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Gert Kowarowsky:
DER SCHWIERIGE PATIENT
Kommunikation und Patienteninteraktion im Praxisalltag
Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2005. 179 S. inkl. CD-ROM, € 26,00.
ISBN 978-3-17-018889-1

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Wenn ein Mensch einen anderen um Rat oder Hilfe fragt, muss das nicht unbedingt gut ausgehen – sowohl als auch. Da kennt jeder genügend Beispiele selber. Wenn hingegen ein körperlich oder seelisch Erkrankter einen Spezialisten um professionelle Hilfe bittet, dann dürfte dies keine Probleme aufwerfen – sollte man meinen. Doch auch hier sieht die Wirklichkeit anders aus, reichlich anders, sagen die Ärzte, Psychologen und alle anderen therapeutisch tätigen Fachbereiche aus wiederum eigener Erfahrung.

Und da dies so häufig ist, mehr als man eigentlich vermutet und weil gerade eine solche Situation reichlich Unbehagen verbreitet, auch für diejenigen, die es nicht betrifft (aber durchaus einmal selber betreffen könnte), gibt es zahlreiche Fachbeiträge in allen Sprachen zu diesem Thema. Und eine erstaunliche Fülle von Büchern, von allgemein-verständlich bis hochspeziell. Eine Auswahl dazu siehe im nachfolgenden Kasten.

Die schwierige Patient-Therapeut-Beziehung – eine Übersicht *

R. A. Bryan, L. Childers: Handling Difficult Patients. Marblehead 2004

E. Bucka-Lassen: Das schwere Gespräch. Köln 2005

St. Czypionka: Umgang mit schwierigen Partnern. Frankfurt 2003

H. Dahmer, J. Dahmer: Gesprächsführung. Stuttgart 2003

M. Dorfmüller: Die ärztliche Sprechstunde. Landsberg/Lech 2001

N. B. Enkelmann: Die Sprache des Erfolgs. Wien 2007

Evangelische Akademie Hofgeismar: Therapie: Bündnis zwischen Arzt und Patient. Protokoll 1983

St. Etrillard: Kleine Katastrophenkunde. Paderborn 2005

I. Freundenthaler: Der zufriedene Patient. Berlin-Heidelberg-New York 2002

L. Geisler: Arzt und Patient – Begegnung im Gespräch. Frankfurt 2002

Th. Gehm: Kommunikation im Beruf. Weinheim und Basel 1999

U. Haeske: Kommunikation mit Kunden. Berlin 2004

B. Herzog: Arzt-Patient-Kommunikation. Saarbrücken 2007

R. E. Hoobermann, B. Hoobermann: Managing the difficult patient. Madison 1998

M. Klinger u. Mitarb.: Der begeisterte Patient. Wien 2002

P. P. Kutscher, H. Seßler: Kommunikation – Erfolgsfaktor in der Medizin. Heidelberg 2007

M. Müller: Der starke Auftritt. Eichborn 2002

RDM The Results-Driven-Manager: Face-to-Face communications for Clarity and Impact. Boston 2004

R. R. Riedel u. Mitarb.: Wirtschaftlich erfolgreich in der Arztpraxis. Köln 2005

Th. Ripke: Patient und Arzt im Dialog. Stuttgart 1994

K. Rockenbauch u. Mitarb. (Hrsg.): Kompetent kommunizieren in Klinik und Praxis. Lengerich 2006

G. Schlicht: Organisation und Management in der Arzt- und Zahnarztpraxis. Jena-Stuttgart 2004

F. Schulz von Thun: Miteinander Reden 1. Reinbek bei Hamburg 2005

V. Schumpeldick, B. Vogel (Hrsg.): Arzt und Patient. Freiburg 2006

A. Schweickhardt, K. Fritzsche: Kursbuch ärztliche Kommunikation. Köln 2007

E. Sohr: The difficult patient. Miami 1996

W. Simon: Gabals großer Methodenkoffer. Grundlagen der Kommunikation. Offenbach 2007

K.-D. Thill: Konfliktbewältigung in der Arztpraxis. Köln 2004

K.-D. Thill: Marketing in der Arztpraxis. Köln 2005

K.-D. Thill: Professionelles Management. Köln 2002

M. Vieten (Hrsg.): Handbuch der Arzthelferin. Stuttgart 2002

P. Watzlawick u. Mitarb.: Menschliche Kommunikation. Bern 2007


*Auswahl von Joachim Sandner, Forthe, Köln 2009


Das Buch des Diplom-Psychologen G. Kowarowsky, niedergelassener Psychologischer Psychotherapeut mit Schwerpunkt in Verhaltenstherapie, Kognitiver Verhaltenstherapie und Rational-Emotiver Therapie, Lehrtherapeut der DGVT, ist ein solches Beispiel. Ein gutes, weil ernüchterndes Beispiel, in dem der Autor mit bald drei Jahrzehnten therapeutischer Erfahrung – auf seinem Foto im Buch verschmitzt lächelnd, warum, das wird bei der Lektüre bald klar –, dem frustrierten Therapeuten sofort den entscheidenden Zahn zieht. Und der lautet:

Den schwierigen Patienten gibt es nicht. Es gehören immer zwei dazu.

