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DAS ERSTE DIA BITTE...

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Vortrags- und Präsentations-Sünden kurzgefasst

„Das erste Dia bitte!“. Wer hat sie noch nicht verflucht, diese mediale Vergewaltigung einer anfangs willigen, später zermürbten Zuhörerschaft. Wer erinnert sich nicht an die wohltuende Verdammnis früherer Meister des Wortes: „Hast’ Du nichts zu sagen, nimm Dias. Ist es noch weniger, nimm' sie in Farbe...“. Und wer erinnert sich nicht an seine (moralisch grenzwertige) Schadenfreude, als der erste und schließlich auch der Ersatz-Projektor ihren Geist aufgaben - und der Referent ohne Medien-Hilfe peinlich weiterstotterte.

Hier hilft uns ein kleines Büchlein weiter, an das wir gerne erinnern, um moderne Referenten wieder an die Macht des Wortes heranzuführen – ohne unkritischen Medien-Einsatz (oder zumindest lediglich dezent unterstützend). Es handelt sich um M. Volkenand: Das erste Dia bitte… Didaktik medizinischer Fachvorträge. W. Zuckschwerdt-Verlag, München 2001. Aber lassen wir einfach den Autor selber das mediale Vortrags-Elend in unübertroffener Prägnanz skizzieren, kurz und einprägsam:

Referenten-Elend…

„Der Redner stolpert auf die Bühne zum Pult. Er bepustet und beklopft das Mikrophon. Dann sucht er den Laserpointer und probiert ihn eine Zeitlang ungeschickt aus. Dabei entschuldigt er sich scherzhaft, dass gerade er als Wissenschaftler technisch so unbegabt sei. Dann kehrt er sogleich dem Publikum den Rücken zu. Der Vortrag beginnt mit den Worten: „Das erste Dia bitte!“.

Es wird dunkel, und er entschuldigt sich, dass das erste Dia leider auf dem Kopf steht. Dies wird korrigiert. Ein völliges überladenes, viel zu buntes, ungeputztes, aber englischsprachiges Dia erscheint und zahllose Ähnliche folgen.

Der Redner geht ausführlich darauf ein, dass er leider aufgrund der Kürze der Zeit die ganze Komplexität der im Dia dargestellten Sachverhalte nicht angemessen entfalten könne. Auch sei es schade, dass man vermutlich in den letzten Reihen den Text nicht lesen könne. Aber eigentlich sei es nicht schlimm; er wolle ja nur darauf hinweisen, wie unvorstellbar komplex das Thema sei.

Während der gesamten Zeit rast der grellrote Signalpunkt des Laserpointers ununterbrochen und wirr über die gesamte Projektionsfläche. Auf einem Dia erscheint ein ausführliches und kleingedrucktes Zitat. Bevor es gelesen wird, folgt die Projektion des nächsten. Abfotografierte Tabellen aus den wichtigsten Lehrbüchern werden gezeigt. Die Zeit ist weit überzogen. Der Vorsitzende ist verzweifelt. Erst als trotz eines weiteren Versuches kein Dia mehr erscheint, merkt der Redner, dass er am Ende ist. Die Lichter gehen an. Die Zuhörer erwachen. Es ist vorbei.

Natürlich kann man inzwischen einwenden: Wer nimmt denn heute noch Dias. PowerPoint ist angesagt. Gewiss eine andere Liga – aber das gleiche formale Elend auf technisch höherem Niveau.

Auf was ist zu achten?

Nach dieser köstlichen und ach so wahren Einführung kommt der Autor dann zur Sache, konkret, praxisrelevant, hilfreich und vor allem stets mit hintergründigem Humor. Nachfolgend nur einige Stichworte:

Anfang und Schluss des Vortrags. Sprache und Artikulation, Lautstärke, Sprechtempo, präzise Formulierungen (einschließlich Kurt Tucholskys „Ratschläge für einen schlechten Redner“).

Auftreten und Körperhaltung, insbesondere Mimik, Blickkontakt, Gestik sowie – offenbar wieder wichtiger werdend – die adäquate Kleidung.

Anfertigung und Benutzung eines Manuskriptes. Gestaltung und Verwendung von Dias: unnötig Zeichen und Symbole vermeiden, nicht nur Großbuchstaben verwenden, gleiche grammatikalische Struktur durchhalten. Zeilenumbrüche sinnvoll gestalten, abfotografierte Buch-Tabellen vermeiden.

Vor- und Nachteile einer Doppelprojektion prüfen, wenige, aber kontrastreiche Farben verwenden. Projekts-Text nur in der Sprache des Redners („ich komme gerade aus China und hatte leider nicht die Zeit...“). Laserpointer nicht umherirren lassen u. a.

Tipps für die Diskussion

Sehr gut die kleinen Tipps für die Diskussion, die letztlich die entscheidenden sind: So lange der Fragende spricht: schweigen, schweigen, schweigen. Die Antwort kurz und präzise, kein zweites Referat.

Persönliche Meinungen und Beurteilungen aussprechen (das Auditorium will Bekenntnisse). Konstruktive Kritik sofort anerkennen, zugleich aber die Argumente und Stärken der eigenen Position wiederholen. Wissensdefizit sofort eingestehen (und zugleich die Kenntnisse anderer Daten präsentieren).

Bei kontroverser Diskussion möglichst positiv formulieren (nicht: Sie haben mich vollkommen falsch verstanden, sondern: Vielleicht habe ich mich nicht ganz deutlich ausgedrückt).

Mitgefühl für die Zuhörer

Nur 90 Seiten hat dieses Büchlein. Aber die haben es in sich. Man sollte sie studieren, beherzigen – und sich über den Erfolg freuen, wenn das eigentlich frustrations-willige, dann aber positiv überraschte Auditorium aufrichtigen Beifall spendet: ein Drittel für den Inhalt (kann man auch nachlesen), zwei Drittel für eine „menschlich fühlende Präsentation“.

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
Beachten Sie deshalb bitte auch unseren Haftungsausschluss (s. Impressum).