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N. C. Krämer, St. Schwan, Dagmar Unz, Monika Suckfüll (Hrsg.):
MEDIENPSYCHOLOGIE
Schlüsselbegriffe und Konzepte
Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2008. 380 S. € 36.-
ISBN 3-17-020112-5

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Wir sind den Medien ausgeliefert. Das gibt zwar niemand zu, aber ein wenig unbehaglich fühlen wir uns alle. Und je mehr wir uns in diese Materie einlesen, desto wahrscheinlicher wird es auch. Reklame, Werbung, Öffentlichkeitsarbeit bestimmen unser Denken und Handeln. Nur schlichte Gemüter halten sich hier für völlig unabhängig – und sind dabei besonders manipulations-anfällig.

Die Medien-Schaffenden hören das zwar nicht gerne, aber sie leben davon. Medien-psychologisch und werbe-aktiv versorgt werden sie von Experten, die heute aus einer Vielzahl von Bereichen kommen. Untersucht (und in entsprechenden Positionen natürlich auch bedient) werden sie vor allem von spezialisierten Psychologen. Einzelheiten dazu siehe auch der Beitrag in dieser Serie über die verschiedenen psychologischen Aufgaben bzw. Berufssparten (Das weite Aufgabenfeld der Psychologie – die wichtigsten psychologischen Berufsfelder). Der Medienpsychologie wird dabei eine der wichtigsten und zukunftsträchtigsten Positionen zugesprochen. Entsprechend groß ist auch das Interesse und damit die Zahl der Fach- und Lehrbücher sowie lexikalischen Nachschlagewerke. Inzwischen werden sogar ganze Buchreihen konzipiert, z. B. die Medienpsychologie im Kohlhammer-Verlag.

Zum Start dieser Reihe liegt jetzt die Medienpsychologie – Schlüsselbegriffe und Konzepte vor, bei der über 30 Spezialisten 58 zentrale Konzepte der Medienpsychologie in kurzen Texten vorstellen. Die Autoren kommen aus den entsprechenden Instituten, Abteilungen, Bereichen und Sektionen für Psychologie und Pädagogik, speziell Kognitionspsychologie, Medienpsychologie, Organisationspsychologie, Kommunikationswissenschaft, Wissensmedien, Medienpädagogik, Informatik, Sozialpsychologie, Arbeitswissenschaft, Kulturpsychologie, Publizistikwissenschaft, Medienforschung, Differentiellen Psychologie, Psychologischen Diagnostik, Theorie und Praxis der Kommunikation u. a.

Das Lehrbuch ist ein sehr spezielles Fachbuch. Für seine Zielgruppe ist es aber ein ideales Nachschlagewerk, das das aktuelle Wissen zu spezifischen Annahmen und Theorien bündelt, indem es die wichtigsten Schlüsselbegriffe auf wenigen Seiten ausführlich darstellt. Damit es eine ideale Ergänzung zu den bisherigen Lehrbüchern.

Für den interessierten Nicht-Experten ist es hingegen eine schwere Kost; allein die Überschriften sind mehrheitlich Englisch und auch im Deutschen natürlich kaum allgemein bekannt. Trotzdem wird man auch hier fündig, was interessante Themen anbelangt, sofern man sich die lexikalisch-gestützte Zeit zum Studium der einzelnen Kapitel nimmt. Dazu ein Beispiel, kurz gefasst und (hoffentlich) allgemein verständlich:

Das Problem der subliminalen Wahrnehmung

Subliminal kommt aus dem Lateinischen (jedenfalls gehen wir einmal davon aus) und setzt sich wohl zusammen aus sub = unter und limes = Grenze, Schwelle, siehe die römische Wehranlage durch Germanien. Unter subliminaler Wahrnehmung versteht man nun in medienpsychologischen Kreisen das Phänomen, dass Informationen bei der Wahrnehmung zwar aufgenommen und verarbeitet werden, der Wahrnehmende sich dieser Information jedoch nicht bewusst wird. Subliminal heißt also, dass Reize dargeboten werden, die jedoch unter einer bestimmten Schwelle bleiben, was Intensität, Dauer oder Qualität anbelangt – und damit vorbewusst bleiben.

