Prof. Dr. med. Volker Faust Psychosoziale Gesundheit von Angst bis Zwang Seelische Störungen erkennen, verstehen, verhindern, behandeln |
DEPRESSIONEN - TEIL 3:[Download als PDF-Datei]· MEDIKAMENTÖSE BEHANDLUNG DER DEPRESSIONEN Synthetische ("chemische") Antidepressiva - das antidepressive Pflanzenheilmittel Johanniskraut - Arzneimittel zur Rückfallverhütung: Lithiumsalze - Carbamazepin - Valproinsäure · ANHANG: NICHT-MEDIKAMENTÖSE BEHANDLUNGSMÖGLICHKEITEN Schlafentzug - Lichttherapie - Elektrokrampfbehandlung - Physikalische Behandlungsmaßnahmen (Hydrotherapie, Schulter- und Nackenmassage, Kneipp´sche Anwendungen, medizinische Bäder u.a.) - Entspannungsübungen (Autogenes Training, Yoga, progressive Muskelrelaxation) - Beschäftigungs- und Arbeitstherapie
In der Medizin unterscheidet man Arzneimittel mit Wirkung auf das Seelenleben im weiteren Sinne (Fachbegriff: psychotrope Pharmaka) und solche im engeren Sinne, also die eigentlichen Psychopharmaka. Zu den Psychopharmaka zählt man die Antidepressiva, also Arzneimittel mit stimmungsaufhellender Wirkung, ferner Beruhigungsmittel, Neuroleptika und Psychostimulanzien (aktivierende Arzneimittel, die heute nur noch selten eingesetzt werden, z. B. beim hyperkinetischen Syndrom im Kindes- und Jugendalter = "Zappelphilipp"). Weitere Einzelheiten über die Psychopharmaka siehe die speziellen Kapitel über Antidepressiva, Neuroleptika, Beruhigungsmittel u.a. Eine Mittelstellung nehmen inzwischen die sogenannten Phasen-Prophylaktika ein. Das sind Substanzen wie Lithiumsalze, Carbamazepin und Valproinsäure, die auch andere Anwendungsgebiete erfolgreich abdecken (z. B. epileptische Krampfanfälle), immer häufiger und erfolgreich aber zur Therapie und vor allem Rückfall-Vorbeugung depressiver Störungen (und manischer Hochstimmungen) verwendet werden. Weitere Arzneimittel, die das Erleben und Verhalten verändern können, sind Schlaf-, Schmerz- und Betäubungsmittel, Antiepileptika gegen Krampfanfälle, Antiparkinsonmittel gegen die Schüttellähmung, Medikamente, die den Gehirnstoffwechsel anregen sowie bestimmte Pflanzenheilmittel. Schließlich entwickeln manche Arzneimittel seelische Effekte als Nebenwirkung, die entweder stören oder entsprechend nutzbar gemacht werden können. Dazu gehören bestimmte entzündungshemmende, muskelentspannende, fieber- und blutdrucksenkende sowie antiallergische Substanzen. Im folgenden seien kurz jene Arzneimittel aufgeführt, die bei einer Depression eingesetzt werden - gezielt oder irrtümlich, denn auch das gibt es.
Depressionen zeigen sich nur selten sofort als "klassische Melancholie", so wie man sich in der Regel eine Schwermut vorstellt. Depressionen täuschen oft: den Betroffenen, seine Angehörigen, mitunter sogar kurzzeitig den Arzt. Denn Depressionen äußern sich vordergründig vor allem im körperlichen Bereich und haben häufig zwischenmenschliche und berufliche Folgen. Die seelischen Krankheitszeichen sind den Betroffenen lange nicht bewusst oder bleiben zumindest im Verborgenen. An eine Depression denkt man nur selten - oder man verdrängt diesen Verdacht. Kein Wunder, dass bei einer Depression oft erst einmal eine Reihe anderer Arzneimittel eingesetzt wird, bevor man schließlich zu der Erkenntnis kommt: Es hilft alles nichts, vielleicht handelt es sich tatsächlich um eine seelische Krankheit, wenn nicht gar eine Depression. Welche Medikamente werden nun häufig und leider meist erfolglos versucht, bis die Diagnose einer Depression eindeutig feststeht? Schlafmittel (Hypnotika) Fast alle depressiven Patienten leiden unter Schlafstörungen: Ein- und Durchschlafstörungen sowie das zermürbende Früherwachen mit Berg auf der Brust und Panik vor dem kommenden Tag. Schlafstörungen können mehrere Gründe haben, die es erst einmal herauszufinden gilt. Um aber "nicht völlig von Kräften zu kommen", versuchen es viele Betroffene zunächst mit Schlaftabletten. Das ist kein Fehler. Bald aber muss auch klar werden, um welche Ursache es sich handelt. Nicht selten ist es eine bisher verkannte Depression. Manche Patienten leiden übrigens nicht an einem Schlafdefizit, sondern schlafen sogar länger als