Prof. Dr. med. Volker Faust Psychosoziale Gesundheit von Angst bis Zwang Seelische Störungen erkennen, verstehen, verhindern, behandeln |
TINNITUS (OHRGERÄUSCHE)Beschwerdebild - Ursachen - Behandlungsmöglichkeiten
Tinnitus (aus dem lateinischen: tinnire = klingeln, klimpern, schellen bzw. tinnitus = Geklirr, Klang) sind Ohrgeräusche ("Geklingel"); letztlich aber der medizinische Fachausdruck für alle Arten von Ohr- und Kopfgeräuschen, unabhängig von ihrer Ursache. Derzeit scheinen sie fast explosionsartig zuzunehmen, sind in Wirklichkeit aber so alt wie die Menschheit. Zur Geschichte der Ohrgeräusche Der volkstümliche Aberglaube, dass wenn einem die Ohren klingeln jemand über einen (Gutes oder Schlechtes) spricht, war schon den Assyrern und Ägyptern im 1. Jahrtausend vor Christus bekannt, wurde später bei den Griechen und Römern und im Mittelalter von dem berühmten Arzt Paracelsus beschrieben. Auch der Zusammenhang zwischen Stress oder konkreter Angst und Tinnitus lässt sich schon im Alten Testament nachlesen (Jer 19,3: Seht, ich bringe solches Unheil über diesen Ort, dass jedem, der davon hört, die Ohren klirren). Ob das auch für die berühmten Männer der Zeitgeschichte gilt, die von Tinnitus geplagt waren (Luther, Rousseau, Beethoven, Smetana, van Gogh usw.), ist unbekannt. Schwer beeinträchtigt dürften sie gewesen sein, insbesondere die Komponisten, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Wie äußert sich ein Tinnitus? Tinnitus ist nicht nur ein Ohrgeklingel, wie der lateinische Name sagt (das ist sogar eher selten - siehe unten), Tinnitus sind vielfältige Ohrgeräusche im Sinne von Pfeifen (vier von zehn Betroffenen), Rauschen (jeder Vierte), Summen (jeder Zehnte) sowie Zischen, Klingeln, Piepsen, Sausen, Brummen, Zirpen oder gar Pulsieren und Hämmern (in abnehmender Häufigkeit). Was kann Ohrgeräusche auslösen? Die Medizin bzw. die Hals-Nasen-Ohren (HNO)-Heilkunde kennt eine Vielzahl von Ursachen, die Ohrgeräusche auslösen können. Beispiele: - Gehörgangsverschluss durch Fremdkörper oder einen Ohrschmalz-Pfropfen - entzündliche Mittelohr-Erkrankungen - Trommelfellperforation (Trommelfelldefekt durch Riss oder punktförmige Durchlöcherung), Mittelohrtrauma - Verkalkung der entsprechenden Gefäße - erblich, degenerativ oder vergiftungsbedingte Schwerhörigkeit - Alters-Schwerhörigkeit - Knalltrauma (lärmbedingte Gehörstörung, auch ohne extreme Lautstärke) - chronische Lärm-Schwerhörigkeit - Morbus Menière (anfallsweiser Drehschwindel mit Übelkeit und Erbrechen, einseitige Ohrgeräusche und Schwerhörigkeit) - Hörsturz - Herz-Kreislauferkrankungen, insbesondere - Bluthoch- bzw. zu niederer Blutdruck - Gefäßverengungen - Veränderungen bestimmter Arterien (anlagebedingte Anomalien oder Erkrankungen von Gefäßen im Bereich des Innenohrs oder gar Brustkorbs) - Schädel-Hirn-Unfall (Schädelbasisfraktur) - Akustikus-Neurinom (Tumor des VIII. Gehirnnerven) - weitere Tumore (Gehirn, Gefäße, Innenohr) - degenerative Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule, auch unfallbedingt besonders aber - seelische Erkrankungen (vor allem Depressionen, Angst- und sogenannte somatoforme (= körperbezogene) Störungen) sowie psychosoziale Auslöser (Stress und Überforderung) und psychosomatisch interpretierbare Störungen. Wie definiert man den Tinnitus? Die HNO-Heilkunde unterscheidet - "objektive" Ohrgeräusche: eher selten. Das sind solche, die nicht nur vom Betroffenen selber wahrgenommen, sondern auch mit technischen Hilfsmitteln von einem Beobachter aufgezeichnet werden können (z. B. pulssynchrone Schallwellen - siehe unten). Meist handelt es sich um anatomische Veränderungen oder Funktionsstörungen der Gefäße (Gefäßverengungen, Fisteln, Blutgefäßwucherungen), der Muskeln oder auch Mittelohrstörungen. - Subjektive Ohrgeräusche dagegen sind solche, die von einem Beobachter oder mit technischer Unterstützung nicht wahrgenommen oder registriert werden können. Diese subjektiven Ohrgeräusche werden inzwischen als der eigentliche Tinnitus definiert. Wichtig für die Betroffenen (und ihre Angehörigen) ist auf jeden Fall die Erkenntnis:
Wem droht ein Tinnitus? Der Tinnitus ist zwar so alt wie die Menschheit, aber nimmt zu. Aufgrund verschiedener, vor allem englischer und amerikanischer Untersuchungen hat man folgendes Häufigkeitsmuster festgestellt: - Etwa 35-45% der Bevölkerung kennen Ohrgeräusche als vorübergehendes Phänomen ohne ernstere Belästigung. - Etwa 15% (je nach Studie zwischen 11 und 17%) hatten schon einmal ein gelegentliches, spontanes Ohrgeräusch mit einer Dauer von mehr als 5 Minuten, ohne aber ebenfalls ernsthaft irritiert zu sein (Fachausdruck: kompensierter Tinnitus - siehe später). - Mindestens 8% erleben einen Tinnitus als störend (Fachausdruck: dekompensierter Tinnitus). - Etwa 0,5% fühlen sich durch ihre Ohrgeräusche in Lebensqualität und Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigt (nach Schwab und Lenarz). Das sind beeindruckende Erkenntnisse, wenn man sie in Zahlen umrechnet (d. h. allein im deutschsprachigen Bereich rund eine Million ernsthaft betroffener Erwachsener). Dabei glaubt man heute, dass sich in Wirklichkeit eher mehr als weniger leidgeprüfte Tinnitus-Opfer quälen, auch wenn sie nicht ihren Arzt aufsuchen (und damit von der Statistik erfasst werden können).
