Prof. Dr. med. Volker Faust Psychosoziale Gesundheit von Angst bis Zwang Seelische Störungen erkennen, verstehen, verhindern, behandeln |
ZWANGSSTÖRUNGEN - ZWANGSKRANKHEITEN - ZWANGSNEUROSE
Allgemeine Aspekte Alltägliche Zwänge Fast jeder kennt sie, die harmlosen Alltagszwänge. Sie können durchaus hilfreich sein, vor allem dort, wo es auf unbedingte Exaktheit ankommt. Auch kann man damit Kräfte sparen, weil alles "wie auf Schienen läuft". Schließlich besteht das halbe Berufsleben aus Zwängen, und zuhause, in der Freizeit und sogar im Urlaub sieht das nicht viel anders aus. Zwänge, so scheint es, bestimmen unser Leben. Sie machen aber auch einen geordneten Ablauf erst möglich. Zwang ist also keineswegs etwas grundsätzlich Unvernünftiges, Behinderndes oder gar Krankhaftes. Daneben gibt es harmlose Formen des Zwangs, die allerdings "grenzwertig" zu werden beginnen: Manche erledigen ihre Aufgaben immer nach der gleichen Reihenfolge. Wenn das nicht geht, geraten sie aus dem Tritt, sind verunsichert oder verärgert, zumindest leidet die Gelassenheit, wenn nicht gar Effektivität. Andere kontrollieren mehr als nötig, sei es Haustür, Herd, Licht usw. Einige "schätzen halt Ordnung und Sauberkeit", sei es im Haushalt, sei es am Arbeitsplatz. Ihrer Arbeit tut das eher gut, auch wenn sie gelegentlich belächelt oder als "pingelig" bezeichnet werden. Gelegentlich fallen auch schon hier Begriffe wie "krankhaft genau" oder "zwanghaft". Das muss aber noch nicht der Fall sein. Wieder andere hüten sich vor Unglückszahlen und bestimmten Konstellationen im Alltag, über die sie zwar nicht oder nur ungern reden und an die sie auch nicht zwanghaft gebunden sind, aber wohlfühlen tun sie sich nicht, wenn sie ihre kleinen "Vorsichtsmaßnahmen" nicht durchziehen können. Manche "denken zuviel", leider letztlich ineffektiv, weil immer dasselbe, und zwar ohne Sinn, Zweck und damit Lösung. Einige sorgen sich zuviel, nicht ganz abwegig zwar, aber letztlich ohne etwas ändern zu können. Wieder andere sind sogar "überängstlich" und müssen mehr als andere darüber nachsinnen, ob nicht etwas Schreckliches passiert sein könnte, wo doch die ganze Welt voller Gefahren und Katastrophen ist. Einige haben sogar aggressive Gedanken oder Wünsche, aber völlig vereinnahmt werden sie davon nicht. Vor allem hat das alles keine ernsteren Auswirkungen auf Lebensqualität, zwischenmenschliche Beziehungen, Arbeitsleistung und auf ihr sogenanntes Zeitkontingent, einen Aspekt, auf den noch ausführlich eingegangen werden soll. Denn Zwänge kosten Zeit. Auf jeden Fall ist dies aber der Punkt, bei dem sich die Grenze zum Krankhaften abzuzeichnen beginnt. Was sind Zwangsstörungen? Zwangsstörungen oder Zwangskrankheiten sind also kein "zwanghaftes Verhalten", wie man es häufig beobachten und auch noch tolerieren kann, ggf. sogar an sich selber. Zwangsstörungen sind eine extreme Steigerung relativ harmloser Gedanken und Handlungen mit entsprechenden Folgen: Sie erzeugen wachsenden Leidensdruck, sind zeitraubend, zermürbend, beschämend, seelisch beeinträchtigend, schließlich sogar körperlich belastend. Und sie können ein Leben vor allem zwischenmenschlich und beruflich ruinieren.
Die Zwangsstörung tritt letztlich in der gleichen Form auf wie die harmlosen Alltagszwänge der Gesunden, nur eben das Leben absorbierend bis versklavend durch Ordnungs-, Wasch-, Kontroll- und andere Zwänge, durch zwanghafte Befürchtungen und rituelle Handlungen (Ritual: Gesten, Handlungen oder Sätze nach einem festgelegten Ablauf bzw. einer bestimmten Ordnung). Zwangsstörungen entwickeln sich in der Regel schleichend, manchmal aufgrund eines bestimmten Auslösers, auf jeden Fall aber lange unerkannt, manchmal sogar für nahe Angehörige. Denn die Betroffenen neigen zur Verheimlichung ihres Problems, aus Scham, Resignation und Hoffnungslosigkeit. Selbst heute finden sich viele Menschen, die mit Zwangsstörungen zu kämpfen haben, erst nach jahrelangem Leidensweg bei ihrem Arzt ein. Dies nicht zuletzt deshalb, weil diese Krankheit als bisher nicht befriedigend behandelbar galt, ja über lange Zeit überhaupt nicht ausreichend zur Kenntnis genommen wurde. Wie häufig sind Zwangsstörungen? Dabei handelt es sich nach neueren Erkenntnissen nicht mehr um eine vernachlässigbare Zahl von Betroffenen, wie das früher die sogenannten "Zwangsneurosen" betraf. Heute spricht man von ein bis zwei, möglicherweise sogar drei Prozent solcher Zwangskranken in der Allgemeinbevölkerung. Das sind mehr als ein bis zwei Millionen Menschen, allein im deutschsprachigen Bereich. Von der geschlechtsspezifischen Verteilung her scheinen Männer wie Frauen gleich häufig betroffen zu sein (nach einigen Untersuchungen Frauen etwas häufiger). Allerdings kann man inzwischen etwas dagegen tun, sowohl medikamentös als auch psychotherapeutisch (siehe später). Wie äußern sich nun die Symptome einer Zwangskrankheit? Das Beschwerdebild der Zwangsstörung Zwänge drängen sich auf beim Denken, Vorstellen, Fragen, Sprechen und Zählen, beim Handeln und Vermeiden, beim Planen und Ausführen. In der Mehrzahl der Fälle setzt sich das Beschwerdebild aus Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen zusammen, meist sogar aus beidem. Zwänge müssen - wie erwähnt - nicht immer unsinnig sein und leichte Formen (Licht, Bügeleisen, Haustür, Wasch- oder Putzzwang) sind auch beim psychisch Gesunden nicht selten. Die Grenze zum Behindernden und Quälenden, also letztlich Krankhaften, ist meist fließend.