sonst, vor allem in der dunklen Jahreszeit. Ihr Schlaf ist jedoch unerquicklich und die Leistung sinkt trotz allem ab. Auch das kann eine Depression sein, eine sogenannte saisonale oder Winterdepression (Einzelheiten siehe das entsprechende Kapitel). Auf jeden Fall regelt sich bei einer medikamentösen Depressions-Therapie der Schlaf nicht nur über Schlaftabletten. Oft reicht auch ein schlafanstoßendes Antidepressivum, das beide Aufgaben übernimmt: Stimmungsaufhellung und Schlafförderung (siehe später). Schmerzmittel (Analgetika) Depressionen können sich in vielfältigen schmerzhaften Beeinträchtigungen äußern, teils ohne Grund, teils als Verstärkung eines vorbestehenden Schwachpunktes: Kopfschmerzen, Muskelverspannungen im Schulter-Nacken-Bereich, Herzbeschwerden (Stechen, Brennen, Druck), Rücken-, Gelenk- und Muskelschmerzen, meist diffus und wandernd. Dazu allgemeine Missempfindungen wie Ziehen, Brennen, Reißen u. a. Die Patienten greifen zermürbt zu Schmerztabletten und müssen bald resigniert feststellen: Es hilft alles nichts. Seelisch ausgelöste oder verstärkte Schmerzen sind häufig dadurch charakterisiert, dass sie die Betroffenen "so wie wenn" oder "als ob", also irgendwie "anders" empfinden. Und dass sie dann durch Schmerztabletten auch nicht zu mildern und schon gar nicht zu beheben sind, zumindest auf Dauer. Dafür versteckt sich hinter solchen diffusen und schwer deutbaren Schmerzen mitunter eine unerkannte Depression. Auch hier wäre also das Wichtigste ein Antidepressivum und nicht Schmerztabletten. Gehirnstoffwechsel-anregende Arzneimittel (Nootropika, Antidementiva) Depressionen gehen in jedem Lebensalter mit verminderter Aufmerksamkeit, verstärkter Energielosigkeit, zunehmender Entscheidungsunfähigkeit, vor allem aber mit Merk- und Konzentrationsstörungen einher. Das Denken wird langsam, umständlich, mühsam, einfallsarm, die Vergesslichkeit nimmt bedenkliche Formen an. Zuletzt geraten die Betroffenen regelrecht in Panik, weil "ihr Kopf völlig leer ist". Das setzt schon jungen Leuten zu. Im höheren Lebensalter aber quält eine besondere Angstvorstellung: Die Furcht, eine Demenz, vor allem die am häufigsten zitierte Alzheimer´sche Demenz, also eine vorzeitige Geistesschwäche zu bekommen, aus der es kein Zurück mehr gibt. Wenn es sich um eine depressive Denkerschwernis handelt, nennt man das in Fachkreisen auch eine "depressive Pseudo-Demenz", weil sie einer wirklichen Geistesschwäche so täuschend ähnlich sieht. Es gibt aber einen wesentlichen Unterschied: Die echte Demenz schreitet meist fort. Die geistige Beeinträchtigung durch eine Depression dagegen hellt sich wieder auf, wenn die Depression zurückgeht. Bevor man aber die Diagnose einer Depression ins Auge fasst, vor allem weil nur wenige wissen, dass Depressionen mit Merk- und Konzentrationsstörungen sowie unfassbarer Vergesslichkeit einhergehen, verlangen viele Betroffene (und ihre Angehörigen!) vom Arzt eine Behandlung mit Arzneimitteln, die den Gehirnstoffwechsel anregen ("die Gehirndurchblutung verbessern"). Selbst wenn der Arzt die Depression erkennt und eine gezielte Behandlung mit Antidepressiva vorschlägt, muss er oftmals immer noch gegen die irrige Meinung ankämpfen, hier würden nur "Gehirntabletten" weiterhelfen. Bei einer echten Demenz hat ein solcher Behandlungsversuch seine Berechtigung. Bei einer Depression aber bringen nur Antidepressiva die alte Denkleistung wieder zurück. Psychostimulanzien (Weckmittel) Ein ähnliches Problem ergibt sich bei der Bitte um aktivierende Medikamente. Psychostimulanzien oder Weckmittel wurden früher häufiger eingesetzt, waren eine zeitlang als Medikamente praktisch bedeutungslos und haben sich erst in letzter Zeit wieder als wirkungsvolle Hilfe beim hyperkinetischen Syndrom ("Zappelphilipp") im Kindes- und Jugendalter herausgestellt - und zwar ohne Suchtgefahr! In der Rauschdrogenszene spielen sie aber nach wie vor eine bedenkliche Rolle, vor allem um die drogenbedingte Mündigkeit nach Haschisch, Opiaten u. a. zu überspielen. Warum soll nun ausgerechnet ein Depressiver aktivierende Medikamente verlangen? Eine Depression äußert sich fast