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KREATIVITÄT

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Mythen und Möglichkeiten aus der Sicht der Organisations-Psychologie

Kreativität, geistige Schöpferkraft, Ideenreichtum und damit Innovation, also Verbesserungen auf allen Gebieten sind angesagt. Nur so kommen wir weiter, sind Fortschritt, d. h. Bildung und Wohlstand für alle möglich.

Aber wie kommt man zu Kreativität? Das fragen sich die Entscheidungsträger aller Sparten aus Politik, Kultur, Wirtschaft, ja Sport und Show-Business usw. schon seit langem. Die Antwort lautet: In dem man sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Organisations-Psychologie zunutze macht und damit die Mythen von den Möglichkeiten zu trennen versucht. Das kann sehr schmerzlich sein, aber auch hilfreich. Und vor allem nicht einmal so spektakulär, wie man annehmen möchte. Besonders in einer Zeit und Gesellschaft, in der es Mode wird, viel "heiße Luft" zu produzieren, ist es ganz erstaunlich, wie bodenständig, ja erd-verbunden die wirklichen Voraussetzungen ausfallen: z. B. Offenheit, Leistungs-Motivation, Non-Konformität, Selbstvertrauen und Erfahrung im Sinne von gezielter Planung, Steuerung und Kontrolle.

Darüber hinaus gibt es noch einige Faktoren, die dann doch überraschend sind, ja offenbar das Gegenteil von dem, was uns gerne als "der Weisheit letzter Schluss" vorgemacht wird. Dazu mehr auf den folgenden Seiten.

Wer möchte nicht kreativ sein, d. h. getragen von geistiger Schöpferkraft oder schlicht ausgedrückt: ideen-reich. Kreativität hat Hochkonjunktur, allein schon der Begriff. Dabei ist er uralt, stammt aus dem Lateinischen (siehe Kasten), war in den vergangenen Jahren eigentlich eher der "Modeschöpfung" zuzuordnen, doch jetzt darf jeder kreativ sein. Kein Wunder, dass sich auch und vor allem die Organisations-Psychologie dieses Phänomens annimmt. Und das ist gut so.

Nachfolgend deshalb eine kurz gefasste Übersicht, wie sie Professor Dr. Heinz Schuler von der Organisations-Psychologie an der Universität Hohenheim in der Fachzeitschrift Forschung & Lehre 12/06 kurz umreißt. Ausführlicher in seinen Büchern (z. B. H. Schuler, Y. Görlich: Kreativität. Hogrefe, 2007 oder in H. Schuler, B. Hell: Analyse Schlussfolgernden und Kreativen Denkens, Huber, 2005).

Kreativität: Kreativität kommt aus dem lat.: creare = hervorbringen, schaffen, erschaffen, aber auch zeugen, ins Leben rufen, gebären; deshalb auch Creator = Erzeuger, Vater und Creatrix = Mutter.

Im 19. Jahrhundert als Bühnenwort im Sinne von "eine neue Rolle auf der Bühne darstellen", in den vergangenen Jahren als "kreieren" = eine neue Mode entwerfen. Über das französische créer wurde aus dem Substantiv création ein neues Fremdwort, nämlich Kreation = Modeschöpfung, aber auch Modell (aus DUDEN - Herkunftswörterbuch).

Heute definiert man die Kreativität wieder als allgemeines schöpferisches Vermögen. Im Unterschied zum rein analytischen Denken wird die Kreativität durch das Finden neuer Aspekte und die Ansätze zu Problemlösungen (so genanntes divergentes Denken) gekennzeichnet und von zahlreichen kognitiven psychische Faktoren bestimmt (ZEIT-Lexikon).

Die Begriffe "Kreativität" und ihre wohllautende Schwester "Innovation" (ebenfalls aus dem lat.: novus = neu, also Erneuerung, Verbesserung auf allen Gebieten) sind nicht nur Mode, sondern in aller Munde, ein regelrechtes Gütezeichen, ein Boom, wie man es heute ausdrücken würde. Sie sind zu Schlüsselworten unserer Zeit und Gesellschaft geworden. Aber auch - so der Organisations-Psychologe H. Schuler - von Mythen (Legenden-Bildung), banalen Ratschlägen und Plattitüden (platten Binsenwahrheiten) umrankt. Deshalb ist es auch so wichtig, dass sich die Forschung um den realen Hintergrund, also um Möglichkeiten und Grenzen der Kreativität bemüht.