· Zwangsgedanken Am häufigsten finden sich Zwangsgedanken und Zwangsvorstellungen, die sich um Unfälle, Erkrankungen, Katastrophen oder Gewalttaten drehen und die insbesondere nahestehende Personen bedrohen sollen. Dabei werden die zwanghaften Befürchtungen fast bildhaft-realistisch durchlitten. Gelegentlich drängen sich auch stereotype, also immer wieder auftretende Sätze, Verse, Melodien oder die Vorstellung auf: "Was wäre, wenn ..."? Das fragen sich zwar auch viele Gesunde, aber nicht unter einem vergleichbar quälendem Wiederholungszwang. Manchmal zeigen die Zwangsvorstellungen auch die erwähnten aggressiven Züge. Das äußert sich beispielsweise in dem "theoretischen Zwang", Unanständiges aussprechen oder gar ausführen zu müssen, jemanden zu beschimpfen, ja selbst geliebte Personen, z. B. das eigene Kind oder gar sich selber zu verletzen oder zu töten. Allerdings kommt es - glücklicherweise - so gut wie nie zur Ausführung dieser Zwangsideen, nicht zur Beschimpfung und schon gar nicht zu aggressiven Handlungen. "Zwangskranke sind Täter ohne Tat", sagt man. Dafür leiden sie jedoch furchtbar unter diesen, ihnen ja wesensfremden Zwängen, die natürlich auch zu Selbstzweifeln und Selbstanklagen, zu Scham, Schuldgefühlen, Angst und Niedergeschlagenheit führen. Weitere, vielleicht nicht ganz so bedrohliche, aber trotzdem unangenehme Zwangsgedanken beziehen sich auf Verschmutzung (von Reinigungs- und Lösungsmitteln über Krankheitskeime bis zu giftigen Abfallstoffen, Strahlen, Urin und Kot), auf sexuelle Inhalte ("Verbotenes", "Perverses"), auf religiöse und moralische Fragen (Sünde, Gotteslästerung) usw. Schließlich die zwanghafte Furcht, bestimmte Dinge zu wissen, zu sagen, zu verlieren. Oder die extreme Besorgnis über körperliche Funktionen, Störungen oder äußerliche Veränderungen. Oder die Angst irgend etwas könnte unordentlich, schief, schräg oder wie auch immer aussehen und zu entsprechenden Klagen Anlass geben. Den zwanghaften Befürchtungen und Sorgen sind keine Grenzen gesetzt. Im nachfolgenden Kasten sind noch einmal die wichtigsten Zwangsgedanken und Zwangsvorstellungen zusammengefasst, wie sie vor allem im Alltag zermürben.
· Zwangshandlungen Zwangshandlungen sollen häufig die Zwangsvorstellungen neutralisieren. Nach außen fallen sie durch ihren fast automatisierten Ablauf auf, und weil sie der jeweiligen Situation völlig unangemessen sind. Am bekanntesten sind die Kontrollzwänge: Schlösser, Herd, Elektrogeräte, Licht usw. Nicht viel seltener sind die Reinigungs- bzw. Waschzwänge: Händewaschen, Duschen, Baden, Zähneputzen, sonstige Körperpflege, aber auch Haushalts- und andere Gegenstände. Schließlich die Wiederholungszwänge: mehrmaliges Lesen, Schreiben oder Handeln. Oder die Zähl-, Ordnungs-, Sammel- oder Aufbewahrungszwänge sowie verschiedene, den Uneingeweihten reichlich grotesk erscheinenden Zwangshandlungen wie der Drang zu reden, zu fragen oder zu bekennen, zu blinzeln oder anzustarren, Dinge anfassen oder anzutippen, ferner zu reiben, wischen usw.