immer in Energielosigkeit, rascher Erschöpfbarkeit, ja völliger Kraftlosigkeit. Initiative, Schwung, Antrieb, Spannkraft, Ausdauer usw. welken dahin, die Betroffenen sind willenlos bis apathisch. Ihre Leistungsfähigkeit in Haushalt und Beruf bricht völlig ein, und zwar schon nach kleinen Anstrengungen oder Routinearbeiten. Meist zermürbt noch ein qualvolles Elendigkeitsgefühl, wie bei einer schweren Grippe. Die Betroffenen sind verzweifelt - und verlangen deshalb nach aktivierenden Medikamenten, um wenigstens wieder ein Minimum an Aufgaben erfüllen zu können. Früher hat man dies tatsächlich auch mit Psychostimulanzien versucht. Doch die Folgen waren verheerend, denn dadurch werden die kümmerlichen Rest-Reserven noch schneller verschlissen. Heute weiß man: Die depressionsbedingte Kraftlosigkeit kann nur durch Antidepressiva behoben werden. Neuroleptika (Antipsychotika) Neuroleptika sind Arzneimittel, die - je nach Wirkstoff - mehr oder weniger stark antipsychotisch sowie unterschiedlich dämpfend wirken. Eine Psychose ist eine Geisteskrankheit, so wenigstens die Kurzerläuterung. In Wirklichkeit ist sie eine allgemeine psychiatrische Bezeichnung für verschiedene Formen seelischer Störung und damit auch mit einem vielschichtigen Leidensbild (bis hin zu Wahn, Sinnestäuschungen und damit entsprechenden Verhaltensauffälligkeiten, z. B. Erregungszuständen). Eine Psychose kann "endogen" sein, das heißt von innen kommen wie die schizophrene Psychose. Oder exogen, wie die traumatische Psychose nach Schädel-Hirn-Unfall bzw. die Vergiftungs-Psychose nach Rauschdrogen-Konsum. Auch gibt es Psychosen durch altersbedingte Hirngefäß-Verkalkung, Stoffwechselstörungen u. a. Sogenannte hochpotente Neuroleptika wirken gegen solche Psychosen am besten. Mittel- und niederpotente Neuroleptika haben einen geringeren antipsychotischen Effekt, dämpfen bei unruhig-gespannten Krankheitsbildern aber dafür um so wirkungsvoller. Hochpotente Neuroleptika werden bei einer Depression nur selten eingesetzt. Am ehesten dann, wenn es sich um eine sogenannte wahnhafte Depression, beispielsweise mit Versündigungs- oder Verarmungswahn handelt. Auch bei einer sogenannten schizoaffektiven Psychose, bei der Depressionen und manische Hochstimmungen sowie schizophrene Symptome gleichzeitig vorkommen, sind hochpotente Neuroleptika (zusammen mit Antidepressiva) am erfolgreichsten. Ansonsten werden niederpotente Neuroleptika bei Depressionen vor allem dann gegeben, wenn die Betroffenen so unruhig-gespannt und damit ggf. selbsttötungs-gefährdet sind, dass man sie mit einem dämpfenden Antidepressivum allein nicht ruhigstellen kann, sondern die zusätzliche Hilfe eines beruhigenden Neuroleptikums braucht. Diese Kombination ist aber begrenzt, denn nach einiger Zeit reicht die Wirkung des Antidepressivums alleine aus. Auch hartnäckige Schlafstörungen werden übrigens gerne mit dämpfenden Neuroleptika behoben, wenn es das beruhigende Antidepressivum alleine nicht schafft und Schlafmittel unerwünscht sind. Soweit sind die Neuroleptika eine wertvolle Hilfe, wenngleich bei Depressionen nur in speziellen Fällen und dann kürzer genutzt als die Antidepressiva. Zu lange, unnötig lange verabreicht, können sie nämlich selber depressive Zustände auslösen - selten zwar, aber auch nicht auszuschließen. Ein Problem können sie vor allem dann werden, wenn man sie ausschließlich gegen Depressionen einsetzt. Dies findet sich nicht selten in einer besonderen Anwendungsform: der "Wochen-Spritze". Hier werden hochpotente Neuroleptika in sehr niedriger Dosierung als Depot-Injektion verabreicht, die meist eine Woche wirkt. Dagegen ist nichts einzuwenden für bestimmte seelische und psychisch ausgelöste körperliche Beschwerden, wenn es bei einigen Injektionen bleibt. Leider werden diese "Wochen-Spritzen" aber auch bei Depressionen verabreicht, besonders dann, wenn man sich über die Diagnose noch nicht sicher ist. Das aber führt zu keiner Stimmungsaufhellung im eigentlichen Sinne. Denn zum einen haben diese "Wochen-Spritzen" keinen antidepressiven Effekt (auch wenn die Patienten zuerst ein wenig Erleichterung verspüren), das