Geschlecht - Alter - soziale Aspekte Was muss man noch über den Tinnitus und seine Häufigkeit, den Verlauf und spezielle Aspekte wissen? · Geschlecht: In den meisten Untersuchungen finden sich Frauen öfter betroffen als Männer. Dennoch suchen mehr männliche als weibliche Patienten ärztliche Hilfe auf. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass sich der Tinnitus besonders negativ im Beruf auswirkt. · Alter: Von jenen Patienten, die einen Arzt aufsuchen (und nur die kann man statistisch erfassen), sind die sogenannten mittleren oder besten Jahre sowie das beginnende Rückbildungsalter am stärksten betroffen. D. h. wenig unter 20 (allerdings bereits im Jugend- und sogar Kindesalter nicht auszuschließen), zunehmend zwischen 20 und 40, ein Häufigkeitsgipfel zwischen 40 und 60 Jahren und dann ein langsamer Rückgang. Am deutlichsten ist der Anstieg jenseits des 45. Lebensjahres. Das weist auf drei Belastungsfaktoren hin: 1. Beruflicher Stress (weshalb der Tinnitus auch gerne als "Lehrer-" oder "Bürgermeister-Krankheit" bezeichnet wird, aber es betrifft natürlich jeden Menschen, der Stress jeglicher Art ausgesetzt ist, am meisten wohl im Berufsleben). 2. Beginnende Alters-Schwerhörigkeit im anlaufenden Rückbildungsalter. Und hier muss auf ein besonderen Aspekt hingewiesen werden, den die meisten Menschen entweder gar nicht kennen, oder nicht ernst nehmen, und das ist das sogenannte 3. "Lärm-Konto": Lärm und Alter tragen ganz erheblich zur Entwicklung eines Tinnitus bei. So ist das Tinnitus-Risiko unter beruflicher Lärmbelastung etwa doppelt so hoch wie bei Menschen ohne entsprechende Beeinträchtigung.
· Soziale Schicht: Tinnitus findet sich in allen sozialen Schichten, dürfte aber bei den Arbeitslosen (Stress eigener Art) am höchsten sein. Bei den Selbständigen findet man ihn seltener. Dass die Oberschicht und insbesondere die Selbständigen dann aber bei ärztlichen Untersuchungen doch häufiger vertreten sind, hängt mit deren schichtspezifischem Krankheitsverhalten bzw. verantwortungsvollerem Gesundheitsbewusstsein zusammen, was die Heilungsaussichten (Prognose) natürlich erheblich verbessert. Wie verläuft ein Tinnitus? Ohrgeräusche pflegen in der Regel - ein- oder beidseitig - nur zeitweise zu belasten und im Verlaufe von Monaten (manchmal auch erst nach Jahren) wieder zurückzugehen. Sie können aber auch langfristig, in Einzelfällen sogar lebensbegleitend zermürben. Viele Menschen brauchen sogar Jahre, bis sie erstmals einen Arzt aufsuchen, was die Heilungsaussichten natürlich deutlich verschlechtert. Organische Zusatzleiden wie die sogenannte progrediente (fortschreitende) Innenohrschwerhörigkeit oder der Morbus Menière (siehe später) erhöhen allerdings das Risiko für eine Verschlechterung oder gar ein Dauerleiden. Besonderheiten des Tinnitus-Leidens Für Diagnose und Therapie gilt es einige Besonderheiten zu beachten: So gibt es Hinweise, dass das linke Ohr häufiger betroffen sei als das rechte, allerdings abhängig von Geschlecht und vielleicht sogar Alter. Was Lautstärke und Charakter des Tinnitus anbelangt, so werden hochfrequente (hohe) Geräusche als lauter und unangenehmer empfunden als tieffrequente. Und von der Häufigkeit her wird vor allem über ein deutliches Überwiegen von Pfeifen und Rauschen vor Summen und - sehr viel seltener - Zischen, Klingeln, Piepsen, Sausen, Brummen, Zirpen u. a. geklagt. Kompensierter oder dekompensierter Tinnitus? Von besonderer Bedeutung für Lebensqualität, Leistungsfähigkeit und vielleicht auch einmal als Einteilungsmaßstab ist die Frage, ob es sich um einen kompensierten oder dekompensierten Tinnitus handelt. - Unter einem kompensierten Tinnitus versteht man Ohrgeräusche, die vom Betroffenen ohne wesentliche Beeinträchtigung hingenommen werden, von Anfang an oder im Verlaufe des Leidens. - Dagegen zeichnet sich ein dekompensierter Tinnitus (auch als komplexer Tinnitus bezeichnet) dadurch aus, dass er als eigenständige Krankheit empfunden wird und sich auf weite Bereiche der Lebensführung negativ auswirkt. Das führt dann auch zu den von vielen Tinnitus-Betroffenen geklagten Zusatz-Symptomen wie Unruhe, Schlafstörung, Konzentrationsschwäche, Angstzustände und sogar zu einer vegetativen Labilität (siehe das entsprechende Kapitel über funktionelle oder Befindlichkeitsstörungen). In extremen Fällen kann der Tinnitus sogar zu Verzweiflungstaten hinreißen (z. B. Selbsttötungsgefahr). Einen tröstlichen Aspekt gilt es sich jedoch zu merken:
Was kann mit einem Tinnitus verwechselt werden? Der Tinnitus ist an sich ein "einmaliges" und kaum verwechselbares Phänomen. Letztlich gibt es nur ein Krankheitsbild, das sich die Betroffenen bis weilen und mit Entsetzen ausmalen, was mit einem Tinnitus nach Laien-Meinung verwechselt werden kann: die Schizophrenie mit akustischen Halluzinationen, also Gehörs-Sinnestäuschungen. Das ist übrigens auch mitunter der Grund, voll "böser Ahnung" und damit Furcht einen Arztbesuch so lange wie möglich hinauszuzögern ("bin ich geisteskrank geworden?"). Doch dies ist eine überaus seltene Verwechslungsmöglichkeit und für die Fachärzte rasch abklärbar. Ähnliches gilt für die - im Übrigen ebenfalls seltenen - sogenannten "Pseudohalluzinationen": Das sind Wahrnehmungen von Sinneseindrücken ohne äußeren Sinnesreiz, die im Unterschied zu den echten Halluzinationen keinen Wirklichkeitscharakter besitzen und als nicht wirklich außerweltlich (objektiv) erkannt werden. Eigentlich nur bildhafte Erlebnisse im Sinne "plastischer" Vorstellungen, der Trugcharakter wird rasch erkannt. Dies trifft zum Beispiel höhergradig Schwerhörige, die Melodien, Musikstücke oder andere "bekannte Klänge" wie Glockenläuten u. a. wahrnehmen. Diese Erscheinungen sind offenbar biologischer Natur (Störungen im Bereich bestimmter Gehirnregionen?). Wie erklärt man sich einen Tinnitus? Um es vorwegzunehmen: Es gibt viele Theorien, aber bisher keine allseits anerkannte und vor allem alleinige Erkrankungsursache. Ursprung ist auf jeden Fall das Innenohr. Äußeres (Ohrmuschel und Gehörgang) sowie Mittelohr (Trommelfell, Gehörknöchelchen und Mittelohrmuskeln) dienen als Transportorgane für Schallwellen. Das Innenohr hingegen (siehe unten) ist das entscheidende Reiz-Verteilungs- und Reiz-Transformationsorgan. Hier werden die mechanischen Schwingungen der Innenohrflüssigkeit in biochemische und bioelektrische Signale umgeformt und damit an die Hörnerven als Erregung weitergeleitet. Entscheidend in der sogenannten Innenohr-Schnecke (Cochlea) sind äußere und innere Haarzellen, wobei Letztere als die eigentlichen Sinneszellen angenommen werden. Wenn nun diese feinen Sinneszellen im Innenohr aufgrund einer Schädigung (organisch durch Lärm oder Knall bzw. psychosozial durch Stress u.a.) aktiviert werden, dann haben wir es mit einem Tinnitus zu tun. Das Problem ist zum einen das Ohrgeräusch, zum anderen aber die Grundlosigkeit und damit Sinnlosigkeit einer solchen Reaktion des Sinnesorgans "Gehör". Früher, vor Tausenden von Jahren, als man noch an Götter glaubte, nahm man an, Tinnitus-Betroffene könnten die Stimmen der Götter hören und daraus weissagen. Dementsprechend hoch war ihr Ansehen. Heute ist es umgekehrt: Die Betroffenen sind verzweifelt und fühlen sich behindert, beeinträchtigt, wenn nicht gar minderwertig. Und doch hat sogar der Tinnitus eine Funktion, auch wenn der moderne Mensch nicht mehr gewohnt ist, auf die Signale seines Körpers zu achten. Ist es eine organische Ursache, wird er das lästige Ohrgeräusch noch am ehesten abzuklären und zu verstehen suchen. Hat es aber psychosoziale Gründe, z. B. Wesensart, Überforderung, Konflikte usw., so ist er nur ungern bereit, solche Ursachen zu erkennen, anzuerkennen und zu ändern. Und doch gilt der - für Betroffene schwer verständliche - Satz: Das ist mein Tinnitus, was will er mir sagen (siehe später). Warum bekommt der eine einen Tinnitus und der andere nicht? Ursprünglich war man der Ansicht, dass Patienten mit einem dekompensierten Tinnitus, der also nicht nur die Leistungsfähigkeit, sondern das ganze Leben