Heidi Möller, St. Doering (Hrsg.):
BATMAN UND ANDERE HIMMLISCHE KREATUREN
Nochmals 30 Filmcharaktere und ihre psychischen Störungen
Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg 2010. 405 S., 64 Abb. € 39,95.
ISBN: 978-3-642-12738-8
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Die meiste (Un-)Kenntnis über seelische Störungen und ihre psychosozialen Folgen bezieht die Allgemeinheit aus den Medien. Da mögen die Print-Medien noch führen, doch das Zwischenglied Internet mit seinen vielfältigen Möglichkeiten holt auf. Doch nach wie vor am plastischsten und damit eindrücklichsten sind und bleiben Filme, ob Video, Fernsehen oder Kino. Auf diesen Ebenen, insbesondere letzterer, entscheidet sich dann die persönliche Einstellungs-Richtung zu Psychiatrie (und nebenbei den dort Tätigen), psychischen Störungen und schließlich seelisch Kranken.
Die war früher negativ, um nicht zu sagen katastrophal und verheerend für die Betroffenen und scheint sich heute ein wenig abmildernd zu modifizieren. Dies allerdings vor allem für „moderne“ psychiatrische Krankheitsbilder und ihre Grenzgebiete wie Belastungsreaktionen, Burnout, Innere Kündigung, Arbeitsplatzphobie u. a. (denn hier ist es weniger der Patient mit seinem seelischen Defizit, eher die Gesellschaft, der „gnadenlose Umgang“ im Berufsleben und ihre Überforderung u. a.). Eine mittlere Verständnis-Position nehmen inzwischen die Depressionen und Angststörungen ein (vor allem weil sie zahlenmäßig so zunehmen, dass man sie nicht mehr einer „kranken Minderheit unserer Bevölkerung“ anlasten kann). Die Altersleiden beginnen inzwischen ihre eigene Position zu beziehen, schließlich will jeder alt werden – und muss dann mit entsprechenden Folgen rechnen (Stichwort Alzheimer). Nach wie vor gnadenlos unverständig und abwertend ist die Position der Suchtkrankheiten, Persönlichkeitsstörungen (früher Psychopathien genannt, das musste man schon als diskriminierenden Fachbegriff ändern) und vor allem von psychotischen oder zumindest psychose-nahen Erkrankungen (von der Schizophrenie über die schizoiden/ schizotypischen u. a. Persönlichkeitsstörungen bis zur Borderline-Störung).
Warum dieser Exkurs? Weil auch die Medien-Gestalter, also die Ideen-Geber, Drehbuch-Autoren, Regisseure und finanzierenden Entscheidungsträger merken, dass die „kranke Seele Konjunktur hat“ und vor allem nicht nur aus schizophrenen Gewalttätern mit flackerndem Blick, wirrem Gerede und würgenden Attacken besteht.
So konnte es auch nicht ausbleiben, dass sich die für diese Leiden zuständigen Experten mit diesem Thema beschäftigten. Wobei es wieder einmal nicht die Psychiater oder Nervenärzte sind, die sich solchen, letztlich wichtigen bis entscheidenden (Er-)Kenntnis-Fragen zuwandten, sondern in diesem Fall die Herausgeber Prof. Dr. Heidi Möller vom Fachbereich Sozialwesen, Theorie und Methodik der Beratung an der Universität Kassel sowie Prof. Dr. Stephan Doering vom Bereich Psychosomatik in der Zahnheilkunde am Universitätsklinikum Münster. Sie brachten schon in ihrem ersten diesbezüglichen Band unter dem Titel Frankenstein und Belle de Jour im Jahr 2008 im Springer-Verlag einen Sammelband zu diesem Thema heraus, von dem sie sich einiges Interesse versprachen – und von der überbordenden Resonanz dann doch selber überrascht waren. Man hätte es wissen können, das Medium Film geht einfach am meisten unter die Haut. Und wenn es anschließend zur Konsultation eines guten Sach- oder halbwegs verständlichen Fachbuches anregt, dann ist damit mehr erreicht, als vermutlich so manche dann doch schwer verständliche fachärztliche Konsultation zu erbringen vermag. Dies gilt übrigens nicht nur für Patienten und ihre Angehörigen, sondern auch für die Therapeuten selber, die damit einen leichteren Interpretations- und psychoedukatorischen Weg und Erfolg erreichen können.
Um es kurz zu machen: Auch der zweite Band Batman und andere himmlische Kreaturen wird das gleiche Interesse wecken. Damals waren es fast 40 Experten, die anhand von 30 Spielfilmhelden den Hergang schilderten und seine sozialen und psychodynamischen Hintergründe erörterten. Jetzt sind es noch mehr Experten aus ganz unterschiedlichen Disziplinen, also nicht nur Psychiater, Psychosomatiker, Psychotherapeuten, Psychologen, sondern auch Philologen (vor allem Germanisten), Soziologen, Forensiker, Politologen, Frauenärztinnen, Pädagogen, Philosophen, Religionswissenschaftler, Heilpädagogen, Literaturwissenschaftler u. a.
Herausgekommen ist wiederum ein überaus spannender Band zu Filmen, die nach der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen – ICD-10 in die Sparten organische Störungen, psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (Sucht), Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen, affektive Störungen (Depressionen), neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen, Verhaltensauffälligkeiten in Verbindung mit körperlichen Störungen, Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen unterteilt werden.
Was ist neu am zweiten Band? Sicher weniger homogen oder gar enzyklopädisch wie Band 1, dafür spannend, selbst wenn mehrere ähnliche Leiden beschrieben werden, weil dadurch auch mehrere Gesichtspunkte in Erscheinung treten (vom biologischen Hintergrund bis zur Vielzahl möglicher Auslöser). Ein interessanter Schwerpunkt ist Sexualität und Intimität, offenbar ein Phänomen unserer Zeit, zumindest was das (ja die Auswahl doch mitbestimmende) Allgemein-Interesse betrifft.
Auf jeden Fall ist auch der zweite Band lesenswert und informativ. Und wenn man vielleicht ein wenig schmunzeln muss, wenn die Herausgeber im Vorwort meinen: „Wir hoffen, dass Batman und andere himmlische Kreaturen für Sie, liebe Leserin und lieber Leser, Begleiter auf einer Reise in Ihr eigenes Inneres sein können“, dann haben sie vielleicht sogar recht, zumal in der Tat für viele Menschen gerade die Film-Welten jene Plattform sind, in denen sie auf diese Weise dem einen oder anderen heimlichen oder unheimlichen Anteil ihres Ichs begegnen können (Zitat).
Das war so, das ist so, das wird so bleiben – und damit Verlag und Herausgeber einen dritten Band nahe legend. Eine in der Tat sinnvolle Weise, mit der folgenschwersten Krankheitslast der Zukunft besser fertig zu werden, nämlich psychischen Störungen (VF).
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