose – Depressionen bei Epilepsie – Dysphorie bei Epilepsie – Miss-Stimmung bei Epilepsie – Angst bei Epilepsie – Reizbarkeit bei Epilepsie – Suizid-Gefahr bei Epilepsie – alternative Depression – depressives Beschwerdebild bei Epilepsie – Depressionen durch Antiepileptika – Angststörung bei Epilepsie – Angst-Aura – Panikattacken – Agoraphobie – Sozialphobie – Generalisierte Angststörung – Posttraumatische Belastungsstörung – Persönlichkeitsstörungen bei Epilepsie – epileptische Wesensänderung – interiktale Persönlichkeitsstörung – mangelnde Umstellungsfähigkeit bei Epilepsie – zähflüssiger Gedankengang bei Epilepsie – Humorlosigkeit bei Epilepsie – Traurigkeit bei Epilepsie – Ärger-Anfälligkeit bei Epilepsie – Reizbarkeit bei Epilepsie – gedämpfte Sexualität bei Epilepsie – Umständlichkeit bei Epilepsie – wahnhafte Reaktionen bei Epilepsie – Hyper-Religiosität bei Epilepsie – Religiosität und Epilepsie – Schicksalsglaube und Epilepsie – philosophisches Interesse und Epilepsie – Euphorie und Epilepsie – Gefühlsduselei und Epilepsie – Zwanghaftigkeit und Epilepsie – Moralismus und Epilepsie – moralisiernd-religiöse Einstellung und Epilepsie – Hypergraphie und Epilepsie – Wesens-Änderung und Epilepsie – Arzneimittel und Epilepsie – pharmakogene Wesens-Änderung und Epilepsie – Arzneimittelfolgen und Epilepsie – reaktive Veränderungen durch Epilepsie – psycho-reaktive Folgen durch Epilepsie – Epilepsie und Familie – Epilepsie und Arbeitsplatz – Eigen-Gefährdung durch Epilepsie – Publikumsverkehr und Epilepsie – Verkehr und Epilepsie – Freizeitaktivitäten und Epilepsie – Sport und Epilepsie – Alkohol und Epilepsie – u.a.m.

Epileptische Erkrankungen gehören mit 0,5 bis 1% der Gesamtbevölkerung und 33,3 Neu-Erkrankungen pro 100.000 Einwohnern pro Jahr zu den häufigsten neurologischen Leiden. Einzelheiten zu Diagnose, Klassifikation, Beschwerdebild, Verlauf u. a. in den entsprechenden Kapiteln dieser Serie.

Hier und jetzt soll es um ein unterschätztes, ja, nach Experten-Meinung verkanntes und „untertherapiertes“ Phänomen gehen, nämlich seelische und psychosoziale Störungen bei Epilepsie. Denn bezogen auf ihre Lebenszeit erleiden wahrscheinlich mehr als die Hälfte aller Epilepsie-Betroffenen auch Psychosen, Depressionen, Angstzustände, Persönlichkeitsstörungen, von den nachvollziehbaren Reaktionen auf die Belastung des Leidens ganz zu schweigen.

Dies betrifft vor allem Patienten mit Temporallappen-(Schläfenlappen-) Epilepsie. Außerdem jene Krankheiten, die nur unbefriedigend oder gar nicht auf antiepileptisch wirksame Arzneimittel ansprechen. Die Bedeutung des Problems für den Alltag wird auch dadurch ersichtlich, dass diese Patienten gegenüber der Allgemeinbevölkerung ein um das 4- bis 5-fach erhöhtes Suizid-Risiko aufweisen.

Die Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) drängt deshalb vermehrt auf eine Klärung, vor allem was die so genannten neuro-psychiatrischen Störungen anbelangt.

Nachfolgend deshalb eine kurz gefasste Übersicht über die einzelnen seelischen Symptome oder Syndrome (zusammengehörige Krankheitszeichen) bzw. konkrete Krankheitsbilder im Zusammenhang mit epileptischen Erkrankungen.

