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DEPRESSIONEN RECHTZEITIG ERKENNEN LERNEN

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Nur die Hälfte wird diagnostiziert, ein Viertel gezielt behandelt

Depression ist nicht nur Schwermut. Viele Betroffene schleppen sich erst einmal mit beeinträchtigter Lebensqualität und schließlich eingebrochener Leistung dahin - und dann erst kommen zahlreiche körperliche Beschwerden. Lange, viel zu lange bleibt dies ohne entsprechende Reaktion. Und wenn es klar ist, was dahinter steht, dann erreicht nur ein geringer Teil eine gezielte Behandlung. Kurz: Depressionen sind nicht nur die gefürchtetsten aller seelischen Erkrankungen, sie sind in vielen Fällen auch eine unnötige Qual, die bei einem Minimum an Kenntnissen vermeidbar, zumindest aber abzumildern und verkürzbar wäre. Was muss man wissen?

Depression ist nicht nur Schwermut. Im Gegenteil: Zuerst klagen die meisten über Schlaf-, Appetit-, Magen-Darm-, Herz- und Atmungsstörungen, über Verspannungen, Gelenk-, Rücken- und Muskelschmerzen, ehe sie, und auch das nur auf direktes Befragen auch Merk- und Konzentrationsstörungen, innere Unruhe und Anspannung, Entscheidungsunfähigkeit, Interessenschwund, Gleichgültigkeit, allgemeine Lustlosigkeit und vor allem Freudlosigkeit zugeben. Und eine eigenartige, durch nichts behebbare Schwäche, wenn nicht gar ein undefinierbares Elendigkeitsgefühl, wie bei einer Grippe - nur eben ohne Grippe.

Welches sind nun die häufigsten und vor allem charakteristischsten Symptome? Aus den mehreren Dutzend seelischen und vor allem psychosomatischen Symptomen (d. h. seelische Störungen äußern sich in körperlichen Beeinträchtigungen - ohne organische Ursache), ganz zu schweigen von den psychosozialen Konsequenzen im Alltag, versuchte man immer wieder die wichtigsten Krankheitszeichen statistisch herauszurechnen, um durch Frage-Kataloge auch den Laien die Möglichkeit zu geben, wenigstens in ihrem näheren Umfeld eine Depression rechtzeitig zu erkennen.

Frage an einen berühmten Psychiater: "Herr Professor K., warum haben ausgerechnet Sie, berühmter Nervenarzt, Lehrbuchautor, Klinikdirektor und Hochschul-Lehrer nicht erkannt, dass Sie eine Depression hatten?"

Antwort: "Weil ich eine Depression hatte".

Zu den häufigsten und relativ typischen Krankheitszeichen gehören folgende Symptome:

1. depressive Herabgestimmtheit von abnormem Ausmaß, was Intensität und Dauer anbelangt.

2. Verlust von Interesse und Freude.

3. Verminderter Antrieb und abnorme Ermüdbarkeit.

4. Verlust von Selbstvertrauen und Selbstgefühl.

5. Unbegründete Selbstvorwürfe.

6. Gedanken an den Tod, auch von eigener Hand.

7. Denk- und Konzentrationsstörungen.

8. Bewegungsstörungen: entweder passiv, schwach, kraftlos oder gespannt-rastlos umhergetrieben.

9. Schlafstörungen.

10. Ausgeprägte Änderungen des Appetits (meist Gewichtsverlust, seltener Heißhunger).

Zu den am häufigsten geäußerten Sorgen im psychosozialen Bereich gehören:

- Leistungsfähigkeit bzw. Leistungsunfähigkeit im Sinne von Nichts-Können, Nichts-Leisten, Versagen

- Minderwertigkeits- und Kleinheitsgefühle im Sinne von Nicht-gemocht-Werden, Nicht-geliebt-Werden

- Schuldfragen bzw. Selbstvorwürfe, Selbstanklagen und Schuldbewusstsein

- und alles dies auch noch selbst verursacht zu haben.

Oder ausgedrückt in einem einzigen Satz depressiven Grübelns:

"Ich kann nichts, ich bin nichts, man mag mich nicht - und schuld bin ich auch noch selber daran".

Erschwert wird diese vernichtende Selbstbeurteilung noch von der charakteristischen Negativ-Einstellung vieler Depressiver:

- Hilflosigkeit: Ich kann doch nichts daran ändern.

- Hoffnungslosigkeit: Nichts wird sich mehr zum Guten wenden - jedenfalls nicht bei mir.

Dies ist allerdings "nur" der subjektive Leidensschwerpunkt, also das, was den Patienten am meisten bewegt, was er am ehesten äußert. Charakteristisch sind aber noch andere Krankheitszeichen, die man meist erfragen muss, weil sie dem Betroffenen gar nicht bewusst sind. Deshalb gibt es immer wieder Fragen-Kataloge und allgemeinverständliche Broschüren, die auf bestimmte Basisfragen hinweisen, die zwar keine diagnostische Sicherheit garantieren, dennoch einen gewissen Hinweiswert besitzen (siehe Text- Kasten).

