G. Hole – F. König (Hrsg.):
ÜBER DIE SEELE, PSYCHISCHE STÖRUNGEN UND DIE PSYCHIATRIE
Aesopus-Verlag, Stuttgart 2001, 157 S, € 9,95. ISBN: 3-7773-1940-6
Über die Seele, psychische Störungen und die Psychiatrie. Ein in dieser Form wahrscheinlich einmaliger Sammelband, auf jeden Fall ein ungewöhnliches Buch. Mehr als 60 Ärzte, Psychologen, Theologen, Journalisten, Manager u.a. schreiben aus ihrer Sicht, was sie zu diesem Thema bewegt: auf einer Seite (es sind auch einmal mehr geworden, aber im Allgemeinen haben sich die Autoren an diese Begrenzung gehalten).
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Ein breites Spektrum von praktischen Empfehlungen bis zu philosophischen Überlegungen, von herber Kritik an unserer Zeit und Gesellschaft bis zu optimistischen Hoffnungen, von fachspezifischen bis zu esoterischen Beiträgen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum.
Natürlich geht es meist um handfeste Themen, wobei man den an sich zurückhaltenden Psychiatern ihre bisweilen scharfe Zunge gar nicht zugetraut hätte. Aber auch um sublime Fragestellungen über das Sterben (auch von eigener Hand), über „Herzlichkeit“ und „Herz“ in der Begegnung mit Patienten (die auch den Ärzten zunehmend abzugehen drohen), einschließlich „heilsamer Berührungen“, über die dunklen Seiten unserer Vergangenheit und ihren psychiatrischen Anteil, über die Bedeutung des Vertrauens, die Schweigepflicht des Arztes, über Wissen und Bescheidenheit u.a. Nachdenklich stimmen die Beiträge der Theologen: Tod und Auferstehung, die Schnittpunkte von Tiefenpsychologie und Theologie, Auftrag, Möglichkeit und Grenzen der Seelsorge bei psychisch Kranken, Seele und Wissenschaft usw.
Eine besondere Stellung nehmen die Journalisten ein, die sich der früheren heißen Diskussionen zwischen Psychiatern und Publizisten erinnern und die gemeinsamen Aufgaben anmahnen (z. B. Aufklärung, Prävention, Öffentlichkeitsarbeit, Abbau von Vorurteilen).
Und es gibt Tabu-Themen wie das „richtige“ Sterben, die ärztliche Beihilfe zum Suizid, die Sexualität, die Selbstmedikation und ihre Gefahren usw. Selbst so randständig erscheinende Fragen wie seelische Aspekte in der Zahnmedizin, die Psychotherapie als Reparaturwerkstatt, ist Qualität in der Medizin überhaupt möglich, Vererbung seelischer Eigenschaften, der Internist und sein - fehlender - psychiatrischer Blick, seelische Störungen als Objekt wirtschaftlicher Ausbeutung, der Streit ums Erbe oder die Schweigepflicht des Arztes u.a. öffnen dem überraschten Leser die Augen, mit welch einer Vielfalt es die „alte Seelenheilkunde“ zu tun hat - heute mehr denn je.
Mit diesem Taschenbuch ist den Herausgebern und Autoren gelungen das zu untermauern, was die Weltgesundheitsorganisation (WHO) inzwischen offen propagiert: Die Zukunft gehört der Psychosozialen Gesundheit. Und damit der Seele, den psychischen Störungen und der Psychiatrie (ES).
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