Viele dieser Zwänge erschöpfen sich aber nicht nur in der reinen Zwangshandlung, sie bauen sich immer raffinierter und dadurch zeitaufwendiger, mühseliger, schließlich alle Kräfte erschöpfend aus, z. B.: Treppe rauf, Treppe runter; oder exakt rechts oder links bzw. genau durch die Mitte einer Tür laufen und wieder zurück; Dokumente haargenau (!) übereinander legen; Reinigungszwänge nicht nur realistisch, sondern nach einem bestimmten Ritual durchführen, also Schuhe dreimal längs, dreimal quer und einmal diagonal auf der Fußmatte abputzen. Solche, z. T. nicht nur umständlichen Entlastungsrituale ("nur so komme ich zur Ruhe") sind natürlich nicht nur lächerlich, sondern können den Betroffenen auch zwischenmenschlich und vor allem beruflich schaden. Ähnliches gilt für häufiges Händewaschen gegen AIDS, für "gute Gedanken denken" oder "Gutes tun, damit den Kindern nichts passiert" u. a. Auch gibt es die sogenannte zwanghafte Verlangsamung mit zeitlupenhaftem Verhalten. Oder Ordnungs- und andere Zwänge, die nur unterbrochen werden können, in denen man bestimmte Zahlenabfolgen durchrechnet und sich dadurch kurzfristig befreit - bis der Zwang aufs Neue versklavt (und im Übrigen die geforderten Entlastungsrechnungen immer komplizierter werden lässt). Oder moderne Zwänge, z. B. die zwanghafte Befürchtung im Straßenverkehr durch unverzeihliche Unachtsamkeit andere behindert, gar angefahren und verletzt zu haben, vor allem beim Einparken, Abbiegen, Rückwärtsfahren, Einfädeln usw. Dies verbunden mit zwanghafter Rückkehr an den "Tatort" mit ängstlich-zwanghafter Kontrolle, ob dort nicht ein verletzter Fußgänger, Fahrradfahrer, Hund usw. liegt und das ganze gegebenenfalls mehrmals hintereinander ("vielleicht ist der Verletzte schon in einen Hausgang getragen worden ..."). Begleiterscheinungen und Folgen Zwangsgedanken und Zwangshandlungen nehmen viel Zeit in Anspruch, im Schnitt zwei Stunden pro Tag, meist mehr. Schon der im Alltag landläufig als "Perfektionismus" bezeichnete Drang nach Ordnung kann sehr aufwendig sein. Um wie viel mehr eine Zwangsstörung, vor allem wenn sie in ein sogenanntes Ordnungsritual mit ganzen Programmabläufen eingebunden ist. Dabei gehört dieses ritualisierte Verhalten zu den häufigsten Verlaufsform von Zwangshandlungen. Die Folgen lassen sich leicht vorstellen. Sie beginnen in Partnerschaft und Familie und belasten schließlich den Freundeskreis, Freizeit, Hobbys und natürlich den Berufsalltag. Man denke nur an entsprechende Situationen in Schlaf- und Badezimmer, in Toilette und Küche, im Familienalltag bei Unterhaltungsspielen, Ausflügen, bei Treffen und sonstigen Veranstaltungen, von beruflichen Komplikationen ganz zu schweigen. Und man stelle sich die Konsequenzen vor: Verwunderung, Irritation, Ärger, Hohn und Spott, entsprechende Kommentare, Aufforderungen, reizbare bis aggressive Reaktionen, Beschimpfungen, Verhöhnungen, Beschneidungen, Verbote, Versetzungen, Herabstufung, Kündigung, Wohnungs-, Orts- und Arbeitsplatzwechsel, schließlich Rückzug, Isolation, Arbeitsunfähigkeit, finanzielle Schwierigkeiten, ggf. Trennung oder Scheidung, sozialer Abstieg usw. Natürlich muss es nicht zu einem solch traurigen Ende kommen, aber völlig reaktionslos pflegt die Umgebung ein Zwangsverhalten nicht hinzunehmen, jedenfalls nicht auf Dauer. Dabei hatten viele Zwangsgestörte schon vor Ausbruch der Erkrankung ihre liebe Not mit sich und anderen: Sie sind oft unsicher, entscheidungsschwach, ambivalent (was ist richtig, was soll ich tun?), haben nicht selten Angst vor Ablehnung durch andere, verfügen über ein nur geringes Selbstwertgefühl, sind furchtsam und unsicher (vor allem was Normen betrifft: was "man" tut), entwickeln insbesondere Zukunfts- und Risikoängste, sind dabei von depressiven Stimmungen und sexuellen Störungen bedroht. Nach Ausbruch der Zwangskrankheit wird sich dies alles noch verstärken, ein Teufelskreis von Befürchtungen, "erahnten" schlimmen Ereignissen und damit gesteigerten Angstvorstellungen setzt ein. Beginn und Verlauf Zwanghaftes Verhalten findet sich häufig schon in der Kindheit. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass es um das 20. Lebensjahr herum beginnt. In Wirklichkeit aber dürfte es so sein, dass sich das Zwangsverhalten während dieser Zeit einfach nicht mehr verheimlichen lässt. Die ersten Anzeichen liegen tatsächlich weit früher. Auf jeden Fall pflegt sich mit Mitte Dreißig die Zwangsstörung voll ausgebildet zu haben, also in den sogenannten besten Jahren. Manchmal bricht sie auch erst unter bestimmten Situationen aus, die an und für sich normal, für den Betroffenen aber irgendwie belastend sind: Schulwechsel, Ausbildungsbeginn, die erste intimere Freundschaft, Heirat, Geburt eines Kindes, berufliche und sonstige Umstellung, Stress- und Überforderungsreaktionen usw. Wo sich