können nur die Antidepressiva. Zum anderen kann man durch einen längeren Einsatz dieser Injektionen sogar Depressionen auslösen und verstärken (siehe oben). Deshalb sei noch einmal wiederholt: Depressionen sind medikamentös nur durch Antidepressiva zu behandeln. Beruhigungsmittel (Tranquilizer) Beruhigungsmittel (Fachbegriff: Tranquilizer vom Benzodiazepin-Typ) sind bei einer Depression auch kein Ersatz für Antidepressiva, geschweige denn eine vollwertige Behandlung. Das kann nicht oft genug betont werden. Denn viele depressive Patienten und ihre Angehörigen bedrängen ihren Arzt, lieber Beruhigungsmittel statt Antidepressiva zu versuchen. Das hat mehrere Gründe: Zum einen gehören Antidepressiva zu den eher "ungeliebten" Psychopharmaka. Man fürchtet sich vor ihren Nebenwirkungen, ja sogar vor ihrer Suchtgefahr (was nicht stimmt, während Beruhigungsmittel tatsächlich abhängig machen, was meist verdrängt wird). Auch spielt hier ein psychologischer Aspekt mit herein: Niemand möchte gern krank sein, schon gar nicht seelisch krank. Beruhigungsmittel "schluckt jeder", das besagt also noch nichts. Aber wer nimmt schon Antidepressiva? Doch nur der, der seelisch krank ist. Also lehnt man die einzig richtige Behandlung ab, um sich und aller Welt zu beweisen, dass man in Wirklichkeit gar nicht krank ist, höchstens ein wenig erschöpft ... Darüber hinaus helfen Beruhigungsmittel tatsächlich oft erstaunlich schnell. Sie beruhigen, ohne völlig "niederzudämpfen" und sie lösen die Angst wie keine andere Substanz. Die Stimmung hebt sich (scheinbar) etwas und man wird angenehm gleichgültig. Das muss alles nicht falsch sein, nur darf man eines nicht vergessen: Beruhigungsmittel wirken nicht antidepressiv. Wer also eine Depression hat und nur Beruhigungsmittel einnimmt, kann nicht erwarten, dass sich seine Depression wirklich aufhellt - im Gegenteil. Längerer Gebrauch von Beruhigungsmitteln macht nicht nur abhängig, sondern kann die Depression sogar verstärken. So etwas nennt man dann eine pharmakogene, also eine durch chemische Substanzen ausgelöste, verstärkte oder verlängerte Depression. Obgleich Beruhigungsmittel also keine stimmungsaufhellende Wirkung haben, wird ihr angstlösender und beruhigender Effekt trotzdem gerne genutzt, wenn es sich um unruhig-gespannte und durch Ängste gepeinigte Depressive handelt. Dann kann die Kombination aus Antidepressivum und Beruhigungsmittel die beste Lösung sein. Nur muss man eines dabei beachten: Das antidepressive Mittel muss über Monate hinweg eingenommen werden, bis die Depression wirklich gewichen ist. Das Beruhigungsmittel wird nur so lange genutzt, bis sich Angst und Anspannung gelöst haben. Das kann schon nach kurzer Zeit der Fall sein und sollte auf jeden Fall nicht länger als einige Tage bis wenige Wochen dauern.
Psychotrope Pflanzenheilmittel Psychotrope Pflanzenheilmittel mit Wirkung auf das Seelenleben gibt es seit Menschengedenken. Von den zahlreichen Heilpflanzen werden heute vor allem folgende genutzt: Hopfenzapfen, Melissenblätter, Passionsblumenkraut und die offizinelle Baldrianwurzel mit vor allem beruhigender und ggf. schlaffördernder Wirkung. Kava-Kava-Substanzen gegen nervöse Angst-, Spannungs- und Unruhezustände. Und das Johanniskraut mit milder stimmungsstabilisierender bzw. stimmungsaufhellender Wirkung. Es ist die einzige wirkliche antidepressiv wirkende Substanz pflanzlicher Herkunft. Diese Erkenntnis hat Vor- und Nachteile. Der Vorteil liegt darin, dass (wieder) mildere und nebenwirkungsarme Antidepressiva in den Mittelpunkt des Interesses rücken. Der Nachteil besteht in ihrer Überschätzung und damit der Gefahr eines unkritischen Einsatzes. Deshalb später eine etwas ausführlichere Darstellung des antidepressiven Johanniskrauts, das sich zur Zeit wachsender Beliebtheit erfreut. Beim speziellem Interesse siehe auch das eigene Kapitel zum Thema Johanniskraut. Antidepressiva Antidepressiva sind Arzneimittel gegen depressive Zustände oder treffender: die einzigen wirklich antidepressiv wirkenden synthetischen Substanzen. Deshalb später eine umfassende Übersicht.Rückfallverhütende Arzneimittel Rückfallverhütende