F. Hallenberger, A. Eckl:
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Tabelle 1: Sexuelle Belästigung am Telefon – Ergebnisse mehrerer Feldstudien
Dabei muss man unterscheiden, ob sich das Opfer sexuell belästigt oder nicht sexuell belästigt fühlt. - Bei sexuell Belästigten findet sich folgende Häufigkeitsverteilung in abnehmender Reihenfolge (von 73 bis 4%): Auflegen, Stöhngeräusche, Schweigen, sexuelle Anspielungen, allgemeine Bemerkungen zur Sexualität, Einladungen, Bemerkungen zur Person bzw. geschlechtsspezifische Beleidigungen, Überredungsversuche zu sexuellen Handlungen, Zwang zu sexuellen Einladungen, Drohung vorbeizukommen, allgemeine Bemerkungen über Frauen und Männer, Androhung von (sexueller) Gewalt. - Bei nicht sexuell Belästigten finden sich ebenfalls am häufigsten Auflegen (90%) und Schweigen (44%). Danach kommen Kaufangebote (23%) und Einladungen (10%). Alle anderen Belästigungsformen liegen bei 2% und weniger. Die Unterschiede zwischen sexueller Belästigung und Nicht-Belästigung liegen nach Ansicht der Betroffenen vor allem bei Stöhngeräuschen (der wichtigste Unterscheidungsfaktor) und deutlich seltener bei den Aspekten (in abnehmender Reihefolge): sexuelle Annäherungsversuche bzw. Anspielungen, Bemerkungen zur Person bzw. geschlechtsspezifische Beleidigungen, allgemeine Bemerkungen zur Sexualität sowie über Frauen und Männer.
- Geschlecht: Frauen erfahren in ihrem Alltag wesentlich häufiger unerwünschte sexuelle Annäherungen als Männer - so auch am Telefon. Allerdings neigen Männer in ihrer Beurteilung auch zur Verleugnung eines „Opfer-Status“, da dies mit Schwäche verbunden ist und im Widerspruch zur männlichen Geschlechtsrolle steht. - Alter: Jüngere Frauen berichten häufiger über unerwünschte Ereignisse am Telefon (einschließlich Auflegen, Schweigen und Kaufangebote). Der Altersdurchschnitt liegt um die 40 Jahre. Diese Daten sprechen für eine gezielte Opferauswahl (außerdem sind jüngere Frauen möglicherweise auch noch häufiger unter eigenem Namen im Telefonbuch eingetragen - s. später). - Familienstand: Am häufigsten berichten getrennt lebende Frauen von sexuellen Telefonbelästigungen. Dies legt den Verdacht nahe, dass der Täter entweder der ehemalige Lebensgefährte oder eine von diesem beauftragte Person ist (gezielte Bedrohungs- und Belästigungsstrategie mit emotionalen oder trennungs-aktiven Hintergründen?). Danach folgen ledige Frauen (deren Telefonbuch-Einträge häufig auf ihren weiblichen Namen lauten), geschiedene Frauen, verheiratete Frauen und Witwen in schon fortgeschrittenem Alter. Ledige erhalten interessanterweise häufiger Stöhnanrufe (Kontakt zu unbekannten weiblichen Personen?). - Wohnsituation: Frauen, die mit anderen Menschen zusammenleben, müssen häufiger unerwünschte Telefonanrufe ertragen als Alleinlebende. Die Unterschiede sind allerdings gering, wie auch bei der Frage: Stadt/Land. Bevorzugt werden vor allem jüngere und allein lebende Frauen, die im Telefonbuch eingetragen sind. - Belästigungsformen: Die schwerwiegendsten Attacken gehen grundsätzlich von einem Mann aus, nur extrem selten von einer Frau (mitunter kann das Geschlecht auch nicht eindeutig zugeordnet werden). Männer werden häufiger von Frauen belästigt, Frauen öfter von Männern. In der überwiegenden Mehrzahl sind die Anrufer unbekannt und nur selten wirklich exakt identifizierbar. Frauen berichten häufiger von einem unbekannten Täter, Männer sind sich