nachhaltig belastet, an einer besonderen Form von Ohrgeräuschen leiden müssten. Diese Hypothese ließ sich nicht bestätigen. So bleibt es bis heute unklar, weshalb es dem einen gelingt, den Tinnitus nach und nach so in seinen Alltag zu integrieren, dass er ertragen werden kann oder gar kaum mehr beachtet wird (kompensierter Tinnitus), während andere daran fast zugrunde gehen. Möglicherweise handelt es sich hier auch um eine biologisch unterschiedliche Ausgangslage. Zum Beispiel könnte man sich vorstellen, dass gemütsmäßige und vegetative Reaktionen beim einen im zentralen Nervensystem eher "heruntergeregelt", beim anderen aber sinnlos verstärkt werden, bis hin zu peinigenden Tinnitus-Signalen ohne Sinn und Zweck. Es kann aber auch sein, dass die Ohrgeräusche als besonders störend erlebt werden, ohne dass dies mit deren Lautheit zusammenhängt. Dies vor allem dann, wenn sogenannte Stressoren (Stressfaktoren) den Betreffenden schießlich total überfordern und zuletzt in eine allgemeine Überempfindlichkeit abdrängen. Auf jeden Fall finden die Fachleute immer wieder die alte Erkenntnis bestätigt: Patienten mit dekompensiertem Tinnitus fühlen sich schon durch alltägliche Belastungen, seien es berufliche oder partnerschaftliche, mehr gestresst als Personen mit kompensiertem Tinnitus, obgleich die Anforderungen durchaus die Gleichen sind. Schließlich neigen auch manche Menschen dazu, ihre immer empfindlicher werdenden Reaktionen auf selbst durchschnittliche Alltagsbelastungen ihrem Tinnitus zuzuschreiben, obgleich es eigentlich ihr schon früher eher "dünnes" Nervensystem war, das sie seit jeher anfälliger machte. Oder kurz: Der Tinnitus wird zum "Sündenbock" (Fachausdruck: er wird funktionalisiert) und damit immer übermächtiger und belastender wahrgenommen. Günstiger wäre es deshalb, der Betroffene würde zugeben: Sensibel war ich schon immer, und deshalb habe ich wohl auch einen Tinnitus bekommen, wobei beides zusammen die Lage natürlich noch um ein Vielfaches verschlechtert. Das ändert zwar nichts an der Realität, wohl aber an der Einstellung, und die ist besonders wichtig für bestimmte Therapiemaßnahmen (siehe später). Spezielle Belastungsfaktoren Es gibt zwar keine kausalen Beziehungen zwischen Tinnitus und seelischen bzw. psychosozialen Störungen. Doch hat die Wissenschaft einige Belastungsfaktoren herausgefunden, die beim Ausbruch und der Entwicklung, vor allem aber bei der Aufrechterhaltung eines dekompensierten, d. h. das Leben leidvoll verändernden Tinnitus beteiligt sein können. Das sind beispielsweise: - Depressive Verstimmungen, Neigung zu Niedergeschlagenheit und Resignation. - Sogenannte Somatisierungsstörungen, früher auch als funktionelle oder Befindlichkeitsstörungen, noch früher als vegetative Labilität oder Dystonie bezeichnet. Im Grunde handelt es sich hier um sogenannte psychosomatische Störungen, also körperliche Beeinträchtigungen ohne organisch nachweisbaren Befund. - Angst, seien es übermäßige Besorgnis, seien es konkrete Angststörungen (Angstkrankheiten - siehe später). - Bestimmte Persönlichkeitszüge (von ängstlich bis zwanghaft, wobei man sich aber bisher wissenschaftlich zurückhält, ein zu einfaches Charakter-Muster aufzustellen, dafür sind die individuellen, insbesondere psychosozialen Zusatzfaktoren zu vielschichtig). - Zu viel Selbstaufmerksamkeit und körperliche Beachtung (was noch nicht hypochondrisch sein muss, sich aber in dieser Hinsicht negativ bemerkbar machen kann). - Die bereits erwähnte Funktionalisierung: Es ist dieser Tinnitus, der mich inzwischen so hilflos und zermürbt gemacht hat, früher war ich viel stabiler. - Negative oder "Katastrophen"-Kommentare, Hinweise oder Befürchtungen seitens Angehöriger, Nachbarn, Freunde, in Einzelfälle auch durch die Medien oder gar Ärzte. - Trotz verschiedener Abklärungen unklar bleibende Ursache des Tinnitus ("ist es vielleicht doch ein Tumor?"). Diese und eine Reihe weiterer Aspekte sind natürlich miteinander verknüpft, so dass es mitunter schwer ist, die Zusammenhänge