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H. Lungwitz:
Überarbeitet und herausgegeben von R. Becker
DIE PSYCHOBIOLOGIE DER SPRACHE
Mit einem Anhang: Beispiele zur biologischen Wortverwandtschaft
Thieme-Verlag, Stuttgart-New York 2010, 3. erw. Aufl., 511 S., € 89,95.
ISBN: 978-3-13-154263-2

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Ein Fachbuch für Fachleute, gewiss, aber auch faszinierend für Interessenten jeglicher Disziplin, wenn ihnen zweierlei von Bedeutung ist: Zum einen die menschliche Sprache als Teil des menschlichen Denkens, hier vor allem psychophysiologisch bzw. cerebral gesehen (?Sprachentwicklung ist Hirnentwicklung?). Zum anderen die beispielhafte Persönlichkeit eines Wissenschaftlers vom früheren Schlage, wie man es heute nicht mehr finden kann (weil es auch die Fülle der Erkenntnisse einfach nicht mehr zulässt).

Zuerst zu Letzterem: 1933 erschien erstmals ?Die Psychobiologie der Sprache? von Hans Lungwitz (1881 - 1967). Als 3. Band des über 5.000 Seiten zählenden ?Lehrbuchs der Psychobiologie? (1933 bis 1956), in der der Autor, der alte Sprachen und Medizin studiert hatte, seine Erkenntnisse aus beiden Disziplinen zu einer umfassenden Anthropologie vereinte. Das war eines der Meilensteine in deutscher Sprache (siehe auch L. Bloonfields Language, New York 1933) aus der für die Sprachwissenschaften so ergiebigen Zeit der 20-er und 30-er Jahre des 20. Jahrhunderts.

Die von R. Becker in 3. Auflage überarbeitete psychobiologische Wortkunde geht über eine philologische Beschreibung im herkömmlichen Sinne weit hinaus, wie im Vorwort treffend ausgeführt wird. Sie umfasst die verschiedenen Schreibweisen, d. h. die pragmatischen, ethischen und ästhetischen, ergänzt durch die biologische Morphologie der Buchstaben und Wörter, die Physiologie und Pathophysiologie ihrer Entstehung, einschließlich des Sprechens und Schreibens, Hörens und Lesens.

H. Lungwitz faszinierten vor allem die biologischen Zusammenhänge zwischen Individuum, Wort und Wort-Analyse, die so genannte Bedeutungs-Lehre. Da geht es nicht nur um die Frage, welchen Gegenstand ein gewisses Wort in den verschiedenen Sprachen bezeichnet, sondern wie es zu verstehen ist, dass dieses Wort gerade diesen Gegenstand bezeichnet, dass diese bestimmte Buchstabenreihe so lautet, wie sie lautet und wieso eine gewisse Funktion gerade mit dieser Buchstabenreihe einer bestimmten Wortbedeutung beschrieben wird. Der vielseitig und vor allem interdisziplinär (aus-)gebildete Autor widmete in seiner Sprach-Biologie vor allem den Wortgefühlen viel Raum, gefolgt von optischen und akustischen Bezeichnungen der Sinnes-Gegenstände sowie von den Wortbegriffen, der „inneren Sprache“.

Man kann sich denken, dass man einer solch inhaltlich breiten Übersicht mitunter kaum zu folgen vermag (wobei auch der Stil von früher zur flüssigeren Lesbarkeit da und dort von R. Becker behutsam angepasst wurde). Auch kann man das als psychobiologisches Lehrbuch der Sprache konzipierte Werk nicht einfach von vorne nach hinten durchlesen. Als Nachschlagewerk ist es allerdings hervorragend geeignet (wozu auch ein ergiebiges Sachverzeichnis beiträgt) und als historische Grundlage eigentlich unverzichtbar. Wobei man wieder bei der Einleitung wäre, um nochmals die größte Hochachtung vor der geistigen Leistungsfähigkeit der damaligen Autoren und ihrer weiten Sichtweise zu äußern, die – wie wir inzwischen als Experten für „kleine Ausschnitte“ wissen –, durchaus ihren anregenden Wert haben (VF).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
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