Zwangsstörungen sonst noch finden Es gibt Alltagszwänge, die gelten als gerade noch normal oder zumindest grenzwertig. Dann gibt es krankhafte Zwänge, sogenannte Zwangsstörungen, die man früher bei rein neurotischer Ursache als Zwangsneurose bezeichnete. Darüber hinaus gibt es Zwangssymptome auch bei Depressionen, zum einen bei neurotischen Depressionen, zum anderen bei endogenen, also biologisch verankerten depressiven Zuständen. Auch bei schizophrenen und anderen Psychosen sowie bei bestimmten hirnorganischen Leiden (z. B. Gehirnentzündung oder Gehirnschwund in bestimmten Gehirnregionen) sind sie nicht selten (siehe die entsprechenden Kapitel). Entscheidend für die Diagnose ist das jeweilige Beschwerdebild, seine charakteristischen Symptome und Ursachen, ferner Auslöser, Verlauf und besondere Belastungen. So gibt es beispielsweise eine wichtige Unterscheidung zwischen den Zwangsgedanken von Patienten mit einer reinen (neurotischen) Zwangsstörung und solchen von schizophren Erkrankten: Auch wenn sich bei ersteren Zwangsgedanken unwillkürlich aufdrängen und zumeist als sinnlos oder gar abstoßend empfunden werden, werden sie doch von neurotisch Zwangsgestörten als ihre eigenen Gedanken erlebt. Dagegen empfinden Schizophrene solche zwanghaften Gedanken nicht selten als von "außen kommend" oder gar als "gemacht", "gelenkt" u. a. Zwanghafte Persönlichkeitsstörung Ein wissenschaftlich umstrittenes Phänomen ist die zwanghafte Persönlichkeitsstruktur, aus der eine zwanghafte oder anankastische Persönlichkeitsstörung hervorgehen kann. Eine Persönlichkeitsstörung ist ein tief eingewurzeltes Fehlverhalten mit entsprechenden zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Konflikten oder genauer gesagt: Wenn eine Persönlichkeitsstruktur durch (zu) starke Ausprägung bestimmter Merkmale so akzentuiert (in diesem Zusammenhang übertrieben ausgeprägt) ist, dass sich hieraus ernsthafte Leidenszustände und/oder Konflikte für den Betroffenen, vor allem aber für sein Umfeld ergeben. Mit dem Konzept der Persönlichkeitsstörung tut man sich seit jeher schwer. Das äußert sich nicht zuletzt in einer Reihe von bedeutungsgleichen bzw. bedeutungsähnlichen Fachbegriffen: abnorme, dissoziale, psychopathische Persönlichkeit, Charakterneurose, Soziopathie, früher vor allem Psychopathie u. a. So gab es zahlreiche und gibt es noch immer eine Reihe von Persönlichkeitsstörungen, z. B. wahnhafte, hysterische, depressive, asthenische, sensitive, ängstliche u. a. Persönlichkeitsstörungen. Eine davon ist die erwähnte zwanghafte oder anankastische Persönlichkeitsstörung: Unentschlossenheit, Zweifel, übermäßige Vorsicht als Ausdruck einer tiefen persönlichen Unsicherheit. Extremer Perfektionismus. Bedürfnis nach ständiger Kontrolle und peinlich genauer Sorgfalt, was zur Bedeutung der Aufgabe aber in keinem Verhältnis steht und bis zum Verlust des Überblicks führt. Übermäßige Gewissenhaftigkeit, Skrupelhaftigkeit und unverhältnismäßige Leistungsbezogenheit, dabei Vergnügen und zwischenmenschliche Beziehungen vernachlässigend. Unfähig oder nur mangelhaft befähigt, warmherzige Gefühle zu zeigen. Starrheit und Eigensinn, wobei sich die anderen den eigenen Gewohnheiten unterordnen sollen. Beharrliche und unerwünschte Gedanken und Impulse, die allerdings nicht den Schweregrad einer Zwangsstörung erreichen. Schließlich das Bedürfnis, alles frühzeitig, detailliert und dann auch unveränderbar vorauszuplanen. Die zwanghafte oder anankastische Persönlichkeitsstörung ist weiter verbreitet als man denkt. Die Betroffenen leben in der Vorstellung, vollständig im Recht zu sein. Ein ausgeprägter Leidensdruck besteht nur selten (im Gegensatz zur eigentlichen Zwangskrankheit). Dafür tun sich die Mitmenschen im engeren und weiteren Umfeld umso schwerer, je nach dem, wie ausgeprägt man von einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung abhängt (Partnerschaft, Familie, Arbeitsplatz). Zwangsstörungen im Kindes- und Jugendalter Zwangsstörung sind auch im Kindes- und Jugendalter nicht selten. Die meisten vergehen wieder von allein, einige aber beschweren den Rest des Lebens. Deshalb nachfolgend eine komprimierte Übersicht: Leichtere, nicht behandlungsbedürftige Zwangsphänomene gibt es auch im Kindes-, vor allem aber Jugendalter durchaus nicht selten (bis zu einem Fünftel?): sich vor "Unglückszahlen" hüten, bestimmte Steine und Treppenstufen betreten oder meiden, besondere Fragen ständig wiederholen, immer wiederauftretende Rituale des Zu-Bett-Gehens, sich ständig wiederholende Spielabläufe, Musik- und Malerei-Motive usw. Daneben findet sich aber auch schon während dieser Phase eine ungewöhnliche Neigung zu Ordnung (Arbeitsmaterialien, Schule) und Sauberkeit (besonders Händewaschen). - Die extreme Steigerung derartiger Handlungen oder Gedanken, charakterisiert durch