oder gar einzelne Schwerpunkte zu erkennen. Aber - so die Wissenschaftler, die sich mit diesem Thema beschäftigen -, solche Belastungen pflegen nicht ohne (Zusatz-)Folgen zu bleiben; hier kommt eines zum anderen. Ein besonderes Problem: Tinnitus und seelische Störung Wenn man also Patienten mit kompensiertem Tinnitus ("schwer, aber ich komme damit zurande und brauche eigentlich keine Hilfe") und solche mit dekompensiertem Tinnitus vergleicht, die kaum oder überhaupt nicht mehr damit fertig zu werden drohen, dann findet man zum einen bei Letzteren vermehrt die erwähnten psychischen Belastungsfaktoren (siehe oben), zum anderen aber in einem hohen Prozentsatz der Fälle eine Doppelbelastung mit Tinnitus und konkreten psychischen Störungen (bei Patienten, die wegen ihres Tinnitus in klinische Behandlung müssen bis zu über 90%). Nun ist schon seit langem bekannt, dass vor allem Depressionen, Angststörungen und sogenannte somatoforme (körperbezogene) Störungen nicht nur mit psychosomatischen Folgen einhergehen (organische Beschwerden ohne nachweisbaren Grund), sondern auch körperliche Schwachpunkte über die bisher erträgliche Schwelle heben oder diese Leiden regelrecht zum Ausbruch bringen können, bis hin zu einem dauerhaften Leiden. Manchmal finden sich schon zuvor bestimmte Parallelen, die das spätere Doppelleiden (Fachausdruck: Komorbidität) andeuten. In vorliegendem Falle beispielsweise die Erkenntnis, dass Patienten mit Neigung zu Depressionen, Angststörungen (und hier vor allem Zwangsbefürchtungen) schon früher über eine größere Geräuschempfindlichkeit klagten (Fachausdruck: Hyperakusis). Dann gibt es das Phänomen, dass ein früher eigentlich kompensierter Tinnitus ("damals wurde ich ganz gut damit fertig") durch eine psychosoziale Belastung mit Depressionsfolgen plötzlich dekompensierte, d. h. so in den Vordergrund der Beschwerden rückte, dass man zu einer falschen Schlussfolgerung gelangen musste: In den Augen des Betroffenen war es der Tinnitus, der zu Depressionen geführt habe. In Wirklichkeit war es ein zuvor halbwegs ertragbares Ohrgeräusch, das durch eine unabhängig davon auftretende Depression plötzlich so verstärkt wurde, dass nur noch die Ohrgeräusche eine Rolle zu spielen scheinen, während die eigentliche Ursache, die Depression, gar nicht mehr zur Sprache kommt. Nun könnte man meinen, dass es letztlich gleichgültig ist, was den Betreffenden ursächlich am meisten belastet: das Erstleiden, das Zweitleiden oder schließlich beides zusammen. Doch das ist falsch. Denn ein Tinnitus wird anders behandelt wie eine Depression. Und wenn eine Depression die eigentliche Ursache des geklagten Tinnitus-Beschwerdebildes ist, dann muss eben antidepressiv behandelt werden. Denn wenn die Depression zurückgeht, wird auch der "depressions-verstärkte" Tinnitus wieder erträglicher. Das Gleiche gilt für Angststörungen und in gewisser Hinsicht auch für somatoforme Störungen. Und möglicherweise auch für heimliche Abhängigkeitsformen, seien es Alkoholkrankheit oder Medikamentenabhängigkeit. Auf jeden Fall sind die Ärzte in Fachkliniken mit Tinnitus-Patienten der Meinung, dass man bei Patienten mit dekompensiertem Tinnitus viel mehr psychische Störungen in der jeweiligen Vorgeschichte findet (bis zu viermal mehr?) als bei leichteren Ohrgeräuschen. Manche Experten vermuten deshalb, dass psychische Störungen, die bereits vor dem Auftreten eines Tinnitus bestanden haben, ein Warnsignal (Fachausdruck: Prädiktor = Vorhersagemerkmal) für die Entwicklung eines späteren Tinnitus sind. Das muss zwar nicht sein, ist aber offensichtlich als "Tropfen, der das Fass schließlich zum Überlaufen bringt", nicht zu unterschätzen. Und schließlich ist es eine alte Erkenntnis, dass nicht nur mittel- bis längerfristige Belastungen, sondern auch ein einzelnes belastendes Lebensereignis einen Tinnitus auslösen können. Beides zusammen, belastendes Ereignis sowie das Ohrgeräusch mit seiner eigenen Belastungskonsequenz führen dann nicht selten in einen dekompensierten Tinnitus.