Arzneimittel (Fachbegriffe: Phasenprophylaktika, Rezidivprophylaktika) sind Substanzen, die - wie der Name sagt - das erneute Auftreten einer Depression verhüten sollen. Dies gilt nicht nur für die depressive Herabgestimmtheit, sondern auch für die manische "Heraufgestimmtheit", also das Gegenstück der Depression. Die drei derzeit in Deutschland verfügbaren Substanzgruppen sind die Lithiumsalze, das Carbamazepin sowie die Valproinsäure. Einzelheiten dazu siehe später. Johanniskraut - das pflanzliche AntidepressivumJohanniskraut wird schon seit Jahrhunderten gegen zahlreiche seelische und sogar körperliche Störungen genutzt. Heute wird es vor allem als stimmungsstabilisierendes und -aufhellendes Arzneimittel eingesetzt. Sein Schwerpunkt liegt auf leichteren depressiven Zuständen. Bei mittelschweren Depressionen muss man je nach Einzelfall abwägen. Schwere Depressionen, insbesondere mit "dunklen Selbsttötungs-Gedanken", sind den synthetischen Antidepressiva (siehe später) vorbehalten. Wie bei den chemischen Antidepressiva müssen auch bei Johanniskraut Dosis und Behandlungsdauer ausreichend bemessen sein. Eine zu geringe Dosierung oder eine zu kurze Behandlungsdauer verlängern das Leiden unnötig oder führen nur zu einem unzureichenden Therapieerfolg. Dass grundsätzlich alle Pflanzenheilmittel nebenwirkungsfrei sind, stimmt natürlich nicht, selbst wenn dies mitunter verbreitet wird. Dies trifft auch nicht für Johanniskraut zu, besonders seit man sich um wirksame Dosierungen bemüht. Zahl und Ausprägung möglicher Nebenwirkungen bleiben aber trotzdem günstig, vor allem im Verhältnis zu den synthetischen Antidepressiva. Die am häufigsten genannte Lichtempfindlichkeit (Fachausdruck: Fotosensibilisierung) spielt jedoch fast keine Rolle, wenn man nicht ungewöhnlich hohe Dosen schluckt, sich nicht völlig unvernünftig der Sonne aussetzt (Gebirge, Strand) oder wenn es sich nicht um ausgesprochen hellhäutige Patienten handelt, die schon in gesunden Tagen aufpassen müssen. Gelegentlich wird aber von Aufstoßen, leichter Übelkeit, Magendrücken und allergischen Reaktionen berichtet. Die Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln waren ebenfalls lange kein Thema (zumal man auch keine Wechselwirkung mit Alkohol feststellen konnte). Inzwischen ist man aber auch mit bestimmten Antikoagulanzien (Arzneimittel gegen Thrombose- und Emboliegefahr) und einer Reihe anderen Substanzen vorsichtiger (z. B. bei der "Pille"?). Auch scheint die gemeinsame Gabe von Johanniskraut und bestimmten synthetischen Antidepressiva deren Wirkstoffkonzentration im Blut abzusenken. Erfreulicherweise beeinträchtigt Johanniskraut nicht die Wachheit (Fachbegriff: Vigilanz). Das befreit von den sonst belastenden Diskussionen um die aktive Teilnahme am Verkehr bzw. um den Einsatz an entsprechend gefährdeten Arbeitsplätzen. Allerdings darf man bei einem nicht-dämpfenden Wirkstoff auch keine ausgeprägte Beruhigung erwarten. Das ist bei unruhig-gespannten Depressionen aber meist erwünscht. Zwar führt auch der reine antidepressive Effekt letztendlich zu der erhofften inneren Ruhe, doch wäre eine umgehende Dämpfung manchmal hilfreicher. Hier empfiehlt sich die Kombination mit den beruhigenden Pflanzenstoffen Baldrian, Hopfen und Melisse, die man entweder zusätzlich verordnet oder - noch praktischer - in Kombinationspräparaten nutzt. Interessant ist noch ein Phänomen, das immer häufiger zu werden droht: die saisonale oder Winterdepression. Offenbar bietet hier das Johanniskraut durch seine verbesserte Licht-Ausnützung eine wirkungsvolle Behandlungsmaßnahme über die dunkle Jahreszeit hinweg. Die synthetischen AntidepressivaEs gibt Dutzende von Antidepressiva als Handelspräparate. Entscheidend aber ist nicht der Handelsname, sondern die jeweilige Wirksubstanz bzw. der Wirkstoff. Davon gibt es schon nicht mehr so viele, etwa zwei Dutzend. Einige von ihnen wirken ähnlich, aber keinesfalls alle. Wie unterteilt man die Antidepressiva? Am häufigsten nach ihrem Wirkungsschwerpunkt. So gibt es 1. Antidepressiva, die weder merklich dämpfen noch aktivieren, 2. Antidepressiva, die einen