Zeitaufwand, unnötige Mühsal, beeinträchtigte Lebensqualität und schließlich Leidensdruck, sind dann die folgenden Zwangsgedanken und Zwangsvorstellungen: sinnlose Ideen, Zahlenreihen oder Sätze, vielleicht sogar belastende Vorwürfe; ferner - wie bei den Erwachsenen - die quälende Frage, ob Türen, Lichtschalter oder Geräte ausreichend kontrolliert wurden sowie die bekannten Sauberkeitsbefürchtungen und Zwänge (Verschmutzung, Verseuchung, Vergiftung), bisweilen sogar Katastrophenängste ("Angehörigen Schlimmes passiert?"). - Bei den kindlichen Zwangshandlungen belasten vor allem die Reinigungs- (insbesondere exzessives Händewaschen) und Wiederholungszwänge (rein und raus, bestimmte Buchstaben im Schulheft durchstreichen), die Kontrollzwänge (Nachprüfen von Türen, Schlössern, Hausaufgaben), die Ordnungs-, Zähl- und Sammelzwänge sowie ständig wiederholte Fragen. Charakteristisch sind auch sogenannte kindertypische Zwänge im Sinne überflüssiger Symmetrieanordnungen wie z. B. gleich lange Schnürsenkel, parallel gebürstete Augenbrauen, exakter Scheitel usw. Zwangskranke Erwachsene und zwangskranke Kinder quält letztlich das gleiche Phänomen: "Du kannst und darfst deinem gesunden Menschenverstand und deinen fünf Sinnen nicht trauen, die dir sagen: Alles ist verschlossen und sauber. Du musst nochmals kontrollieren und zur Beruhigung in Gedanken Zahlenreihen wiederholen. Du darfst dem Impuls nicht widerstehen, dich ständig zu waschen." Die Zweifel hören niemals auf und drängen alles andere im Leben zurück, besetzen es voll und ganz. Wenn man versucht, mit Hilfe anderer Gedanken oder Handlungen etwas Luft zu bekommen ("mein Zahlensystem hält die Zwänge in Schach" oder "ich muss aggressiv sein, sonst nehmen die Zwänge überhand") gibt es tatsächlich Entlastung, aber nur kurz. Dann geht alles von vorne los. Wer sich dagegen stemmt, muss mit Unruhe, Angst, Anspannung, eventuell sogar mit Zittern und Schweißausbrüchen bezahlen. Zuletzt kommt noch die Angst vor der Angst und schließlich eine alles verdüsternde Niedergeschlagenheit hinzu. Da kehrt man lieber wieder zu Zwanghandlungen zurück. Der Widerstand erlahmt, man scheint seine Ruhe zu haben, in Wirklichkeit ist man definitiv zum Opfer geworden. Auch droht durch die sinnlosen Zwangsrituale ein unabänderlicher Kräfteverschleiß, der zuletzt in Erschöpfung und Regenerationsunfähigkeit endet. Dazu kommt der psychosoziale Teufelskreis in Familie und Schule, was zu zusätzlichen Beeinträchtigungen führt: Der zwanghaft Handelnde ist resigniert, deprimiert, unglücklich, besitzt ein nur geringes Selbstwertgefühl, ist unsicher, ständig in Angstbereitschaft, schließlich drohen Rückzug und Isolation. Warum eine Zwangskrankheit so spät erkannt wird Zwanghaftes Verhalten findet sich oft schon in der Kindheit, hieß es zu Beginn dieses Beitrags. Viele Kinder- und Jugendpsychiater sind sogar der Meinung: Die meisten (!) Zwangsstörungen beginnen bereits im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter, manchmal sogar schon im Kindergarten. Etwa die Hälfte der erwachsenen Zwangskranken soll sich rückblickend an bestimmte Zwangsmerkmale im Kindesalter erinnern. Doch in jungen Jahren lässt sich das noch besser verbergen als später. Es kann Monate, ja Jahre dauern, bis es die Eltern und Geschwister bemerken. Schulkameraden und Lehrern bleibt Zwangsverhalten meist verborgen, weil es vertuscht wird, so lange es geht. Viele Eltern sind deshalb verwirrt, dass ihr Kind die Zwänge in der Schule oder bei Freunden unterdrücken kann, zu Hause aber nicht mehr zu kontrollieren vermag. Doch die Kontrolle ist so anstrengend, dass dafür zu Hause keine Kraft mehr verfügbar ist, man lässt sich "gehen", um wenigstens in Schule und Freundeskreis nicht aufzufallen (wie übrigens später im Erwachsenenalter auch: dort kämpft man vor allem um eine möglichst lange Vertuschung am Arbeitsplatz). Doch nach und nach ist auch das nicht mehr möglich. Manchmal wechseln die Zwänge, manchmal weiten sie sich aus. Meist dominiert ein spezieller Zwang über Monate und Jahre hinweg. In jungen Jahren ist das in der Regel ein Waschzwang, der allerdings auf Dauer besonders schlecht verheimlicht werden kann. Immerhin sollen über die Hälfte der Kinder und Jugendlichen mit Zwangsstörungen schon Jahre vor Ausbruch des eigentlichen Leidens bestimmte Verhaltensmerkmale aufweisen, die zumindest einen gewissen Hinweiswert haben: besondere Starrheit im Verhalten, charakteristische Wiederholungsrituale (z. B. immer den gleichen Weg nehmen zu wollen) usw. Wie es nach Krankheitsbeginn in jungen Jahren weitergeht, ist schwer voraussagbar. Bei den einen kommt es zur spontanen Besserung (etwa ein Drittel?), bei den anderen belastet es ein Leben lang (jeder Fünfte?). Die Mehrzahl weist aber auch im späteren Leben wenigstens leichtere Zwangsmerkmale auf. Einfach