Was kann man gegen Tinnitus tun? Die beste Therapie ist eine rasche Diagnose. Das setzt allerdings voraus, dass man möglichst umgehend seinen Arzt aufsucht. Dieser wird erst einmal alle organischen Ursachen ausschließen. Dann wird er auch auf seelische bzw. psychosoziale Auslöser zu sprechen kommen. In der Tat scheint die Mehrzahl der Tinnitus-Erkrankungen auf eine seelisch-körperliche Überforderung, besonders in stressintensivem Kontakt mit anderen Menschen zurückzugehen. Dabei spricht man von einem "mehrdimensionalen Bedingungsgefüge": - Oft organischer Schwachpunkt (oder deren mehrere), Dazu kommen ggf. biologische, vor allem aber zentralnervöse Schwachpunkte mit erniedrigter Reizschwelle (unzulängliche Filterfunktion bestimmter Gehirnstrukturen bei gemütsmäßigem Stress?). Und dadurch ein Teufelskreis. Zuerst einmal aber richtet man sich nach der Dauer des Tinnitus: - Ein akuter (plötzlicher) Tinnitus, der weniger als drei Monate besteht, wird in Bezug auf medikamentöse Maßnahmen wie ein Hörsturz behandelt (also vor allem durchblutungsfördernde Medikamente). - Beim sogenannten subakuten Tinnitus (zwischen drei und zwölf Monaten Dauer) geht man mit speziellen Medikamenten vor (siehe später), doch gewinnen jetzt vor allem Entspannungsverfahren an Bedeutung. Außerdem wird man sich diagnostisch und ggf. therapeutisch verstärkt die Halswirbelsäule und das Kiefergelenk vornehmen. - Beim chronischen Tinnitus (länger als ein Jahr) unterscheidet man zwischen den kompensierten Ohrgeräuschen (der Patient hat gelernt, sich mit seinem Leiden zu arrangieren) und einem dekompensierten Tinnitus. Hier drohen durch Stress, Anspannung, Resignation, Angst, Depressivität, Schlafstörungen u.a. ein Teufelskreis und damit Langzeiterkrankung oder gar Verstärkung. Beim kompensierten Tinnitus beschränkt man sich auf Beruhigung und Beratung. Der dekompensierte Tinnitus braucht dies auch, aber ergänzt durch eine ggf. apparative Versorgung mit Maskierung oder Hörgeräten. Vor allem aber eine psychotherapeutische Betreuung, ambulant oder in einer (Fach-)Klinik, z. B. einer spezialisierten Tinnitus-Klinik. Weitere Einzelheiten zu psychosomatischen Aspekten und einer entsprechenden (Psycho- und Sozio-)Therapie siehe später. Grundsätzlich wichtig zu wissen:
Grundlage jeder Behandlung aber ist auch der inzwischen etablierte Grundsatz: weg von der Therapie (die bei chronischer Entwicklung ihre Grenzen hat und dadurch noch mehr frustriert und resigniert macht), hin zur Betreuung. In medikamentöser Hinsicht gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, die vor allem der HNO-Arzt einsetzt: - Durchblutungsfördernde Therapie: rheologische Infusionstherapie mit Plasmaexpandern und Vasodilatanzien (gefäßerweiternde Arzneimittel) - Antiarrhythmika bzw. Lokalanästhetika: z. B. niedermolekulares Dextran sowie Procain - Neurotransmitter: Glutamat und Glutaminsäuredimethylester sowie Caroverin - Kalziumantagonisten: z. B. Nimodipin und Flunarizin - Psychopharmaka: Da nicht wenige Betroffene mit einem vor allem dekompensierten Tinnitus zum einen beispielsweise eine Depression oder Angststörung haben (bereits erwähnter Fachausdruck: Komorbidität, also mehrere Leiden auf einmal) und andere durch die permanente Lärmeinwirkung zumindest deprimiert und resigniert reagieren, ist man bisweilen gezwungen, ein Antidepressivum zu geben (mitunter auch einen beruhigenden und angstlösenden Tranquilizer, allerdings nur kurzfristig und ständig ärztlich kontrolliert - siehe unten). Patienten, die keine synthetischen ("chemischen") Psychopharmaka, auch keine stimmungsaufhellenden Antidepressiva wollen, können es auch mit psychotropen Phytopharmaka (Pflanzenheilmitteln mit Wirkung auf das Zentrale Nervensystem und damit Seelenleben) versuchen. Das ist vor allem das als pflanzliches Antidepressivum inzwischen anerkannte Johanniskraut (allerdings hoch genug dosiert und lange genug eingenommen) und die beruhigenden Pflanzenheilmittel Baldrian, Hopfen und Melisse (meist als Kombinationspräparat). Einzelheiten dazu siehe die Kapitel Tranquilizer, Antidepressiva, Pflanzenheilmittel mit Wirkung auf das Seelenleben). - Weitere Arzneimittel mit indirekter Wirkung auf das Seelenleben: Diskutiert wird auch der Einfluss von Muskelrelaxanzien (muskelentspannende Wirkung) und Antikonvulsiva. Das sind antiepileptisch wirkende Arzneimittel wie Carbamazepin oder Valproinsäure. Dies bedarf allerdings - wie bei den Psychopharmaka auch - einer Zusammenarbeit zwischen HNO-Arzt und Psychiater/Nervenarzt/Neurologen. - Vasodilatatoren: Substanzen wie Niacin (Vitamin B-Komplex) und das pflanzliche Ginkgo biloba können den Blutfluss erhöhen, weshalb man sie vor allem in den ersten Wochen eines Tinnitus versucht. Allerdings gibt es hier sehr unterschiedliche Ansichten unter den Fachleuten. Nicht-medikamentöse Therapiemethoden zur Behandlung des Tinnitus Zu den nicht-medikamentösen Behandlungsmethoden im weitesten Sinne gehören vor allem Biofeedback, Autogenes Training, Hypnotherapie, hyperbare Sauerstofftherapie (HBO-Therapie), Hörgeräte und Tinnitus-Maskierung sowie die Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT). Auch Akupunktur, Sauerstoffmehrschritt-Therapie, homöopathische Medikamente ("Zellsalze") u.a. wurden auf ihre Effektivität geprüft. Zu besonderer Bedeutung brachten es vor allem Tinnitus-Maskierung, Tinnitus-Retraining-Therapie sowie psychotherapeutisch stützende Maßnahmen. Im Einzelnen: - Tinnitus-Maskierung: Hier geht es vor allem darum, mit einem Tinnitus-Masker oder Rauschgenerator, ein- oder