dabei öfter nicht sicher. Die massivsten Belästigungen stammen offensichtlich von Erwachsenen und nur selten von Jugendlichen (wobei ein Teil der Opfer sich auch hier nicht sicher zu sein pflegt). Zumeist sind die Belästiger Einzelpersonen, nur selten in einer Gruppe. Die Frage: Steht der Belästiger unter Alkohol- oder Rauschdrogeneinfluss lässt sich natürlich schwer beantworten, in einigen Fällen aber dann doch eindeutig positiv. - Zeitpunkt der Anrufe sind in den meisten Fällen die Abend- und Nachtstunden, seltener Vor- bzw. Nachmittag (keine geschlechtsspezifischen Unterschiede). In der überwiegenden Zahl der Fälle wurde an einem Privatanschluss angerufen. In der Mehrzahl der Fälle waren die Opfer gerade allein, seltener mit anderen zusammen. - Das Bewusstsein, hier liegt eine sexuelle Belästigung vor, war in der Hälfte der Fälle sofort vorhanden, in der anderen Hälfte ergab es sich im Verlauf des Anrufs, spätestens aber an dessen Ende (keine geschlechtsspezifischen Unterschiede). - Der Eintrag in ein Telefonbuch verteilt sich bei den Opfern wie folgt: 4 von 10 mit vollständigem Namen, jeder Zehnte mit abgekürztem Namen, jeder Fünfte nur mit dem Vornamen des Partners oder der Partnerin, jeder Zehnte nur mit einem Nachnamen und ganz selten mit weiteren Namen. 4 von 10 mit Adresse, und nur wenige ohne Adresse im Telefonbuch. Männer sind deutlich häufiger mit vollständigem Namen eingetragen. - Was weiß der Anrufer? Nur jeder 10. Anrufer scheint über Detailkenntnisse zu verfügen: Name, Alter, Haarfarbe, familiäre Umstände. Fast jeder Zehnte musste zumindest gewisse Hinweise kennen. Bei jedem Vierten konnte man wenigsten vermuten, dass die belästigende Person über Telefonbuch, Kleinanzeigen, zumindest aber Zufall an diese Nummer gelangt ist. - Fazit: In etwa einem Drittel der Fälle sind sich Täter und Opfer bekannt. Zumindest hat das Opfer seine privaten Daten in irgendeiner Form öffentlich gemacht. Daraus ergeben sich - falls notwendig - entsprechende Empfehlungen für eine gewünschte Vorbeugung.
Etwa die Hälfte fühlt sich belastet oder gar bedroht, davon ein Drittel mittelmäßig bis stark, nicht ganz ein Fünftel gering-gradig. Die andere Hälfte kann damit offenbar gut fertig werden. Als emotionale Reaktionen finden sich am häufigsten (in Stichworten): Demütigung, Missachtung, Wut bzw. Ärger (Frauen mehr als Männer). Körperliche Reaktionen waren selten (z. B. Schweißausbrüche und Schlafstörungen, Zittern und Herzklopfen). - Die aktuellen Verhaltensreaktionen waren vor allem Sprachlosigkeit und Auflegen, seltener Gegen-Drohungen oder -Beleidigungen, noch seltener Trillerpfeife, Humor, Anrufbeantworter (siehe auch Tabelle 2). - Die Folgen bzw. Bewältigungsversuche: Selten Selbstbeschuldigung, Ablenkungsversuche, nicht daran denken, häufiger stille Vorwürfe im Sinne von Fremdbeschuldigung, Informationssuche, Kontaktaufnahme zur sozialen Unterstützung u. a. Etwa ein Fünftel versucht die Situation aktiv zu beeinflussen, ein Drittel sich der Situation zu entziehen, die meisten verhalten sich passiv und abwartend. Zur aktiven Beruhigung gehören körperliche Aktivität, Entspannungsverfahren, Selbstbestätigung, seltener Alkohol, Nikotin (vor allem Männer), „Essens-Ausgleich“ oder Beruhigungsmittel. Die Mehrzahl kommt damit offenbar gut zurecht und kann das Telefon nutzen wie bisher. Ein Fünftel hat längerfristige Probleme bis hin zu einer Art Telefon-Aversion (Widerwillen).