haben es die Betroffenen deshalb auch in Zukunft nicht, vor allem im zwischenmenschlichen (Partnerschaft, Familie, Freundeskreis, Nachbarschaft) sowie im beruflichen Bereich. So leben nicht wenige auch später noch bei ihren Eltern, zuletzt schließlich allein und haben kaum dauerhafte Beziehungen und vor allem wenig beruflichen Erfolg. Die Zwänge kosten einfach zuviel Zeit und Kraft. Deshalb ist eine rechtzeitige Diagnose und konsequente Therapie so unerlässlich, will man wenigstens einen Teilerfolg sichern. Wie erklärt sich eine Zwangsstörung? Die Frage, wie man sich solche Zwänge erklärt, von der dezenten Beeinträchtigung bis zur ruinösen Zwangskrankheit, ist (noch) nicht befriedigend zu beantworten. Man nimmt an, dass es sowohl biologische, also vor allem erbliche, als auch lern- und lebensgeschichtliche Aspekte sind, die hier zusammenkommen. Zunächst lässt sich das Phänomen der Zwänge erst einmal auch ohne krankhaften Bezug sehen: Deshalb sind - wie mehrfach erwähnt - bestimmte Zwänge im Sinne einer disziplinierten Leistung, vor allem im Berufsleben, nicht grundsätzlich falsch. In einigen Berufszweigen gehören sie zur Voraussetzung und entscheiden über Erfolg oder Misserfolg, im Einzelfall sogar über Sicherheit oder verhängnisvolle Kontrollmängel im Sach- und Personenschutz. So hat z. B. niemand etwas dagegen einzuwenden, wenn ein Auto- oder Flugzeugmechaniker, ein Arzt oder Richter, ein wissenschaftlicher oder technischer Kontrolleur genau, ja perfektionistisch oder gar zwanghaft vorgeht - besonders dann, wenn es sich um unsere eigenen Sicherheitsbelange handelt. Selbst "krankhaft übersteigerte zwanghafte Verhaltensweisen" können für den Betroffenen noch positive Elemente enthalten, zumindest scheinbar bzw. zeitlich begrenzt. So können Zwänge dazu dienen, allgemeine und spezifische Ängste im Alltag, z. B. vor anderen Menschen, vor Überforderung, in partnerschaftlichen und familiären Konflikten zu mildern. Wenn man seine ganze Kraft und Aufmerksamkeit auf das "korrekte Abwickeln" von Zwängen richtet, kann man solche Problembereiche ggf. besser auf Distanz halten oder überhaupt ausblenden. Das Gleiche gilt für Gefühle von Resignation, Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit u. a., die durch Zwangsrituale kurzfristig zu mildern sind. Schließlich ist man so beschäftigt, abgelenkt oder absorbiert, dass man sich nicht mehr völlig ungeschützt und damit hilflos mit Gefühlen von Einsamkeit, Unsicherheit, mit Konflikten, Forderungen, Vorwürfen usw. auseinandersetzen muss. Manchmal dienen Zwänge auch als Protestreaktion gegen (übermächtig empfundene) Eltern, Lehrer, Partner, Vorgesetzte, Arbeitskollegen usw. Die eigenen Zwänge werden zu "Gegen-Zwängen" gegen den Zwang von außen, und dienen damit indirekt dem Ausdruck von Ärger, Wut, Enttäuschung, Hilflosigkeit. Kurz: Manche Zwänge scheinen für die Betroffenen wichtige "Hilfsmittel" zu sein, um scheinbar unbewältigbare Probleme zu lösen, zu verdrängen oder zumindest auf Distanz zu halten. Manchmal dienen sie sogar der Neutralisation von Aggressionen, wenn alle anderen Bewältigungsstrategien zu versagen drohen. Und mit dem Vollzug des zwanghaften Rituals, das viel Zeit kostet, beweist sich der Betroffene vielleicht sogar die Notwendigkeit seines Tuns: Wenn solche Anstrengungen zur Erlangung von Sauberkeit, Ordnung, Sicherheit und Kontrolle nötig sind, muss dies doch einen ernsthaften Grund haben. Weitere Erklärungsversuche beziehen sich auf folgende Aspekte: - Lerntheoretisch sind es vor allem der elterliche, schulische und religiöse Erziehungsstil sowie frühere und aktuell belastende Lebensereignisse (Trennung, Tod, Scheidung, Partner- und Berufskonflikte), die bei der Entstehung von Zwängen eine wichtige Rolle spielen können. Man hofft, keinen Fehler zu machen, nicht abgelehnt oder kritisiert zu werden, wenn man z. B. besonders genau, ordentlich und zuverlässig ist. Vielleicht hofft man auch drohende Katastrophen und die damit verbundenen Befürchtungen durch Rituale bannen zu können, erst eher spielerisch, später immer zwanghafter. Bald werden die ursprünglichen Gründe aber immer unwichtiger, schließlich völlig vergessen. Was bleibt, sind Zwangsgedanken, Zwangsbefürchtungen und Zwangshandlungen, damit man sich besser fühlt. Hört man damit auf, wird man plötzlich ängstlich, unsicher hilflos und einsam. - Psychoanalytische Erklärungsversuche begreifen die Zwänge vor allem als Abwehrmaßnahmen gegen "verbotene Impulse aus dem Unbewussten", wobei sich auch hier die Rituale - vorerst - als Hilfe im Umgang mit negativen Gefühlen anbieten. - Bezüglich der biologischen oder treffender biochemischen Ursachen scheint es sich am ehesten um eine neurobiologische Störung im Zusammenspiel bestimmter Botenstoffe des Gehirns (z. B. Impulsübertragung an den Nervenbahnen) zu