Denn der Wunsch nach Kreativität und Innovations-Kraft fehlt in kaum einem politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichem Programm. Ja, jede Stellenausschreibung verlangt danach, direkt oder indirekt formuliert. Es kann einem ob solcher Anspruchshaltung ganz schwindelig werden, wenn man nicht gar in deprimierenden Minderwertigkeitsgefühlen versinkt und alle Hoffnung fahren lässt.

Doch dies, so zeigt sich bald, ist nicht nötig, man muss nur die erwähnten Grenzen kennen und vor allem auch seine Möglichkeiten ausloten. Und schließlich kann Kreativität auch im Kleinen gedeihen, zur eigenen Freude und innerseelischen Stabilisierung. Hochtrabende Formulierungen seien jenen überlassen, die Ansprüche formulieren, ohne sie selber erbringen zu müssen, die theoretische Programme "kreieren", die dann andere mit Leben erfüllen müssen oder die einfach und bequem auf die übliche "wolkige Neo-Terminologie unserer Zeit und Gesellschaft" abonniert sind. Oder kurz: "heiße Luft".

Die wichtigsten Voraussetzungen für Kreativität

Für die Wissenschaft ist die Kreativität hingegen eine ernsthafte Herausforderung, insbesondere was die empirische Forschung, das Erfahrungswissen anbelangt. Und dies schon seit Francis Galton (britischer Naturforscher und Schriftsteller, 1822 - 1911). Für Galton waren Intelligenz, Motivation und "Power" die Hauptquellen schöpferischer Leistung, wie er dies in seinem Buch "Hereditary Genius" von 1869 an "eminenten" (hervorragenden) Persönlichkeiten aus vielerlei Lebensbereichen bewies.

Intelligenz, Motivation (also die Summe aller Beweggründe, die eine Entscheidung oder Handlung voranbringen) und Kraft, Zielstrebigkeit sowie Ausdauer, das sind seit jeher die Fundamente einer erfolgreichen Kreativität. Doch die Forschung ruhte nicht, die Liste tatsächlicher oder vermeintlich kreativ-relevanter Eigenschaften wurde seither ins nahezu Unüberschaubare erweitert, so der Psychologe.

Dabei ist die eigentlich wichtigste Beziehung, so die allgemeine Meinung, nämlich die Intelligenz in ihrer Bedeutung durchaus umstritten. Ja, die empirische Forschung kommt sogar zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass die Intelligenz - soweit man sie mit psychologischen Intelligenz-Tests messen kann oder zumindest meint messen zu können -, dass die Intelligenz eine zwar wichtige, aber nicht die bedeutendste Voraussetzung für Kreativität sei. Kreativität und Intelligenz gehören sicher zusammen, müssen aber durch andere Faktoren ergänzt werden, um die erhoffte durchschlagende Wirkung, das Ergebnis schlechthin zu zeitigen. Einzelheiten dazu siehe die Fachliteratur, vor allem auch die oben erwähnten Bücher.

Wenn aber davon gesprochen wurde, dass es noch viel mehr Charakteristika gebe, die eine unerlässliche Voraussetzung für Kreativität sind, so bietet auch hier die Wissenschaft konkrete Ergebnisse an, die sich in fünf Gruppen zusammenfassen lassen (nach H. Schuler):

- Offenheit: Neugierde, intellektuelle Werte, ästhetische Ansprüche (Ästhetik: wissenschaftliche Untersuchung des Schönen, also geschmackvoll, stilvoll-kulturviert usw.), breites Interesse sowie Ambiguitäts-Toleranz (schlicht gesprochen die Doppel- oder gar Mehrdeutigkeit allen Geschehens akzeptieren).

- Leistungs-Motivation: Ehrgeiz, Ausdauer, Konzentration, Leistungsfreude, Antrieb, Belohnungs-Aufschub (also im Gegensatz zum aktuellen Trend: ich - hier - sofort; bei der Kreativität muss auch erst einmal etwas reifen dürfen, wer sofort Ergebnisse sehen will, vor allem ohne die dafür notwendige Ausdauer und Anstrengung, wird Enttäuschungen erleben).