Dabei unterscheidet man je nach Zeitablauf des Anfallsgeschehens psychische Symptome als Anfalls-Vorposten (Fachbegriff: Prodromi) oder die Aura (kurz vor Anfallsbeginn), ferner Krankheitszeichen als Haupt-Bestandteil des Anfalls (Fachbegriff: iktal), nach dem Anfall (postiktal) und schließlich im anfallsfreien Intervall (interiktal). Außerdem gibt es noch die so genannten Alternativ-Psychosen (siehe später). Im Einzelnen:

  • Psychosen bei Epilepsie

Eine Psychose ist populärmedizinisch eine „Geisteskrankheit“, fachlich gesprochen eine Störung, „bei der die Beeinträchtigung der psychischen Funktionen ein solches Ausmaß erreicht hat, dass dadurch Realitätsbezug, Einsicht und die Fähigkeit zu sehr gestört sind, um einigen der üblichen Lebensanforderungen noch zu entsprechen (Weltgesundheitsorganisation - WHO). Konkret heißt das Halluzinationen, wahnhafte Störungen oder bestimmte Formen schweren abnormen Verhaltens wie Erregungszustände, ausgeprägte seelisch-körperliche Hemmung u. a.

Man vermutet, dass etwa 4 bis 10% aller Epilepsie-Kranken damit zu kämpfen haben. In der Regel dominieren so genannte positive Symptome, also die erwähnten Sinnestäuschungen, wahnhaften Störungen u. a. Im Gegensatz zu schizophrenen Psychosen kommt es allerdings wesentlich seltener zu dem, was man eine affektive Verflachung („Gemüts-Verödung“) oder Residual-Syndrome (fortdauernde Rest-Beeinträchtigungen) nennt. Problematisch, ja mitunter riskant bis gefährlich sind die bisweilen heftigen Gemütsreaktionen.

Psychotische Zustände können in praktisch allen Verlaufsformen vorkommen (vorher, während, danach, dazwischen). Am häufigsten sind sie bei generalisierten tonisch-klonischen (so genannten „großen“) oder komplex-fokalen Anfällen (vorwiegend bei Schläfenlappen-Epilepsie).

Gewöhnlich sind es paranoide (wahnhafte) oder paranoid-halluzinatorische Symptome (Wahn- und Sinnestäuschungen) mit und ohne Störungen des Bewusstseins (d. h. Dämmerzustände oder allenfalls geringfügige Bewusstseins-Einengungen bzw. gar ein normales Bewusstsein).

Risikofaktoren sind lange Krankheitsdauer ohne vollständige Anfallsfreiheit, Kombination von Grand mal- und komplex-fokalen Anfällen, bestimmte (eher ältere) Antiepileptika sowie eine Psychose in der Vorgeschichte, d h. schon vor Ausbruch der Epilepsie.

Ein besonderes Problem ist die so genannte interiktale oder paradoxe Psychose, d. h. in den „gesunden“ Zwischenzeiten ohne Anfälle. Hier liegt meist eine mehrjährige Epilepsie-Erkrankung vor, oft schon seit der Jugendzeit, bis dann nach oftmals vielen Jahren (im Schnitt 14) schließlich auch noch eine solche Psychose ausbricht, meist mit optischen Halluzinationen (Gesichts-Trug­wahrnehmungen), seltener auch mit akustischen (Stimmen, Geräusche u. a.). Die Wahn-Inhalte beziehen sich häufig auf religiös-mystische Themen.

Im Gegensatz dazu bilden sich bei Psychosen nach dem Anfall eher maniforme (hochgestimmte und angetriebene) Erscheinungsbilder aus mit euphorisch-ekstatischer Stimmungslage (inhaltliches Glücksgefühl, „außer sich sein“ u. a.). Dabei aber auch Todesangst, bis hin zu selbst- oder fremd-aggressiven Durchbrüchen (Gewalt gegen sich selber und/oder andere).

Ein interessantes Phänomen ist die so genannte Alternativ-Psychose. Sie kann dann auftreten, wenn spontan oder durch erfolgreiche antiepileptische Behandlung die epileptischen Anfälle zurückgehen bzw. verschwinden, bis hin zu einem normalen elektroenzephalographischen Befund (EEG). Oder kurz: Entweder Anfälle oder Psychose. Leider keine sehr erfreuliche Alternative, an der also auch – paradoxerweise – Antiepileptika beteiligt sind.

  • Depressionen bei Epilepsie

Depressive Zustände scheinen bei epilepsiekranken Menschen häufiger als bei anderen mit chronischen Krankheiten vorzukommen. Umgekehrt – interessanterweise – findet man bei ursprünglich nur depressiven Patienten auch eine Häufung von Epilepsien (was sich nicht allein durch epilepsie-auslösende Antidepressiva erklären lässt). Wahrscheinlich handelt es sich um eine biologische Beziehung zwischen beiden Erkrankungen. Außerdem hängt die Häufigkeit depressiver Störungen bei Epileptikern mit der Schwere der epileptischen Erkrankung zusammen. Auch scheint die Stimmungslage auf die Lebensqualität der Betroffenen mehr Einfluss zu haben als die Häufigkeit der epileptischen Anfälle.