antriebssteigernden Effekt entwickeln und 3. Antidepressiva, die vor allem beruhigen, entspannen und damit schneller angstlösend wirken. Diese Einteilung ist wichtig, damit jede Art von Depression das für sie zuständige Antidepressivum erhält. So sollen beispielsweise ängstlich-gespannte Kranke keine aktivierenden Antidepressiva erhalten, da sonst die kräftezehrende Unruhe noch weiter zunimmt, was gefährlich werden kann (z. B. Selbsttötungsneigung). Ein Problem ist der Umstand, dass manche Depressive nach außen eher müde oder gar energielos wirken, im Inneren aber unruhig und gespannt sind. Das muss man deshalb gezielt erfragen. In Ärztekreisen unterscheidet man auch nach Wirkstoff oder Stoffklasse bzw. nach biochemischer Struktur. Dort hört man dann auch Fachbegriffe wie trizyklische oder tetrazyklische sowie atypische Antidepressiva bzw. Neu-Entwicklungen wie die sogenannten selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, Monoaminooxidase-Hemmer (MAOH), sogenannte "duale" Antidepressiva u. a. Auf die Neuentwicklungen in der Antidepressiva-Forschung wird später noch einmal kurz eingegangen. Allgemeine Behandlungshinweise Vorsichtsmaßnahmen: Bei der Wahl des richtigen Antidepressivums muss man auch wissen, ob sich seine Nebenwirkungen mit einer bestimmten Krankheit nicht vereinbaren lassen, die der Patient sonst noch zu ertragen hat. Das Gleiche gilt für bestimmte Arzneimittel, die sich evtl. gegenseitig behindern oder ihre Nebenwirkungen verstärken. Dies ersieht der Arzt aus den sogenannten Fachinformationen und der Patient aus der Packungsbeilage unter den Überschriften Anwendungsbeschränkungen, Vorsichtsmaßnahmen und Gegenanzeigen. Dosierung und Dosisverteilung: Jedes Arzneimittel hat seinen speziellen Dosisbereich. Wenn man mehr nimmt, kann das die Nebenwirkungen erhöhen. Nimmt man zu wenig, kann es den Wirkeintritt, also die ja sehnlichst erhoffte Stimmungsaufhellung verlangsamen. Allerdings muss man bei der Dosis auch das Alter bzw. die Hinfälligkeit durch sonstige Krankheiten berücksichtigen. Auf jeden Fall erhöht man die Dosis langsam, denn jeder Patient reagiert anders, was man vorher kaum abschätzen kann. Das frühere Standard-Schema "3 x 1" wird übrigens immer häufiger verlassen. Aktivierende Antidepressiva beispielsweise sollten ohnehin nur vormittags, spätestens am frühen Nachmittag gegeben werden, sonst drohen Einschlafstörungen. Bei dämpfenden Antidepressiva gibt man die Hauptdosis am Abend oder vor dem Schlafengehen. Dadurch werden die Nebenwirkungen verschlafen und durch den schlafanstoßenden Effekt Schlafmittel eingespart. Bei den meisten Neuentwicklungen aus der Antidepressiva-Forschung hat sich das Einnahme-Schema allerdings stark vereinfacht: Das Arzneimittel wird nur noch einmal täglich eingenommen, weil seine Wirkung den ganzen Zeitraum bis zum nächsten Tag abdeckt. Der Wirkungseintritt aller Antidepressiva lässt in der Regel auf sich warten: eine Woche, zwei Wochen, manchmal drei Wochen bis zur sehnlich erhofften Stimmungsaufhellung. Das heißt jedoch nicht, dass das Medikament überhaupt nicht wirkt. Es braucht nur seine Zeit, bis es über den sich langsam normalisierenden Gehirnstoffwechsel "greifen" kann.
Verlauf: Außerdem verläuft die Besserung häufig wellenförmig. Das ist die Regel. Hauptsache, es zeigt sich ein genereller Aufwärtstrend. Dieser kann natürlich nicht am Gesamt-Befinden abgelesen werden. Wer fühlt sich schon auf allen Ebenen - seelisch, geistig, körperlich, beruflich usw. - "rundherum und dauernd wohl und erfolgreich". Gerade bei der Depression aber sollte man sich vor allem fragen: Welche Krankheitszeichen haben sich gebessert, welche bleiben unverändert störend, hat sich gar etwas verschlechtert? Danach bemisst sich dann die Erfolgs-Beurteilung. Denn in den meisten Fällen hat sich eine ganze Reihe von Symptomen gebessert, andere sind unverändert geblieben oder haben sich bestenfalls ein wenig abgemildert. Als letztes bessern sich erfahrungsgemäß die höheren geistigen Leistungen wie Merk- und Konzentrationskraft, Problemlösen, besonders in schwierigen Fällen, Kreativität oder schöpferisches Denken usw.