- Non-Konformität: Originalität, Unkonventionalität (es muss nicht alles nach den üblichen Verhaltensregeln, Gewohnheiten, Übereinkünften, Abkommen, kurz dem, was "man" tut oder zu tun hat laufen, man darf auch einmal gegen den Strom schwimmen, nicht aus Trotz oder Verbohrtheit, sondern um neuen Lösungen zu finden, gemäß dem bekannten Aphorismus: "Nur wer gegen den Strom schwimmt, kommt auch zur Quelle"); ferner Autonomie-Streben (also Selbständigkeit, Unabhängigkeit), vielleicht sogar ein wenig Eigenwilligkeit und vor allem eine Unabhängigkeit vom Urteil anderer, das bekannt-berüchtigte "man".

- Selbstvertrauen, d. h. fähigkeits- und zielbezogen, also emotionale (gemütsmäßige) Stabilität, ja sogar Risikobereitschaft, kurz: ein "kreatives Selbstbild" von sich selber bzw. konkreter: "ich bin kreativ".

- Erfahrung: Wissen, Werthaltungen, metakognitive Fertigkeiten (auf Deutsch: Planung, Steuerung und Kontrolle, und zwar auch von sich selber).

Der Preis der Kreativität...?

Das ist nun, schon etwas mehr als vor rund 150 Jahren gefordert, ein durchaus breites und naturgemäß anspruchsvolles Anforderungs-Spektrum. Und wenn man es noch einmal "durchdenkend" durchgeht, dann ist es insbesondere die Non-Konformität, die zum Mythos von "Genie" (und manchmal auch in Kombination mit Irrsinn) beigetragen hat. Ist da etwas dran?

Der wahre Kern, so Professor H. Schuler, muss auf konkret Fassbares eingegrenzt werden. Und das lautet: "Kreative Personen neigen zu Hypersensibilität, haben einen weiten Aufmerksamkeits-Fokus, sind durch verzögertes Abklingen der Stimulationswirkung gekennzeichnet und tendieren deshalb zum Rückzug, zur Stimulations-Reduktion, wobei sie Situationen mit kontrollierbarer, aufgabenbezogener Stimulation aufsuchen".

Oder allgemein verständlich: Diese Menschen sind empfindsam, haben einen wachen Geist, der alles (oder wenigstens viel mehr als im Durchschnitt) registriert, sind allerdings auch ggf. übersensibel und neigen deshalb dazu, sich vom Alltags-Trubel eher zurückzuziehen und sich dafür effektiver auf ihre konkreten Aufgaben zu konzentrieren.

Das leuchtet ein, kann sich aber auch dem drohenden Extrem des "scheinbar wenig geselligen, wenn nicht gar nicht-angepassten Mitmenschen" nähern, oder kurz: "kauziges" Verhalten, so das Umfeld.

Die allseits bekannte Verbindung von "kreativ" und "spinnig" im Sinne des berühmten Buch-Titels "Genie, Irrsinn und Ruhm" hat zwar etwas für sich, wenn man die vielen Pathographien (also Lebensläufe mit vor allem psychisch krankhaftem Hintergrund) durchforstet, doch hat diese Schlussfolgerung auch enge Grenzen. "Wirklich Verrückte, die große Leistungen erbringen, finden sich allenfalls in der Kunst, weil dort kein Kriterium der Richtigkeit oder des praktischen Funktionierens existiert", mahnt der Psychologe H. Schuler.

Kreativität will auch praktisch umgesetzt und genutzt sein

Außerdem gibt es eine unerwartet große Zahl weiterer Bedingungen, um die Kreativität auch wirklich zum Durchbruch und damit erfolgreich werden zu lassen. Denn - so die Psychologen - der kreative Prozess ist mit der Entdeckung eines Problems und dem Finden einer originellen Lösung nicht erledigt. Und weiter: Nach der Prüfung und Verbesserung der Idee stellt sich dort, wo man für seine Ideen bezahlt wird, zumeist die Aufgabe, sie in eine Innovation, in produzierbare und verkäufliche Produkte umzusetzen.

Für diese Befähigung sind nun allerdings ganz andere Eigenschafts- und Verhaltens-Voraussetzungen maßgeblich. Und hier werden die Organisations-Psychologen wieder ganz "erd-verbunden"; hier wird die hohe Sphäre der Kreativität, so wie wir sie uns in unserer Phantasie "ver-glorifizieren", auf den Boden der Realität zurückgeholt.

Denn jetzt zählen beispielsweise Kontaktfähigkeit, Anpassungs-Bereitschaft, Realitätssinn, verkäuferisches Geschick sowie die Fähigkeit Koalitionen zu bilden, organisatorische Prozesse zu gestalten, Ressourcen zu akquirieren und Macht auszuüben (H. Schuler).