Auch hier unterscheidet man zwischen Depressionen vor, während und nach den Anfällen sowie dazwischen und alternativ.

Bei den Verstimmungen vor den Anfällen finden sich vor allem Dysphorie (Miss-Stimmung), Ängste und Reizbarkeit, seltener ausgeprägte depressive Stimmungstiefs. Während des Anfalls sind die Gemüts-Beeinträchtigungen am ehesten in Form einer Aura (kurz vor Anfallsbeginn) zu finden. Nach dem Anfall halten die Depressionen in der Regel nur kurz an, können aber immer wieder auftreten, ja, aufgrund begleitender Suizid-Impulse durchaus gefährlich werden. Am häufigsten sind die Verstimmungen zwischen den Anfällen und das meist auch noch ohne jede Beziehung zur Anfalls-Aktivität. Reagieren die Patienten depressiv, obgleich ihre Anfälle antiepileptisch erfolgreich behandelt werden konnten, spricht man auch hier von einer alternativen Depression (wiederum mit der Möglichkeit der Normalisierung des EEG).

Das Beschwerdebild einer Epilepsie-Depression entspricht in der Regel nicht dem, was man sonst bei Depressionen vorfindet. Dieser Depressions-Schwer­punkt liegt eher auf einer gedrückten Stimmung, matt, energielos, antriebsarm, Schlafstörungen, allgemeine und konkrete Ängste (Phobien), teils euphorische (inhaltslos hochgestimmt), teils gereizte Verstimmungen sowie körperliche Beschwerden bis hin zu Schmerzen, aber ohne organischen Befund. Die depressiven Zustände zwischen den Anfällen brechen frühestens zwei Jahre nach Ausbruch einer Epilepsie aus und halten charakteristischerweise nur wenige Tage, ja Stunden an. Dabei kann es auch Übergänge zu psychotischen Zustandsbildern geben. Bedenklich ist auch hier die erhöhte Suizidgefahr.

Nicht zu unterschätzen sind depressive Verstimmungen als Folge antiepileptischer Behandlung. Tatsächlich sind für mehrere Antiepileptika so genannte depressiogene Effekte als mögliche unerwünschte Arzneimittel-Wirkung bekannt, d. h. Depressionen als Nebenwirkung.

  • Angststörungen bei Epilepsie

Angststörungen nehmen schon generell zu. Das betrifft auch die Epilepsie-Patienten, wobei diese unselige Kombination natürlich so alt ist wie das Leiden selber, nur heute gezielter erkannt und behandelt. Insbesondere ältere Epilepsie-Kranke leiden häufig unter Angststörungen. Auch hier unterteilt man in Angstsymptome vor, während, nach einem epileptischen Anfall und dazwischen. Außerdem kommen Angststörungen auch im Rahmen der Kombination Epilepsie/Psychose bzw. Epilepsie/Depressionen vor und – nicht zu unterschätzen – als Furcht der Epilepsie-Betroffenen vor den Folgen ihres Leidens (siehe später).

Angststörungen finden sich aber bei den Epilepsien auch als Angst-Aura sowie Furcht als psychologisch verstehbare Reaktion um den Anfall herum. Es können aber auch Angstzustände Stunden bis Tage dem nächsten Anfall vorausgehen. Und sie können als Nebenwirkung von ansonsten unverzichtbaren Antiepileptika belasten.

Die häufigsten Angst-Formen bei Epilepsie sind die Gleichen wie bei reinen Angststörungen. Beispiele: Panikattacken (überfallartige Angstzustände), Agoraphobie (Vielzahl von angstauslösenden Ursachen), Sozialphobie (die krankhafte Angst vor den anderen), Generalisierte Angststörung (krankhaft andauernde Erwartungsangst) sowie posttraumatische Belastungsstörung (seelische Verwundung mit Langzeitfolgen, z. B. auch Anfall als Trauma). Einzelheiten dazu siehe die speziellen Hinweise in den verschiedenen Ausgaben dieser Serie.