- mittel- bis längerfristigen Auswirkungen: Die erfassen nämlich ein Viertel bis ein Drittel aller Betroffenen, d. h. negative Auswirkungen auf Alltagsleben, Selbstsicherheit, körperliche, seelische oder psychosoziale Befindlichkeit, auf das Vertrauen in andere, die Einstellung gegenüber Mitmenschen (vor allem Frauen gegenüber Männern), insbesondere aber auf ihr persönliches Sicherheitsgefühl. - Das Ausmaß der subjektiven Belastung korreliert scheinbar mit fünf personen-spezifischen Merkmalen. In Stichworten: Ängstlichkeit, Risikobereitschaft, Gelassenheit, subjektiv empfundene Kontrollierbarkeit der Situation, Glauben an Zufall, Vertrautheit mit sexueller Belästigung. Das Selbstwertgefühl hat offenbar keine Bedeutung. - Als besonderes situatives Risiko gelten: Anzahl der Anrufe, Art des Telefonbuch-Eintrags (vollständige Adresse oder gekürzter Eintrag), Kenntnisse des Anrufers über die Lebensumstände der belästigten Person. Leichter bewältigt wird die Belästigung, wenn keine Drohungen, keine konkreten Bemerkungen zur Person und keine (geschlechtsspezifischen) Beleidigungen vorkommen, ferner wenn geschwiegen wurde sowie wenn offensichtlich nur ein Täter bzw. ein einmaliger Anruf vorlag. Aus S. Sczesny: Sexuelle Belästigung am Telefon. Lang (Europäische Hochschulschriften), Reihe 6, Psychologie, Bd. 592, 1997, zitiert nach F. Hallenberger & A. Eckl: Sexuelle Belästigung am Telefon, 2004 |
Tabelle 2: Wie die Opfer einer Telefon-Belästigung reagieren Repräsentativ-Studie betroffener Personen nach ihren individuellen Ansichten und Vorschlägen zum richtigen Umgang mit sexuellen Telefon-Belästigungen (Auswahl der zumeist genannten Verhaltensmaßnahmen): - Sofort den Hörer auflegen und ruhig bleiben. Aus S. Sczesny: Sexuelle Belästigung am Telefon. Lang (Europäische Hochschulschriften), Reihe 6, Psychologie, Bd. 592, 1997, zitiert nach F. Hallenberger & A. Eckl: Sexuelle Belästigung am Telefon, 2004 |
Tabelle 3: Belästigung am Telefon: Verhaltens-Empfehlungen in der aktuellen Situation aus psychologischer Sicht Aufgabe: Kontrolle erhalten und Opferrolle vermeiden. Methode: Konfrontation des Täters mit seinem Verhalten durch Ironisieren und Lächerlich-Machen bzw. Einsatz von technischen Hilfsmitteln. Ziel: Dem Opfer das Gefühl des „Nichts-tun-Könnens“ und der Hilflosigkeit nehmen. Beispiele (nach U. Füllgrabe, 1994): 1. Der Anrufer stöhnt. Beantworten Sie jeden unkooperativen Zug mit einem ebensolchen (tit for tat). Das bedeutet: kein zuvorkommendes Kommunikationsverhalten, kein Konformismus, keine Freundlichkeit u. a. Konkrete Reaktionsmöglichkeiten: - Legen Sie sofort auf. - Benützen Sie einer Trillerpfeife. Aber Vorsicht: nur wenn Sie sicher sind, keinen Unschuldigen zu treffen und andere Methoden nichts nützen; im Unglücksfall kann man ggf. für (Gehör-)Schäden haftbar gemacht werden. Deshalb eine solche Technik nur im ausgeglichenen emotionalen Zustand verwenden, d.h. nicht in Angst- oder Ärger-Erregung. - Konfrontieren Sie: „Kannst Du nicht erotischer stöhnen?“ - Zeigen Sie keine Emotionen wie Ärger, Angst, Gereiztheit - dies kommt den Motiven des Täters entgegen. 2. Der Anrufer äußert obszöne Inhalte, Wünsche, Aufforderungen u. ä. Vergegenwärtigen Sie sich die möglichen Motive: Machtmotiv: sucht Opferrolle. Das Gleiche gilt für seine mögliche psychologische Verfassung: gehemmt, erfolglos, einsam, frustriert. Reagieren Sie mit: - Rollenumkehr: Übernehmen Sie die Gesprächsführung. Seien Sie die dominierende Position und sprechen Sie den Täter auf seine Probleme an: „Menschen, die so etwas am Telefon sagen, haben oft sexuelle Probleme oder sind impotent…?“ - Einfühlsam: „Haben Sie Probleme mit Frauen?“ - Verderben Sie den Spaß: „Ich schreibe gerade eine (Doktor-)Arbeit über Telefon-Onanisten. Darf ich Ihnen einige Fragen stellen?“ - Konfrontieren Sie: „Sie müssen aber hässlich sein, wenn Sie es anonym am Telefon nötig haben.“ - Ironisieren Sie, wenn Sie dazu aufgelegt sind: Lesen Sie ohne Stopp und Pause Kochrezepte u. ä., solange, bis das Gegenüber auflegt. - Drohen Sie: „Ich habe eine Fangschaltung“ und drücken Sie eine Taste auf ihrem Telefon. Das Knacken im Hörer gibt den Anschein, als hätten Sie ein technisches Gerät zugeschaltet. 3. Der Anrufer beleidigt. Vergegenwärtigen Sie sich, dass der Anrufer Sie nicht persönlich meint. Stellen Sie sich sein mögliches Ziel vor Augen. Er will Sie emotional treffen, verletzen, unterwerfen. Begeben Sie sich auf eine übergeordnete Position: „Der Mann hat Probleme. Es sind seine Probleme und die haben mit mir nichts zu tun“. Lassen Sie keine Gedanken zu, wie etwa „ich fühle mich in meiner Ehre als Frau gekränkt“ u. a. Aus F. Hallenberger & A. Eckl: Sexuelle Belästigung am Telefon, 2004. Unter Nutzung des Beitrags: U. Füllgrabe: Tit For Tat – Die Erfolgsstrategie im Spiel des Lebens. Teil 4. Magazin für die Polizei. Landespolizeischule Niedersachsen, Hannover-Münden 1994 |
Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.