Das hört sich nun allerdings im Rahmen einer hehren Kreativitäts-Diskussion überaus banal, also flach, platt, abgeschmackt an. Das mag ja für den "modernen Alltags-Wettbewerb" oder gar -Kampf gültig, ja unerlässlich sein, aber wo bleibt dann der erhöhte Wirkungskreis der Kreativität, selbst wenn man ihn noch mit der erwähnten Innovation verkuppelt?

Die Organisations-Psychologen aber bleiben wiederum nüchtern, unbeeindruckt, winken ab. Das ist ja das Problem des Mythos "Kreativität". Außerdem gibt es traurige Beispiele, wo diese Kombination eben nicht verfügbar war und interessante, ja wegweisende Beispiele, wo sich beides "glückhaft paarte" (das darf in diesem Falle wieder einmal der für alles verwertbare Polyhistor J. W. v. Goethe sein). Das Zauberwort lautet: Kreative Problem-Lösungen mit der Fähigkeit zu verbinden, die daraus notwendigen Innovationen auch durchzusetzen.

Wenn man einmal von den historischen Beispielen absieht (obgleich die positiven von ihnen ein durchaus vergleichbares Anschauungsmaterial liefern - s. u.), dann finden sich laut H. Schuler und Kollegen diese glücklichen Kombinations-Fälle schließlich als Präsidenten ihrer Fachgesellschaft, als Forschungsleiter u. a. wieder.

Interessant aber eine Einschränkung bzw. eine korrigierende Erkenntnis: Gewöhnlich kommt der zweite Teil ihrer Begabungen erst in der zweiten Lebenshälfte zur Wirkung. Der Grund: Kreative Leistungen sind alters-korreliert, wie die Psychologen es ausdrücken. Beispiele: Die wichtigsten naturwissenschaftlichen Leistungen werden im Alter von 30 bis 35 Jahren erbracht. Gleiches gilt für Erfinder. Geisteswissenschaftler zeigen eine etwas größere Streubreite, aber auch bei ihnen und bei Literaten finden sich die anerkanntesten Werke im vierten Lebensjahrzehnt (ungeachtet des Auftretens großer wissenschaftlicher, künstlerischer und erfinderischer Leistungen bis ins hohe Alter).

Das gilt es zu beachten und zu akzeptieren, mahnt der Psychologe H. Schuler. Denn diese Verteilung hängt mit der Abnahme so genannter fluider Komponenten der Intelligenz zusammen. In der Fachsprache heißt das: Die "physiologie-nahen", an das neurologische Funktionieren gebundenen Komponenten der Intelligenz nehmen im Unterschied zu den "kristallinen", erfahrungs-gestützten Intelligenzleistungen bereits ab dem frühen Erwachsenenalter wieder ab. Interessante Einzelheiten dazu auch im letzten Abschnitt des großen Kapitels über das "Altern und Altern" aus neuropsychologischer Sicht in dieser Serie.

Kreativität früher - Innovation später

Eine völlig andere Situation aber zeigt sich für die Management-Leistung des Durchsetzens von Innovationen. Um zirka zwei Jahrzehnte gegenüber dem Kreativitäts-Höhepunkt verschoben ist nämlich die Fähigkeit, als aussichtsreich erkannte kreative Ideen in innovative Produkte umzusetzen. Oder kurz: Kreativität früher, Innovation später. Das hat nicht zuletzt mit der erwähnten Position, mit Status und Einfluss zu tun, und die nehmen naturgemäß mit dem Alter zu. Ein Blick auf die Macht-Positionen in Wirtschaft und Politik sagt alles.

Wie aber steht es in der Wissenschaft, ja in der Kultur? Die rüde Antwort: gleich.

Die so genannte Erfahrungs-Abhängigkeit kreativer Leistungsbeiträge ist zwar je nach wissenschaftlicher Disziplin verschieden, aber letztlich bleibt natürlich eine Erkenntnis: Je älter, je länger damit der notwendige Erfahrungs-Hintergrund, desto mehr lässt sich "für den Erkenntnis-Zuwachs gewinnen".

Manche Wissenschaftlicher, vor allem von den Hochschulen, haben noch einen weiteren Vorteil, der weit über ihr kreativitäts-optimales Alter hinaus anhalten kann: ihre Studierenden, Doktoranden, Mitarbeiter. Jetzt lässt sich die Erfahrung des Älteren (und seine Beziehungen und damit Einflussmöglichkeiten nicht zu vergessen) mit dem kreativen Potential des wissenschaftlichen Nachwuchses kombinieren.