Interessanterweise kommen Angststörungen bei Epilepsie-Patienten häufig vor dem erstmaligen Ausbruch der Anfälle und in der Familien-Anamnese (Vorgeschichte) vor.

  • Persönlichkeitsstörungen bei Epilepsie

Persönlichkeitsstörungen sind ein schwieriges Kapitel, nicht nur in der Psychiatrie (siehe die verschiedenen Beiträge in dieser Serie). Auch im Rahmen der Epilepsien werden sie schon lange diskutiert. Tatsächlich finden sich Persönlichkeitsstörungen bei Epilepsie gegenüber der Normalbevölkerung leicht erhöht. Einiges geht auf die Erkrankung zurück, einiges auf die Nebenwirkungen von Antiepileptika und nicht Weniges auf die psychosoziale Reaktion der Betroffenen auf ihr Leiden mit entsprechenden Konsequenzen im Alltag.

Das frühere Konzept der „epileptischen Wesensänderung“, eine ohnehin unglücklich gewählte Bezeichnung, entspricht im Übrigen nicht mehr den heutigen Kenntnissen der Wissenschaft. Trotzdem bleiben einige Symptome übrig, die diagnostisch und klassifikatorisch eingeordnet werden müssen. Dies betrifft vor allem die Schläfenlappen-Epilepsie.

Inzwischen spricht man von einer „interiktalen Persönlichkeitsstörung“, die allerdings im Wesentlichen jene Symptome enthält, die die frühere „epileptische Wesensänderung“ betrafen.

Beispiele: viskös (mangelnde Umstellungsfähigkeit und Wendigkeit, zähflüssiger Gedankengang usw.), humorlos, Neigung zu Traurigkeit, Ärger, aber auch Reizbarkeit, veränderte (eher gedämpfte) Sexualität, Umständlichkeit, Paranoia (wahnhafte Reaktionen), Schuldgefühle, Hyper-Religiosität, Schicksalsglaube, überzogenes philosophisches Interesse, Euphorie (inhaltsloses Glücksgefühl), gesteigerte Emotionalität (Gefühlsbezogenheit, „Gefühlsduselei“), Neigung zu Abhängigkeit oder gar Passivität, zu Zwanghaftigkeit und einer Art Hyper-Moralismus, der sich auch schriftlich (Hypergraphie) in einem überzogen moralisierend-religiösen Gepräge ausdrücken kann.

Diese Hinweise können, aber müssen nicht zutreffen, vor allem nicht ausschließlich der Schläfenlappen-Epilepsie zugeordnet. Sie sind wissenschaftlich noch in Diskussion und warten nun auf ihre Verifizierung (statistisch tragbare Beweislage).

Zwei Aspekte sind es schließlich noch, die zwar schon anklangen, aber noch einmal kurz zusammengefasst werden sollen: 1. die pharmakogenen Veränderungen (durch Arzneimittel) und 2. die psychosoziale Reaktion der Betroffenen. Im Einzelnen:

  • Pharmakogene (Wesens-)Änderung

Die pharmakogene (medikamentös bedingte) Wesens-Änderung bezieht sich meistens auf die unerwünschten Begleiterscheinungen der an sich unverzichtbaren Antikonvulsiva/Antiepileptika.

In psychischer Hinsicht belastet vor allem eine Dämpfung mit Beeinträchtigung von Merkfähigkeit, Auffassungs- und Konzentrationsfähigkeit, seelischem und psychomotorischem (Bewegungs-)Tempo sowie Denkvermögen. Es sind aber auch Hyperaktivität, Schlafstörungen, Reizbarkeit und emotionale (Gemüts-) Labilität möglich.

Es gilt also einen Kompromiss zu finden zwischen medikamentös erfolgreicher Anfalls-Freiheit und unangenehmen, belastenden oder nicht hinnehmbaren Nebenwirkungen.

  • Reaktive Veränderungen

Die reaktiven oder konkreter psycho-reaktiven Folgen gehen zumeist auf Zurücksetzung und Minderwertigkeitsgefühle zurück. Durch Anfälle sowie organisch und/oder medikamentös bedingte seelische und psychosoziale Konsequenzen nehmen die Betroffenen in der Familie und am Arbeitsplatz eine Außenseiter-Stellung ein. In der Familie werden sie meist überfürsorglich behandelt, am Arbeitsplatz benachteiligt und abgelehnt.