beidseitig, den Betroffenen - besonders bei ruhiger Umgebung und individuell abgestimmt - ein angenehmes Dauergeräusch zu vermitteln. Damit soll das peinigende Tinnitusgeräusch verdeckt oder maskiert werden. - Hörgeräte: Bei Hörminderung ist die frühzeitige Nutzung eines Hörgeräts wichtig. Hier wird durch das Rauschen eines solchen Maskers bzw. die Hörverbesserung durch das Hörgerät das Ohrgeräusch zumindest teilweise in den Hintergrund gedrängt und damit eine bessere Distanzierung oder gar Gewöhnung möglich. Kombinierte man diese Maßnahmen mit einer tinnitus-spezifischen Beratung ("counseling"), dann scheinen sich die günstigsten Ergebnisse abzuzeichnen (Tinnitus-Retraining-Therapie - siehe unten). - Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT): Im Gegensatz zur Maskierung (siehe oben), die den Tinnitus verdecken und zu anderen Handlungsansätzen, die den Tinnitus ausschalten sollen, zielt die "Retrainings-Therapie" darauf ab, dass Gehör gegenüber dem Tinnitus zu de-sensibilisieren. Es wird also nicht so sehr die eigentliche Ursache bekämpft, sondern versucht den unbewussten Wahrnehmungskreislauf zu unterbrechen, das Gehör also zu "re-trainieren". Das setzt aber nicht nur eine genaue Kenntnis der individuellen Tinnitus-Entstehung und des Zusammenspiels von Hörwahrnehmungsstörungen und psychischen bzw. psychosozialen Folgen voraus, es braucht auch ständige Übung zur Verbesserung jener Hörwahrnehmungen, die die Umlernprozesse ("Re-Training") fördern und die Fixierung auf den Tinnitus lösen sollen. Langfristig "lernt" das Gehör damit, sich an den Tinnitus zu gewöhnen und ihn zu überhören. Das kann allerdings viele Monate dauern und ist auch nicht bei jedem Betroffenen erfolgreich. - Psychotherapeutische Maßnahmen im weitesten Sinne: Tinnitus zermürbt, macht müde, matt, resigniert, deprimiert und durchdringt schließlich alle seelischen, kognitiven (geistigen) und psychovegetativen Schichten. Tinnitus ist also zum (auslösenden?) Alltagsstress ein zusätzlicher Stressfaktor. Dem sollen Autogenes Training, Yoga, Muskelrelaxation nach Jacobson, Biofeedback, Hypnotherapie, Suggestion, kognitive Verhaltenstherapie u.a. entgegenwirken. Dazu sollte im Bedarfsfalle (siehe dekompensierter Tinnitus) eine stützende Gesprächspsychotherapie beitragen (Stichwort: weg von der Behandlung, hin zur Betreuung). Verhaltensmedizinische Behandlungsmöglichkeiten Ein großes Problem ist eigentlich das, was sich jeder Tinnitus-Patient wünscht: neue, hoffnungsvolle Behandlungsverfahren. Doch dies ist höchst problematisch. Zum einen sind die Erfolgsaussichten nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse nicht gerade spektakulär. Zum anderen halten Sie den Patienten von dem ab, was bereits mehrfach angeklungen ist: weg von der Behandlung, hin zur Akzeptierung des Geräuschs und damit zur Tolerierung des Tinnitus. Das ist aber kaum möglich, wenn der Patient in seiner Not auf das illusionäre Ziel "vollständige Beseitigung dieses schrecklichen Ohrgeräusches" fixiert bleibt. Dass nicht alles hilft, was angeboten wird, weiß er selber (z. T. aus schmerzlicher Erfahrung). Aber die Einstellung: "Es kann ja nicht schaden" (wenn man sich auf jedes neue Heilungs-Versprechen wirft), hält ihn letztlich in der unverändert leidvollen Schwebe zwischen Hoffen und Bangen. Und behindert den vielleicht bescheidenen, aber wenigstens realisierbaren Weg der Gewöhnung an das Ohrgeräusch. Deshalb ist das Ziel der meisten Fachkliniken auch der Versuch, sogenannte verhaltens-kognitive und emotionale Komponenten im Rahmen einer Verhaltenstherapie zu kombinieren, um schließlich einen konstruktiven Umgang mit dem Tinnitus zu erreichen. Grundlage ist dabei das Prinzip: Da von der Therapie nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft nicht zu erwarten ist, dass das Tinnitusgeräusch in jedem Fall völlig ausgeschaltet werden kann, sollen wenigstens die damit verbundenen Unannehmlichkeiten verringert werden. Wie geht man hier vor? Zuerst wird das Krankheitsgeschehen möglichst umfassend erläutert (Fachausdruck: Counseling). Damit werden vor allem jene Befürchtungen neutralisiert, die von sich aus schon den Heilungsverlauf beeinträchtigen können. Dann konzentriert man sich auf die Beratung, und zwar möglich realistisch und in Bezug auf gangbare Wege. Dazu gehört die Motivation, auch jene seelischen Beschwerden in die Behandlung einzubeziehen, die scheinbar nicht in direktem Zusammenhang mit den Ohrgeräuschen stehen. Schließlich geht es um die Ermutigung, sich an den Tinnitus zu gewöhnen (Fachausdruck: Habituation), um zuletzt die Reaktion auf das Symptom Ohrgeräusch wieder auf ein normales Niveau zu bringen. Das Endergebnis mag zwar bescheiden anmuten, doch es kann das Leiden verringern. Dies vor allem mit jenen Ohrgeräuschen, die mit Angstzuständen und Depressionen einhergehen und dadurch zur Chronifizierung beitragen. Günstig ist bei allem die Behandlung mit anderen Tinnitus-Betroffenen in Gruppen. Dabei nutzt man folgende Aspekte: - Das Gruppenphänomen, d. h. das eigene Schicksal wird im Vergleich mit anderen Tinnitus-Patienten relativiert. - Die Ermutigung bei der Beobachtung anderer Gruppenteilnehmer (Fortschritt ist möglich). - Die Beobachtung und das Nachahmen gesundheitsfördernden Verhaltens (Fachausdruck: Modell-Lernen), vor allem die Nachahmung von offensichtlich erfolgreichen Tinnitus-Bewältigungsstrategien. Im nachfolgenden Kasten sind einige Psychotherapie-Ziele beim dekompensierten chronischen Tinnitus aufgeführt, wie sie in entsprechenden Fachkliniken genutzt werden.