Manche denken jetzt in negativer Weise an "Ausnützung", doch dies ist ein Irrtum. Es gibt zwar unangenehme Abhängigkeits-Verhältnisse (und die werden noch am ehesten ruchbar und prägen das Negativ-Bild), doch in der Mehrzahl handelt es sich um ein fruchtbares Geben und Nehmen.

Wie lässt sich Kreativität konkret fördern?

Doch zurück zur Kreativität. Wie lässt sie sich denn nun konkret fördern? Dazu die organisations-psychologischen Erkenntnisse in komprimierter Form:

Sind die persönlichen Voraussetzungen zur Kreativität bereits gegeben, vor allem kognitive (geistige) Befähigung, Neugierde und Leistungs-Motivation, dann ist die Förderung einfach. Am besten, und das erstaunt einerseits, andererseits leuchtet es auch sofort ein, durch eine anregende, offene und freudvolle Arbeits-Atmosphäre. Nicht zu vergessen: konkrete Leistungsziele und erfolgreiche Vorbilder. (Die meisten Wissenschaftler sind übrigens der Meinung, dass sie eher Vorbilder als Lehrer hatten, auch wenn die Vorbilder rückblickend gerne als Lehrer hingestellt werden; so viel ist dann auch wieder nicht "rübergekommen", meinen viele, vor allem jüngere Wissenschaftler.)

Außerdem ist ein "Schuss Unkonventionalität" und Risikobereitschaft willkommen. Einzelheiten dazu siehe oben.

Wichtig ist auch die richtige Auswahl kreativer Personen. Kann man sie rechtzeitig erkennen? Die Psychologen meinen, dass sich das Potential für kreative Leistungen recht verlässlich ermitteln lasse. Am besten, wenn die drei wichtigsten "eignungs-diagnostischen Ansätze" kombiniert werden können. Das sind zum einen biographische Daten (vergangenes Verhalten und bisherige Leistungsergebnisse), zum anderen Arbeitsproben und schließlich bestimmte Testverfahren. Die Organisations-Psychologen glauben, dass diese eignungs-diagnostische Personalauswahl die besten Ergebnisse liefere.

Wie steht es aber mit "Kreativitäts-Training", wo man heute doch glaubt, alles durch geeignete Maßnahmen trainieren zu können? Gibt es konkrete Arbeitstechniken, die kreative Ideen fördern? Das ist nicht ausgeschlossen, nur fehlen dafür bisher fundierte Beweise.

Trägt aber wenigstens der "motivationale Impuls" Früchte, der solchen Trainings-Teilnehmern vermittelt wird? Ja, aber in aller Regel nur von kurzer Dauer.

Mit anderen Worten: Das alles hört sich nun aber nicht sehr hoffnungsfroh an. Gibt es denn keine Lichtblicke?

Unter den geläufigen Kreativitäts-Techniken hat sich besonders das sogenannte "Brainstorming" hervorgetan, ja große Popularität erlangt. Das geht auf werbepsychologische Erkenntnisse oder besser: Behauptungen zurück, die schon ein halbes Jahrhundert alt sind. Und die besagen: Die Ideen-Produktion in Gruppen sei der von Einzelpersonen überlegen. Dabei gibt es aber schon von früher eine wichtige Einschränkung, die da lautet: "Wenn die geäußerten Einfälle nicht bewertet, sondern von anderen Teilnehmern aufgenommen und weiterentwickelt würden".

Das wäre schön, zu schön, wenn es der Wirklichkeit entspräche. Doch hat sich diese Hypothese inzwischen als empirisch nicht haltbar erwiesen. Im Gegenteil: Individuen produzieren in der gleichen Zeit nicht nur mehr, sondern auch bessere Ideen als die interagierenden Gruppen. Oder kurz: Der Einzelne bringt mehr.

Umgekehrt sind Gruppen aber ausgerechnet dafür besser geeignet, was sie nach der Regel des Brainstormings nicht tun sollen, nämlich bewerten. Die Erklärung ist einfach, eigentlich schon aus der "Psychologie des Alltags" nachvollziehbar: Schuld daran ist zum einen die so genannte Bewertungs-Angst des Ideen-Lieferanten, zum anderen das "Trittbrettfahren" und schließlich die Produktions-Blockierung.