handeln. Diese Hypothese wird auch durch die Wirksamkeit bestimmter Arzneimittel gestützt. - Und schließlich scheint sogar eine Vererbung, zumindest aber die Weitergabe einer gewissen Disposition oder "Verwundbarkeit" nicht auszuschließen. Über die genauen genetischen Mechanismen weiß man aber noch wenig. Therapie der Zwangsstörungen Zwangskranke galten früher als nicht (zumindest erfolgreich) behandelbar, wenn nicht gar als "verloren". Die meisten bekamen im Übrigen überhaupt keine Behandlung. Bei anderen wurden die Heilungsaussichten als so ungünstig eingestuft, dass sich die Psychiater und Psychologen um diese Patienten therapeutisch nicht gerade rissen. Das hat sich geändert. Allerdings ist auch heute noch der Leidensweg vom Krankheits- bis zum Therapiebeginn ungewöhnlich lang. Man spricht von bis zu sieben Jahren! Grundsätzlich gilt inzwischen auch hier: Mehrere Therapieansätze sind gemeinsam erfolgreicher als nur wenige oder gar nur ein einziger. Das heißt konkret: - Die Psychotherapie ist unerlässlich, kommt aber immer noch am seltensten zustande. Es fehlt an entsprechend ausgebildeten Psychotherapeuten (meist Nervenärzte, Psychiater oder Ärzte für Psychotherapeutische Medizin und Psychologen) bzw. an freien Behandlungsplätzen - und auch an Geduld und konsequenter Mitarbeit seitens vieler Betroffener. Am günstigsten scheint sich die Verhaltenstherapie mit einem strukturierten Behandlungskonzept zu stellen (Exposition in der Phantasie bzw. in Wirklichkeit, Bewältigungsstrategien, realistische Neubewertung zuvor ängstigender Situationen, sogenannte kognitive Ansätze usw.). Aber auch tiefenpsychologische sowie andere psychotherapeutische Verfahren kommen erfolgreich zum Einsatz. - Wichtig ist auch die Familienberatung (siehe Kasten) und das sogenannte "Selbstmanagement", das auch in Zukunft und vor allem später alleine dazu beitragen soll, in konfliktreichen Situationen und bei den ersten Anzeichen von zwanghaften Reaktionen auf die erlernten Bewältigungsstrategien zurückzugreifen. - Vor allem versucht man immer häufiger die Selbsthilfe zu stärken. Dabei wirken die entsprechenden Hinweise und Tipps manchmal geradezu schlicht, was aber ihrer Wirksamkeit keinen Abbruch tut. Beispiel: Bei Zwangsgedanken wird in der Regel als erstes gewaltsam versucht, diesen oder jenen Gedanken nicht zu denken. Doch das ist zwangsläufig zum Scheitern verurteilt. Der aktive Versuch des "Nichtdenkens" enthält ja bereits den Gedanken an das, woran man nicht denken möchte. Hier ist das Loslassen wirkungsvoller. Wichtig ist es auch, scheinbar unsinnigen, beschämenden oder aggressiven Gedanken ihren Krankheitswert zu nehmen, indem man sie einfach nicht als unsinnig, beschämend oder aggressiv einstuft, zumindest die Mehrzahl von ihnen. Viele Zwangspatienten gehen irrtümlich davon aus, dass "nur sie solche scheußlichen Gedanken haben" oder empfinden am Schluss alles beschämend oder aggressiv. Das stimmt natürlich nicht und mündet nur in Resignation und Hoffnungslosigkeit. - Schließlich bleibt noch die Pharmakotherapie. Sie leuchtet zwar bei dem "rein seelischen Leiden der Zwangsstörungen" auf den ersten Blick am wenigsten ein, wird aber inzwischen am häufigsten praktiziert und weist vor allem auch ermutigende Erfolge auf. Krankhafte Zwänge sind durchaus medikamentös beeinflussbar, und zwar vor allem durch eine Reihe stimmungsaufhellender Antidepressiva, insbesondere durch bestimmte trizyklische Substanzen, Serotonin-Wiederaufnahme- und Mono-Amino-Oxidase-A-Hemmer. Allerdings darf man dabei nicht zu schnell die Geduld verlieren. Diese Arzneimittel (die, nebenbei gesagt, alle nicht süchtig machen, ein häufiger und verhängnisvoller Trugschluss!) müssen lange Zeit eingenommen werden, d. h. viele Monate, bis sich ein erster Erfolg abzeichnet. Kurzfristig ist bei Zwangsstörungen ohnehin nichts zu machen. Bei allen seelischen Störungen ist Geduld gefragt, für Zwangsstörungen gilt dies ganz besonders. Auf jeden Fall muss man die therapeutische Erkenntnis der letzten Jahre berücksichtigen, die besagt:
Hilfe durch die Deutsche Gesellschaft für Zwangserkrankungen Die meisten seelischen Störungen sind eine schwere Bürde, schwerer und folgenreicher als die Mehrzahl körperlicher Erkrankungen. Glücklicherweise hat sich hier vieles gewandelt. Vor allem der Trend zum erwähnten Gesamt-Behandlungsplan, also einer Kombination aus mehreren Therapiemaßnahmen wie Psychotherapie, Pharmakotherapie, soziotherapeutischen Hilfen, Selbstbehandlungsmaßnahmen usw. hat zu eindrucksvollen Fortschritten in der Therapie geführt. Einen erheblichen Anteil daran haben aber auch die Angehörigen- und Selbsthilfegruppen. Für die Zwangsstörungen ist es besonders die Deutsche Gesellschaft für Zwangserkrankungen, die vor allem mit wichtigen Informationen auf verschiedenen Ebenen weiterhilft.