Tinnitus-Selbsthilfegruppen Eine wichtige, zunehmend sogar zentrale Position "draußen" nehmen die Tinnitus-Selbsthilfegruppen ein, wo die Betroffenen eine Fülle von praktischen Ratschlägen und Empfehlungen erwartet. Und Trost aus der Reihe der Erfahrensten, nämlich der Mitbetroffenen. Einzelheiten siehe Kasten.
Und zum Abschluss Vieles läuft letztlich auf einen Aspekt hinaus, der schon erwähnt wurde, vor allem aber zu Beginn den meisten Patienten weder einleuchtet noch Trost vermittelt, auf Dauer aber doch recht hilfreich ist: Der Tinnitus als Gradmesser der individuellen seelisch-körperlichen Belastungsfähigkeit und Warnhinweis auf Überforderung, dysfunktionalen Kräfteeinsatz und schwindende Reserven. Oder populär und lebensnah ausgedrückt: "Das ist mein Tinnitus, was will er mir sagen?" Und danach: Konsequenzen ziehen und Geduld, Geduld und nochmals Geduld. LITERATUR Zahlreiche Fachbücher und wissenschaftliche Publikationen, inzwischen auch zunehmende Zahl fundierter allgemeinverständlicher Artikel und Sachbücher. Nachfolgend eine Auswahl zum Thema einschließlich weitere Hörstörungen: Arnold, W., U. Ganzer: Leitsymptome Ohrgeräusche. In: W. Arnold, U. Ganzer (Hrsg.): Checklisten in der aktuellen Medizin: HNO-Heilkunde. Thieme-Verlag, Stuttgart-New York 1997 Biesinger, E.: Die Behandlung von Ohrgeräuschen. Was Tinnitus-Patienten das Leben leichter macht. Trias-Verlag, Stuttgart 1996 Deter, H.-C. (Hrsg.): Angewandte Psychosomatik. Thieme-Verlag, Stuttgart-New York 1997 Goebel, G.: Ohrgeräusche - psychosomatische Aspekte des komplexen chronischen Tinnitus. Quintessenz, München 1992 Goebel, G., W. Hiller: Tinnitus-Fragenbogen (TF). Ein Instrument zur Erfassung von Belastung und Schweregrad bei Tinnitus (Manual). Hogrefe-Verlag, Göttingen 1998 Hallam, R.: Leben mit Tinnitus. Wie Ohrgeräusche erträglicher werden. Quintessenz-Verlag, München 1994 Kellerhals, B.: Tinnitus-Hilfe. Karger-Verlag, Basel 1996 Kröner-Herwig, B. (Hrsg.): Psychologische Behandlung des chronischen Tinnitus. PVU-Verlag, Weinheim 1997 Richtberg, W.: Was Schwerhörigsein bedeutet. Kind, Großburgwedel 1990 Richtberg, W.: Vom Zuhören zur Begegnung. In: H.-J. Bochnik, W. Oehl (Hrsg.): Begegnungen mit psychisch Kranken. Verlag Wissenschaft & Praxis, Sternenfels 2000 Richtberg, W.: Psychische und soziale Folgen von Schwerhörigkeit. In: Faust, V. (Hrsg.): Psychiatrie. Ein Lehrbuch für Klinik, Praxis und Beratung. G. Fischer-Verlag, Stuttgart, Jena-New York 1996 Richtberg, W., K. Verch (Hrsg.): Hilfen für Hörgeschädigte. Academia-Verlag, St. Augustin 1993 Schätz, M.: Chronischer Tinnitus und Somatoforme Störungen. Diplomarbeit. Universität Salzburg 1997 Svitak, M.: Psychosoziale Aspekte des chronisch dekompensierten Tinnitus. Dissertation. Universität Salzburg 1998 Uexküll, Th. v. (Hrsg.): Psychosomatische Medizin. Urban & Schwarzenberg, München-Wien-Baltimore 1996
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Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise. |