Letzteres ist ein besonders interessantes Phänomen. Es hat sich nämlich erwiesen, dass eigene Einfälle dadurch geschmälert, behindert oder gar blockiert werden, wenn man den Einfällen anderer zuhören muss. Das Bewerten anderer Ideen ist offenbar eine ganz andere Ebene als die Produktion eigener Ideen. Beides zusammen lässt sich nicht effektiv kombinieren, zumindest nicht in der Gruppe, aus der dann in einer begrenzten Zeit-Einheit der große Kreativitäts-Schub hervorgehen soll.

Das schlussfolgernde Ergebnis - so Prof. Dr. H. Schuler - ist deshalb für solche Kreativitäts-Techniken ernüchternd: Dies betrifft insbesondere die Werbe-Psychologie bzw. die so genannten Produkt-Innovationen. Wie das im Bereich der wissenschaftlichen Arbeit aussieht, ist nicht bekannt. Hier gibt es interessanterweise keine entsprechenden Studien. Doch es besteht kein Grund zur Annahme, dass die Verhältnisse hier anders liegen.

Förderung oder Behinderung?

Bleibt noch eine letzte Frage, nämlich die Förderung oder Behinderung kreativer Leistung durch bestimmte Arbeitsbedingungen, konkrete Organisationsgestaltung, Gruppe und Führung. Auch hier Ernüchterung, wie der Organisations-Psychologe trocken zusammenfasst: "Die meisten Ergebnisse hinsichtlich dieser Einflussquellen drücken mehr Hoffnung als empirischen Gehalt aus".

Trotzdem lassen sich natürlich einige Faktoren herausarbeiten, die eine dann durchaus positive Wirkung verheißen. Im Einzelnen:

- Für die Arbeitsbedingungen sind es u. a. hohe, fähigkeits-angemessene Leistungsziele, leichter Zugang zu Informationsquellen und individuelle Freiräume mit Zeit für vertiefte Ideen-Findung.

- Organisationen begünstigen die Kreativität u. a. dann, wenn sie durch ein vertrauensvolles, offenes und lebhaftes Klima gekennzeichnet sind. Außerdem durch einfache Kommunikationswege mit geringen bürokratischen Einschränkungen. Und wenn sie kreative Leistungen aktiv fordern und erkennbar belohnen.

- Gruppen profitieren vom unterschiedlichen Erfahrungs-Hintergrund ihrer Mitglieder, deren kognitives (intellektuelles) Niveau allerdings ähnlich sein sollte. Und wenn es gelingt, "Gruppendenken" zu vermeiden (z. B. durch wechselnde Mitgliedschaft) und eine emotional positive, humorvolle(!) Arbeits-Atmosphäre zu schaffen, die mit anspruchsvoller Zielsetzung und einem hohen Partizipationsgrad (aktive Beteiligung) aller Mitglieder verbunden ist. Dann sind die Bedingungen auch hier gut.

- Die Führung schließlich kann kreativitäts-fördernd wirken, wenn sie Wertschätzung mit Inspiration, also schöpferischem, anregendem und begeistertem sowie damit selber begeisterndem Einfallsreichtum sowie Ansporn zu verbinden weiß. Es gilt die Identifikation (gefühlsmäßige Gleichsetzung) mit gemeinsamen Zielen durch die Vorbildwirkung und motivierende Gesprächsführung zu unterstützen. Das bewährt sich auch in der Ressourcen-Beschaffung und Durchsetzung innovativer Ideen.

Schlussfolgerung

Dies ist die Übersicht des Organisations-Psychologen Prof. Dr. H. Schuler, der seinen interessanten Beitrag mit einer Ermahnung schließt: Viele Unternehmen, die die Innovation zu ihren hohen Prioritäten zählen, bemühen sich derzeit um ein Ideen- oder Innovations-Managementsystem. Das ist sinnvoll, das hat Zukunft.

Doch mit Worten allein ist es dabei nicht getan. Kreativität ist nicht nur eine Gottes-Gabe, sie ist auch ein hartes Stück Arbeit, besonders wenn daraus Innovationen folgen sollen.

Die Entscheidungsträger sind also gut beraten, sich mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Organisations-Psychologie vertraut zu machen. Das war schon früher nicht anders, nur damals musste man vor allem seinem Instinkt vertrauen. Heute vermittelt uns die empirische Wissenschaft die Voraussetzungen, Mythen von Möglichkeiten zu trennen. Man muss diesen Erkenntnis-Gewinn nur nutzen.

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
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