Die Behandlungsdauer liegt zwischen vier Wochen und mehreren Monaten. Ein halbes Jahr ist nicht ungewöhnlich. Selbst das Abklingen des Beschwerdebildes bedeutet noch keine vollständige Genesung. Nach Krisen- oder Überforderungssituationen kann es immer wieder zu kleineren "Einbrüchen" kommen (siehe oben). Deshalb sollte man die Therapie selbst nach Besserung noch einige Wochen fortsetzen. Das schützt vor einem ernsteren Rückfall und hilft die Reserven wieder völlig aufzufüllen. Das Absetzen der Antidepressiva darf nicht schlagartig erfolgen. Sonst drohen Absetzerscheinungen: innere Unruhe, Reizbarkeit, Missgestimmtheit, Angstzustände, Kraftlosigkeit, Schweißausbrüche, Appetitverlust, Übelkeit, Brechreiz, Erbrechen, Magen-Darm-Krämpfe, Durchfall, Schlafstörungen bzw. ängstigende Traumbilder, mitunter Kopf- und Muskelschmerzen, Schwindel, Gefühl des Zerschlagenseins sowie Bewegungsstörungen. Deshalb nur langsam "ausschleichen", um diese Folgen zu vermeiden und die seelisch-körperliche Stabilisierung zu festigen. Schwangerschaft und Stillzeit sind Behandlungsphasen, bei denen in der Regel der Hausarzt, der Nerven- und Frauenarzt gemeinsam entscheiden, ob und wie eine medikamentöse Behandlung vertretbar ist. Arzneimittel-Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Medikamenten können zu einer Verstärkung oder Abschwächung der erwarteten Wirkung einer oder beider Substanzen oder zur Verstärkung der jeweiligen Nebenwirkungen führen. Der Arzt versucht solche ungünstigen Kombinationen weitgehend zu vermeiden. Extreme Temperaturen, insbesondere Hitze bzw. Schwüle können - zusammen mit vor allem dämpfenden Antidepressiva - den Organismus überfordern. Die Folge sind Flimmern vor den Augen, Schwindel und "Schwächeanfälle". Deshalb keine Extrembelastungen (einschließlich Solarium) und bei starker Sonne den Schatten aufsuchen. Wegen der möglicherweise erhöhten Lichtempfindlichkeit entsprechende Kleidung, Hut, Sonnenschirm, Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor usw. nutzen. Genussmittel sind während einer antidepressiven Behandlung besser zu meiden: Alkohol und besonders dämpfende Antidepressiva können zu Benommenheit, Schläfrigkeit, Flimmern vor den Augen, Schwindel und "Schwächeanfällen" führen. Coffeinhaltige Getränke fördern vor allem innere Unruhe und Angstzustände. Die Folgen des Nikotins sind ebenfalls schwer abzuschätzen. Verkehr und Arbeitsplatz sind ein spezielles Problem, besonders bei dämpfenden Antidepressiva. Selbst bei einem unverschuldeten Unfall kann die Gegenseite juristische Schwierigkeiten bereiten, wenn sie - wie auch immer - herausfindet, dass "Medikamente im Spiel sind". Bei gefährlichen Arbeitsplätzen mit Sturzgefahr oder an Maschinen mit beweglichen Teilen muss die Situation genau geprüft werden. Vorsicht bei plötzlichen Versetzungen durch Urlaubs- und Krankheits-Vertretung, da wird auf solche Einschränkungen bekanntlich wenig Rücksicht genommen. Über die Suchtgefahr gibt es meist falsche Vorstellungen. Deshalb muss man sich merken:
Die früher häufiger genutzte Kombination aus einem Antidepressivum mit einem süchtigmachenden Beruhigungsmittel war eine Ausnahme. Doch auch hier machte nicht das Antidepressivum, sondern das Beruhigungsmittel süchtig. Deshalb gibt man heute - sofern es überhaupt nötig ist -, beide Substanzen getrennt, behält dann das Antidepressivum auf längere Zeit bei und schleicht mit dem Beruhigungsmittel aus, sobald es seine angstlösende und beruhigende Zusatz-Wirkung erfüllt hat. Manchmal werden auch stimmungsstabilisierende Beruhigungsmittel, die - wie alle diese sogenannten Tranquilizer -, süchtig machen können, kurzerhand als Antidepressivum bezeichnet und entsprechend eingesetzt. Das ist bedenklich. Zum einen hat kein Beruhigungsmittel diese stimmungsaufhellende Wirkung wie die eigentlichen Antidepressiva, zum anderen muss man dann auch noch mit einer Abhängigkeit rechnen, so, als ob der Depressive nicht schon Probleme genug hat. Selbsttötungsgefahr: Ausgerechnet Antidepressiva, die gegen depressive Zustände mit erhöhter Selbsttötungsgefahr eingesetzt werden, sind bei bewusster Überdosierung nicht ohne Risiko - die einen Substanzen mehr, die anderen weniger, aber grundsätzlich alle nicht unbedenklich. Dasselbe gilt auch für irrtümliche Überdosierungen, z. B. bei verwirrten älteren Menschen. Bei lebensmüden Patienten pflegt deshalb der Arzt nur die kleinsten Packungseinheiten zu verschreiben und so gut es geht zu kontrollieren, ob der Betroffene ggf. in selbstzerstörerischer Absicht Medikamente sammelt. Hier müssen vor allem die Angehörigen wachsam bleiben und die Medikamente unter Verschluss halten und selber austeilen. Nebenwirkungen Keine Wirkung ohne Nebenwirkungen, lautet die alte Regel. Solche