So, das wär´s. Und wer sich jetzt als nicht verstanden fühlt („typisches Psychologen-Geschwätz, die sollten halt einmal so richtig schwierige Patienten übernehmen müssen…“), der legt das Buch ungelesen beiseite. Und das ist schade.

Denn dass es schwierige Menschen und damit auch Patienten gibt, in körperlicher Hinsicht und in seelischer allemal, das bedarf keiner Diskussion. Doch dass es schwierige Konstellationen bei einem Therapeuten gibt, möglicherweise immer wieder, das sollte schon zu denken geben. Deshalb auch das einleitende Zitat:

„Schwierige Patienten sind meistens Patienten, die bei den Helfern negative Gefühle auslösen, ihnen also Schwierigkeiten machen“. Hier bereits die feine Differenzierung, die aber elementar ist: schwieriger Mensch oder schwierige zwischenmenschliche Situation (fachlich: Interaktions-Prozess)? Da fügt sich dann gleich nahtlos die Mahnung an, das „wichtigste Werkzeug derer, die mit Menschen arbeiten, nicht zu vernachlässigen: das Mitgefühl“. Der kranke Mensch und der schwierige Patient ganz besonders brauchen vor allem Liebe, Fürsorglichkeit und Mitgefühl.

Das allerdings ist – so der zutreffende Einwand – leicht gefordert, aber schwer zu realisieren, besonders in Stress-Situationen. Und die gibt es immer häufiger, sind schon bald Alltag. Unter Stress schmelzen solche Postulate (bzw. Eigenschaften) wie Butter auf einer heißen Kartoffel. Was also tun?

Unter Druck und dann noch süchtige, depressive, narzisstische, Borderline-, hysterische, aggressiv-entwertende, hypochondrische, zwanghafte u. a. Patienten? Ganz zu schweigen von dem, was man früher eine Psychopathie und heute eine Persönlichkeitsstörung nennt, z. B. schizoide, paranoide, dissoziale (antisoziale), negativistische, depressive, histrionische, zwanghafte, narzisstische, Borderline-, dependente (krankhaft abhängige), ängstlich-vermeidende, schizotypische Persönlichkeitsstörungen. Wobei der Psychiater noch eine Reihe weiterer Krankheitsbilder zu verkraften hat, man denke nur an schizophrene und rauschgiftsüchtige Patienten (z. B. im Entzug), von den „neuen“ Leidensbildern (die aber auch schon so alt sind wie alle anderen, nur unter vergessenen Namen) wie Burn-out, Arbeitsplatzphobie, posttraumatische Belastungsstörung, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS – auch und vor allem im Erwachsenenalter) ganz zu schweigen.

Das praxis-bezogene Fachbuch von G. Kowarowsky geht auf das Meiste sehr konkret ein, spart auch nicht „heiße“ Themen aus wie „der schwierige Helfer“ (also nicht nur der schwierige Patient) und wirkt tatsächlich hilfreich-unterstützend mit seiner „Rezeptsammlung – das Beste aus Theorie und Praxis“.

In Stichworten: Ich will auf mich selber achten; es soll mir Vergnügen bereiten; während ich im Kontakt mit mir selber bleibe, bleibe ich im Kontakt mit dem Patienten; gangbare Wege erkennen und nutzen; viel über Kommunikation lernen und dieses Wissen auch im Alltag anwenden; Flexibilität erhöhen; Gefahren vermeiden, bevor sie eintreffen; irrationale Überzeugungen über Bord werfen; und natürlich: Selbst-Fürsorge, und zwar pragmatisch.

Das Ganze ist gut lesbar aufbereitet, vor allem was die Fallbeispiele anbelangt (nicht ohne Humor und auch Selbst-Ironie!). Der Autor ist sich für die banalsten Erkenntnisse, Hinweise und Empfehlungen nicht zu schade (weil die bekanntlich am meisten stressen: „mit was soll ich mich eigentlich noch alles beschäftigen?“). Den Abschluss bildet ein Fragebogen zur Selbst-Supervision, eine „geerdete“ Literaturübersicht, die nicht nur englisch-sprachige Beiträge aufsummiert, ein ordentliches Sachwortverzeichnis, Adressen für qualifizierte Selbst-Erfahrungsangebote, eine Checkliste (was mir wichtig ist) sowie einen Jahres-, Monats- und Wochenplaner. Und für den modernen Rezipienten nicht zu vergessen: ein fundiertes CD-ROM-Angebot.

Das Buch macht Spaß (das steht schon im Geleitwort) und schärft vor allem die „Wahr“-nehmungen, indem es die „frustrierenden Tatsachen“ und subjektiven Erlebnisweisen relativiert. Es vergrößert den Handlungs-Spielraum des Helfenden und – Burn-out lässt grüßen – rettet vor emotionalen Sackgassen. Empfehlenswert (VF).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
Beachten Sie deshalb bitte auch unseren Haftungsausschluss (s. Impressum).