Vieles darf wegen der Eigen-Gefährdung durch Anfälle nicht mehr ausgeübt werden. Auch Beschäftigungen mit Publikumsverkehr oder Arbeiten, bei denen ständige Aufmerksamkeit erforderlich ist (z. B. Kontrolle von Mess-Geräten) werden zur Belastung eigener Art oder können nicht ohne weiteres übernommen werden.

Für manche Tätigkeiten ist ein Teil der Patienten zu verlangsamt. Das Fahren eines Kraftfahrzeuges bedarf einer besonderen Prüfung und Kontrolle, was ohne diese Erlaubnis schon den Weg zum Arbeitsplatz zu einem Problem werden lässt. Freizeitaktivitäten wie Schwimmen, Radfahren, Rudern u. a. müssen ggf. aufgegeben oder können nur mit einer Kontrollperson ausgeführt werden. Die Teilnahme am Vereinsleben ist eingeschränkt, nicht zuletzt wegen des dort häufig üblichen Alkoholkonsums.

Schlussfolgerung

Anfälle im Rahmen einer Epilepsie lassen sich mit den heutigen medikamentösen Möglichkeiten in der Regel gut beherrschen. Viele Patienten werden eher durch die psychosozialen Konsequenzen dieses Leidens und mögliche seelische Begleiterscheinungen zermürbt.

Es ist deshalb unerlässlich vor allem auf diese Belastungen zu achten, mit dem Patienten (und seinen Angehörigen) zu besprechen und alle, d.h. psychotherapeutische, medikamentöse und Alltags-Hilfen zu nutzen, die glücklicherweise reichlich zur Verfügung stehen - eine koordinierte haus- und nervenärztliche Betreuung vorausgesetzt.

LITERATUR

Die Fachliteratur zum Thema Epilepsien ist praktisch nicht mehr überschaubar. Glücklicherweise gibt es auch einige gut verständliche und wissenschaftlich fundierte populärmedizinische Sachbücher. Das Gleiche gilt für eine Vielzahl hilfreicher Broschüren, Flyern und sonstigen Informationen in jeglicher Form.

Nachfolgend deshalb lediglich eine Auswahl einiger, wenn auch älterer Bücher, in denen die seelischen und psychosozialen Folgen der Epilepsie aber besonders berücksichtigt werden:

Flügel, K.A. (Hrsg.): Neurologische und psychiatrische Therapie. Perimed, Erlangen 1987

Fröscher, W., F. Vassella, A. Hufnagel (Hrsg.): Die Epilepsien. Grundlagen – Klinik – Behandlung. Schattauer-Verlag, Stuttgart-New York 2004

Fröscher, W. (Hrsg.): Neurologie mit Repetitorium. Verlag Walter de Gruyter, Berlin-New York 1991

Fröscher, W.: Psychische Störungen bei Epilepsie. In: V. Faust (Hrsg.): Psychiatrie. Ein Lehrbuch für Klinik, Praxis und Beratung. Gustav Fischer-Verlag, Stuttgart-Jena-New York 1995

Huber, G., H. Penin: Psychische Dauerveränderungen und Persönlichkeit des Epileptikers. In: K.P. Kisker u. Mitarb. (Hrsg.): Psychiatrie der Gegenwart. Band II/2. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1972

Janz, D.: Die Epilepsien. Thieme-Verlag, Stuttgart 1969

Köhler G.-H.: Epilepsien und Psychosen. In: B. Kügelgen, A. Hillemacher (Hrsg.): Der Anfallskranke in der ärztlichen Sprechstunde. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York-Tokyo 1984

Matthes, A.: Epilepsien. Thieme-Verlag, Stuttgart 1984

Möller, A.A., W. Fröscher (Hrsg.): Psychische Störungen bei Epilepsie. Thieme-Verlag, Stuttgart-New York 1992 (ein besonders ausführlicher und inhaltsreicher Sammelband zu diesem Thema)

Schmidt, D.: Epilepsien. W. Zuckschwerdt-Verlag, München-Bern-Wien-San Fransisco 1988

Schneble, Hj.: Krankheit der ungezählten Namen. Verlag Hans Huber, Bern-Stuttgart-Toronto 1987

Wolf, P., G.-K. Köhler (Hrsg.): Psychopathologische und pathogenetische Probleme psychotischer Syndrome bei Epilepsie. Verlag Hans Huber, Bern-Stuttgart-Wien 1980

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
Beachten Sie deshalb bitte auch unseren Haftungsausschluss (s. Impressum).