Fragen, die eine Depression erkennen helfen können

· Können Sie sich noch freuen? Oder sind Sie völlig freudlos geworden, können nicht einmal mehr auf ein erfreuliches Ereignis gemütsmäßig positiv reagieren?

· Fühlen Sie sich elend, zerschlagen, wie schwer erkrankt, jedoch ohne entsprechenden Grund?

· Fällt es Ihnen neuerdings schwer, Entscheidungen zu treffen, sogar alltägliche?

· Haben Sie das Interesse an Dingen verloren, die Ihnen zuvor viel bedeuteten?

· Neigen Sie in letzter Zeit vermehrt zum Problem-Grübeln, selbst bei völlig belanglosen Dingen?

· Fühlen Sie sich fast durchgehend niedergeschlagen, resigniert, hoffnungslos, von einer Schwermut herabgedrückt, die man nicht nur als seelisch, sondern auch als "körperlich herabgestimmt" bezeichnen kann?

· Fühlen Sie sich müde, ohne Antrieb und ohne Initiative, ja schwunglos, kraftlos - und zwar ohne vorangegangene Anstrengung?

· Sind Sie plötzlich völlig verunsichert, ohne jegliches Selbstbewusstsein, voller Minderwertigkeitsgefühle?

· Machen Sie sich übertriebene oder gänzlich haltlose Selbstvorwürfe, fühlen sich wertlos, schuldig?

· Denken, sprechen oder bewegen Sie sich plötzlich langsamer, träger, sind unschlüssig, wankelmütig, ängstlich abwiegend geworden und können damit nicht einmal mehr ihre täglichen Routineaufgaben abschließen?

· Können Sie sich nicht mehr konzentrieren, vergessen alles, sind bestürzt über Ihre "Leere im Kopf", fürchten vielleicht sogar eine beginnende Geistesschwäche?

· Können Sie nicht mehr schlafen: erschwertes Einschlafen, zerhackter Schlaf, quälendes Früherwachen mit Panik vor dem neuen Tag?

· Schmeckt nicht mehr alles so wie früher?

· Haben Sie Ihren Appetit und damit an Gewicht verloren?

· Haben Sie seit einiger Zeit Probleme in sexueller Hinsicht?

· Spüren Sie immer wieder anhaltende, schwer zu beschreibende Druckgefühle, Missempfindungen, ja Schmerzen, besonders im Kopf, in der Brust, im Rücken usw.?

· Haben Sie immer öfter das Gefühl, Ihr Leben sei sinnlos geworden?

· Denken Sie häufiger über den Tod nach - vielleicht sogar daran, sich etwas anzutun?

Von diesen Beeinträchtigungen scheinen einige besonders charakteristisch zu sein. Dazu gehören:

- Energielosigkeit: Alles ist unendlich anstrengend und erschöpfend
- Hoffnungslosigkeit, insbesondere Zukunftsängste
- Gefühl der Wertlosigkeit
- Interesselosigkeit
- Freudlosigkeit
- Neigung zu Rückzug und damit Gefahr der Vereinsamung
- erschwertes Denken
- verlangsamte Bewegung
- Schwermut: Alles ist grau und trostlos

Was ist zu tun?

Viele Menschen sind der Meinung, sich nicht in die Angelegenheiten anderer einmischen zu dürfen, schon gar nicht im Privaten und überhaupt nicht im gefühlsmäßigen Bereich. Diese Zurückhaltung mag durchaus anerkennenswerte Gründe haben, stößt aber dann an ihre Grenzen, wenn der andere dadurch zum Opfer einer Krankheit wird, die er - krankheitsbedingt - nicht als solche erkennt. Und wenn er dadurch zu wochen-, monate- oder gar jahrelanger Qual verurteilt wird, die nicht nur ihn, sondern letztlich auch seine Familie, seine Freundeskreis und die Arbeitskollegen beeinträchtigt, von der ökonomischen Seite ganz zu schweigen (die wirtschaftlichen Verluste der Depressionen werden inzwischen denen bestimmter Herz-Kreislauf-Erkrankungen gleichgesetzt).

Im Grunde ist es also eine Frage des Mitgefühls oder noch schlichter, des "Herzens", jemanden der offensichtlich leidet, beim Erkennen, Verstehen und vor allem Akzeptieren seiner Krankheit zu helfen, um ihm durch eine möglichst rasche und vor allem gezielte Therapie aus seiner Not zu befreien. Zurückhaltung ist oft nur Bequemlichkeit, oder noch konkreter: eine unglückselige Mischung zwischen Bequemlichkeit und Unkenntnis - zu Lasten seelisch Bedürftiger. Und wer weiß: vielleicht hätte man diese Hilfe morgen selber bitter nötig (Prof. Dr. med. Volker Faust).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
Beachten Sie deshalb bitte auch unseren Haftungsausschluss (s. Impressum).