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Th. C. Baghai, R. Frey, S. Kasper, H.-J. Möller (Hrsg):
ELEKTROKONVULSIONSTHERAPIE
Klinische und wissenschaftliche Aspekte
Springer-Verlag, Wien-New York 2004. 478 S., 16 Abb., € 79,80
ISBN: 3-211-83879-1

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„Elektrokrampf ist keine Therapie“, wer kennt ihn nicht, diesen ernüchternden, ja abstrafenden Satz, der der „Anti-Psychiatrie-Bewegung“ zugeschrieben wird. Es ist allerdings auch eine Wertung, die selbst einem der Psychiatrie wohlgesonnenen Laien nicht ganz abwegig erscheint. Was man über die Elektrokonvulsionstherapie (EKT) weiß, tendiert eher Richtung „Elektroschock“ als zur „Durchflutungsbehandlung“. Und wenn dazu noch ein (im Übrigen gut gemachter) Film wie „Einer flog über das Kuckucksnest“ einschlägt, dann hat auch die Wissenschaft keine Chance, von der klinischen Psychiatrie ganz zu schweigen, auch wenn die „Irrenhäuser“ von früher heute moderater bezeichnet werden.

Konkrete Einzelheiten – komprimiert und auf therapie-resistente Depressionen konzentriert – finden sich in dem entsprechenden Kapitel über die Elektrokonvulsionstherapie (EKT) in dieser Serie.

Wer es aber ausführlich will, von über 40 Experten selber, detailliert und umfassend zugleich, dem sei dieses Buch empfohlen.

Es beginnt mit der Geschichte der Elektrokonvulsionstherapie (und einem überraschendem Erkenntnis-Zugewinn, selbst für ansonsten gut informierte Psychiater) und wagt sich gleich in die „Höhle des Löwen“ mit dem Kapitel: Die öffentliche Meinung zur Elektrokonvulsionstherapie. Das ist übrigens eines der spannendsten Kapitel – was nebenbei sehr nachdenklich machen kann, gerade weil es sich um Patienten in größter Gesundheits-Not handelt. Gleichwohl: Es folgt eine Übersicht über die Anwendung in den deutschsprachigen Ländern und kommt dann zu den wissenschaftlichen Grundlagen: Wirksamkeitsnachweis, Studien zur Steigerung von Effizienz und Verträglichkeit, biologische Grundlagen, die Anwendung bildgebender Verfahren und schließlich die derzeit in der Diskussion stehende repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS).

Der Kern des Buches sind die klinischen Aspekte, beginnend mit den Indikationen, wie sie u. a. in anderen Nationen schwerpunktmäßig gesehen werden, verbunden mit einer z. T. überraschenden Ausweitung der möglichen Heilanzeigen und geht bis zu rechtlichen und ethischen Aspekten. Wichtig die Möglichkeiten und Grenzen aus anästhesiologischer Sicht (Narkose), die früheren und heutigen Techniken im klinischen Alltag und schließlich die Auswirkungen, das inzwischen am häufigsten diskutierte Thema, insbesondere was die kognitiven (geistigen) Folgen anbelangt. Eindrucksvoll die heutigen Sicherheitsrichtlinien mit speziellen internistischen, neurologischen und geriatrischen (Alters-)Risiken und sicher für manchen erstaunlich das Thema: Elektrokonvulsionstherapie während Schwangerschaft und Wochenbett.

Im speziellen Teil geht es vor allem um depressive und manische Episoden, akute Katatonien (bei schizophrenen Erkrankungen) und schließlich eine Behandlungs-Strategie, die möglicherweise noch nicht in der Allgemeinheit realisiert wurde: Elektrokonvulsionsbehandlung als Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe (Rückfallverhütung).

Das Buch ist ein Fachbuch, geschrieben für Ärzte, am ehesten Nervenärzte, Psychiater und Neurologen. Es dürfte derzeit das Fachbuch in deutscher Sprache sein, fundiert (umfassende Literatur-Hinweise nach jedem Kapitel), mit einem effizienten Sachverzeichnis und zahlreichen Tabellen ausgerüstet.

Das Buch könnte aber auch ein politischer Beitrag sein (wobei dann endlich auch einmal die Honorierung durch die Kassen konkrete Gestalt annehmen dürfte), doch dazu wird es nicht kommen. Es ist eine alte Erkenntnis, dass ein zwiespältiger (oder schlecht gemachter) Ruf gnadenlos anhängt. Alles, was sich bei der Elektrokrampfbehandlung in den letzten Jahrzehnten als Vorteil erwiesen hat, von der immer schonender werdenden Technik ganz zu schweigen, ist an der Allgemeinheit vorbeigegangen. Das könnte man als Facharzt schicksalhaft hinnehmen, wenn es nicht einer sicher überraschend großen Zahl von psychisch Kranken einen therapeutischen Lichtblick verschaffen würde – der aber zumeist nicht kommt und damit das jeweilige Schicksal besiegelt.

Im Februar 2009 kam im Fernsehen ein gut gemachter Spielfilm über die posttraumatische Belastungsstörung eines jungen Unteroffiziers nach Afghanistan-Einsatz. Das hat ein Echo nach sich gezogen (einschließlich politischer Überlegungen), wie alle Jahrzehnte zuvor nicht.

Es ist und bleibt offensichtlich das Fernsehen, das die Menschen am meisten bewegt oder gar aufrüttelt, ansonsten (weitgehend) nichts.

So kann man eigentlich nur wünschen, dass auch eines Tages die Elektrokonvulsionstherapie ein objektiv gesonnenes Film-Team findet, das sich dieses Themas ähnlich annimmt. Dabei darf ruhig auch der durchaus „rüde“ Beginn vor mehr als 70 Jahren zur Sprache bzw. ins Bild kommen (erschreckende Nebenwirkungen, weil ohne Narkose!). Dafür aber auch die technische Entwicklung und der therapeutische Segen in allen jenen Fällen, in denen dann ein tatsächlich gnadenloses Krankheitsbild ohne jeglichen Behandlungs-Erfolg vielleicht doch noch eine entlastende Wendung gefunden hat (VF).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
Beachten Sie deshalb bitte auch unseren Haftungsausschluss (s. Impressum).