Dieses Konzept hat vor allem im Bereich der Werbung für einiges Aufsehen gesorgt, schreibt Dipl.-Psychologe Sebastian Fischer vom IWM-Institut für Wissensmedien in Tübingen in seinem Kapitel. Warum ist klar: Die Konsumenten befürchten, durch versteckte, subliminale Hinweise, beispielsweise in Kinofilmen, manipuliert zu werden. Dasselbe gilt auch für die Audiomedien.

Wissenschaftlich ist dieses Phänomen zur Fremd-, aber auch zur Selbstbeeinflussung seit langem nachgewiesen, d. h. bereits Ende des 19. Jahrhunderts experimentell untersucht. Für die breite Öffentlichkeit wurde es aber erst Mitte des 20. Jahrhunderts bekannt (Stichwort: Die geheimen Verführer, vor allem in dem Buch von Vance Packard: The Hidden Persuaders, 1957). In den kommenden Jahren gab es immer wieder Hinweise, dass vor allem in Kinofilmen für bestimmte Produkte subliminal geworben werde, nicht zuletzt durch Worte und Symbole mit sexuellen Inhalten. Das galt sogar für einige Stilrichtungen der Rockmusik. Und auch bestimmte Psychologen behaupteten, dass sie nicht nur das Selbstwertgefühl steigern, sondern sogar das Gedächtnis verbessern und selbst das Körpergewicht regulieren könnten.

Ende des letzten, des 20. Jahrhunderts wurde dazu viel geforscht (Stichwort: Priming = Bahnung). Letzten Endes ging es einfach um den Nachweis, dass durch subliminale Wahrnehmung mehr Informationen über den Stimulus (also beispielsweise ein Markenname oder Logo) verfügbar sind, als bewusst zugänglich scheinen. Oder noch deutlicher: in dem konkrete Auswirkungen auf das Verhalten nachgewiesen werden (also nach einer solchen unterschwelligen Werbung beispielsweise der Kaufanreiz). Was scheint bisher gesichert?

Es gibt eine Fülle von Belegen für das Priming (also die Bahnung – s. o.). Doch die Auswirkungen auf das Entscheidungs- und Kaufverhalten sind davon abhängig, inwieweit bereits vorher eine entsprechende Motivation vorhanden ist. Auch als Mittel zur Selbstbeeinflussung scheinen subliminale Botschaften ungeeignet.

Immerhin wird damit eines deutlich:

Wer zu etwas bereit bzw. schon vorher dazu motiviert ist, kann in seinem Verhalten tatsächlich manipuliert (in diesem Fall bestärkt) werden. Wenn also einem Durstigen der Markenname eines Getränkes subliminal dargeboten wird, dann kann das durchaus sein Entscheidungsverhalten für dieses Getränk beeinflussen. Aber – wie gesagt – nur dann, wenn der dargebotene Reiz ein geeignetes Mittel zur Erreichung eines bestehenden Zieles darstellt, wie es die Wissenschaftler ausdrücken.

Interessant auch die Erkenntnis, dass auch die Gemütslage (Stichwort: Affekte) eine Rolle zu spielen scheint. Beispiel: Subliminal dargebotene freudige Gesichter erhöhen die anschließend getrunkene Menge eines Getränkes, während wütende Gesichter sie verringern. Aber auch hier eine Einschränkung: Dieser Effekt tritt nur bei durstigen Probanden auf.

Man sieht: Es ist alles gar nicht so einfach, auch wenn manche Wissenschaftler zwischenzeitlich mit spektakulären Ergebnissen auftreten (die sich dann später aber nicht bestätigen lassen, in einzelnen Fällen sogar als bewusste Täuschung heraus stellen, auch das gibt es). Es bleibt aber die Aufgabe, die sicher vorhandene subliminale Wahrnehmung bei der Lenkung der Aufmerksamkeit und vor allem der nachfolgenden Entscheidung weiterhin zu beforschen, insbesondere zu den Fragen: Was wird wie wahrgenommen und wie sieht schließlich das Ergebnis aus (also die Verhaltensänderung im Sinne von Kaufen oder nicht).

Die Medienpsychologie wird uns dabei helfen, nicht allzu blauäugig zu reagieren. Wenn sie das noch allgemein verständlich tut, was eigentlich der End-Sinn wissenschaftlicher Bemühungen sein sollte, dann haben wirklich einen Gewinn (VF).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
Beachten Sie deshalb bitte auch unseren Haftungsausschluss (s. Impressum).