Ausblick Zwangskranke leiden häufig unerkannt schon in jungen Jahren und später oft genug das ganze Leben unter ihren Zwangsgedanken, Zwangsvorstellungen und Zwangshandlungen. Der eine mehr, der andere weniger, aber die meisten doch wohl so, dass ihre Lebensqualität leidet. Nicht wenige sind auch zwischenmenschlich und beruflich benachteiligt, d. h. Partnerschaft, Familie, Freundeskreis, Arbeitsplatz bzw. Karriere. Die Mehrzahl aller Betroffenen dürfte sich noch nie mit einem Arzt oder Psychologen in Verbindung gesetzt und deshalb auch nicht erfahren haben, dass es - im Gegensatz zu früher - heute sehr wohl Möglichkeiten gibt, dieses zugleich aufreibende und lähmende, auf jeden Fall beeinträchtigende bis quälende Krankheitsbild zu mildern, am besten im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplanes durch Psycho- und Pharmakotherapie sowie gezielte Selbsthilfemaßnahmen. Dazu gibt es inzwischen auch erfolgsversprechende Empfehlungen, wie sie beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Zwangserkrankungen weitervermittelt. So gesehen kann man - wie bei den Depressionen und Angststörungen auch - inzwischen behaupten: Eine Zwangserkrankung ist kein unabänderliches Schicksal mehr. Man kann etwas dagegen tun. Nur: Man muss sich möglichst frühzeitig informieren, die jeweiligen Angebote nutzen und natürlich etwas Geduld entwickeln. Es lohnt sich. Literatur Noch vor wenigen Jahren nur begrenztes Angebot an Fachliteratur, von allgemeinverständlichen Sachbüchern ganz zu schweigen. Das hat sich inzwischen geändert. Inzwischen steht eine stattliche Auswahl von Fachbüchern sowie wissenschaftlich fundierten und für den Alltag nutzbringenden Sachbüchern zur Verfügung. Nachfolgend eine Auswahl.Amerikanische Psychiatrische Vereinigung (APA): Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen - DSM-IV. Hogrefe-Verlag für Psychologie, Göttingen-Bern-Toronto-Seattle 1998 Baer, L.: Alles unter Kontrolle - Zwangsgedanken und Zwangshandlungen überwinden. Huber-Verlag, Bern 1994 Expertenkreis zur Erarbeitung eines Stufenplans zur Diagnose und Therapie von Angsterkrankungen: Angstmanual. Kybermed-Verlag, Emsdetten 1994 Faust, V.: Seelische Störungen heute. Wie sie sich zeigen und was man tun kann. C. H. Beck-Verlag, München 2000 (Grundlage vorliegender Ausführungen) Faust, V. (Hrsg.): Psychiatrie. Ein Lehrbuch für Klinik, Praxis und Beratung. G. Fischer-Verlag, Stuttgart-Jena-New York 1996 Fiedler, P.: Persönlichkeitsstörungen. Beltz-Verlag, Weinheim 2001 Foa, E., R. Wilson: Hör endlich auf damit - wie Sie sich von zwanghaften Verhalten und fixen Ideen befreien. Heyne-Verlag, München 1994 Hand, I. und Mitarb.: Zwangsstörungen. Springer-Verlag, Berlin 1992 Hoffmann, N.: Seele im Korsett - innere Zwänge verstehen und überwinden. Herder-Verlag, Freiburg 1994 Hoffmann, N.: Wenn Zwänge das Leben einengen. Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. Ursachen, Behandlungsmethoden und Möglichkeiten der Selbsthilfe. Pal-Verlag, Mannheim 1990 Rapopurt, J. L.: Der Junge, der sich immer waschen musste. Wenn Zwänge den Tag beherrschen. Goldmann-Verlag, München 1990 Reinecker, H.: Zwänge: Diagnose, Theorien und Behandlung. Verlag Hans Huber, Bern 1991 Uexküll, Th. v. (Hrsg.): Psychosomatische Medizin. Verlag Urban & Schwarzenberg, München-Wien-Baltimore 1996 Ulrike, S. et al.: Der Weg aus der Zwangserkrankung. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1997 Weltgesundheitsorganisation (WHO): Internationale Klassifikation psychischer Störungen-ICD-10. Verlag Hans Huber, Bern-Göttingen-Toronto 1996 |
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Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise. |