unerwünschten Begleiterscheinungen sind nach Art und Ausprägung von vielerlei abhängig: Wirkstoff (jeder hat etwas andere Nebenwirkungen), Dosierung (je höher, desto mehr), Behandlungsabschnitt (am meisten zu Beginn), Empfindlichkeit (große individuelle Unterschiede), ggf. zusätzliche Medikamente (Arzneimittel-Wechselwirkung) sowie weitere Faktoren wie persönliche Einstellung, Aufklärungsstand und damit Belastbarkeit von Patient und Familie, ferner Einflussnahme von Bekannten, aber auch Medienberichte. Zu den wichtigsten Nebenwirkungen gehören: - Herz- und Kreislaufstörungen: z. B. Pulsbeschleunigung und Blutdrucksenkung. - Trockenheit der Schleimhäute mit Durstgefühl, Trockenheit von Mund-, Nasen- und Rachenschleimhaut, gelegentlich Blutungen. - Schweißausbrüche, und zwar unabhängig von Temperatur und Tages- bzw. Nachtzeit. - Sehstörungen, vor allem durch Verschwommensehen (Randunschärfe). - Zittern von Finger, Händen, selten auch Kopf. - Magen-Darm-Störungen, vor allem eine Verstärkung der ohnehin depressionstypischen Stuhlverstopfung, gelegentlich aber auch Durchfall sowie Verminderung der Magensaftsekretion. - Blasenentleerungsstörungen, besonders bei Vergrößerung der Vorsteherdrüse (Prostata). - Appetit- und Gewichtszunahme: Das sind zwei der wichtigsten Nebenwirkungen, die mit am häufigsten zu Kummer, Ärger und sogar Behandlungsabbruch führen. Tatsächlich gibt es Antidepressiva, die durch einen besonderen Kohlenhydrat-Heißhunger irritieren, der nicht nur Süßigkeiten, sondern auch Brot, Teigwaren usw. betrifft. - Sexuelle Störungen sind zwar depressionstypische Krankheitszeichen (häufig die ersten und meist auch als letzte zurückgehend), können aber auch durch manche Antidepressiva vorübergehend verstärkt werden. - Weitere endokrine Störungen sind Milchfluss und Zyklusstörungen bei der Frau sowie Brustbildung beim Mann. - Hauterscheinungen jeglicher Form: Ödeme (Wasseransammlungen in den Geweben von Lider, Gesicht und Fußknöchel), Juckreiz, mitunter sprödes Haar oder Haarausfall. - Blutbildveränderungen der roten und weißen Blutkörperchen. Warnsymptome: Fieber, Schluckbeschwerden, Halsschmerzen, Zahnfleisch- und Mundschleimhautentzündung, Schleimhautgeschwüre, eitrige Angina - kurz: "grippeähnliche Beschwerden ohne Grippe". - Gerinnungssystem: gelegentlich Thrombosen (Blutpfropfbildung) und Embolien (plötzlicher Verschluss eines Blutgefäßes), am ehesten bei Vorschädigung, im höheren Alter und bei ständig liegenden Patienten. - Epileptische Krampfanfälle, besonders bei plötzlicher Erhöhung oder Reduktion der Dosis, bei sehr hohen Dosen oder entsprechender Vorschädigung (Epilepsie, Alkoholismus, Kopfunfall). Vorsicht bei blutigem Kopfkissen am Morgen oder gar Bissmalen an Zunge oder Wangenschleimhaut (= nächtliche Krampfanfälle). - Leberfunktionsstörungen, vor allem bei entsprechender Vorschädigung: Appetitlosigkeit, Fieber, Muskelschmerzen, Übelkeit, Juckreiz, Gelbfärbung der Haut. - Schilddrüsenfunktionsstörungen, gelegentlich mit Ausbildung eines Kropfes. - Dämpfung: einige Antidepressiva machen nicht müde, andere können sogar leicht aktivieren. Die Mehrzahl aber dämpft die innere Unruhe. Das kann natürlich zu einer Beeinträchtigung der Wachheit führen (sogenannte Tagesmüdigkeit). Dies ist aber trotz allem sinnvoll, erzwingt die Dämpfung doch Ruhe und damit Regeneration und ermöglicht dadurch schneller die Reserven wieder auffüllen. Außerdem geht die Dämpfung im Laufe der Therapie von selber zurück. - Verwirrtheitszustände, besonders bei zu raschem Dosisanstieg, hohen Dosen allgemein sowie Kombination mehrerer Arzneimittel mit ähnlicher Wirkung: z. B. Antidepressiva und dämpfende Neuroleptika. Vor allem aber bei Vorschädigung des Gehirns (z. B. Kopfunfall, Gehirngefäßverkalkung) sowie im höheren Lebensalter. Solche delir-artigen Verwirrtheitszustände beginnen häufig mit beunruhigenden Träumen, Angst, Umtriebigkeit, Herzrasen, schneller Atmung, Harnverhaltung, Darmträgheit, Temperaturerhöhung, mit warmer und trockener Haut, großen Pupillen und Rötung des Gesichts. Dazu Ratlosigkeit, Orientierungsstörung, manchmal Sinnestäuschungen im Bereich von Sehen, Hören und Fühlen. Spezielle Antidepressiva und ihre Nebenwirkungen Die hier aufgezählten unerwünschten Begleiterscheinungen betreffen im wesentlichen eine große Gruppe, nämlich die schon erwähnten tri- und tetrazyklischen Antidepressiva der älteren Generation. Es gibt aber noch weitere sogenannte Stoffklassen, nämlich: 1. Die Mono-Amino-Oxidase-Hemmer (MAO-Hemmer): Bei ihnen - vor allem bei der älteren Generation dieser Antidepressiva - muss man folgende Genuss- und Lebensmittel meiden: bestimmte Käse-, Fisch-, Wurst-, Obst- und Gemüsesorten, ferner Alkohol usw. Sonst droht ggf. ein krisenhafter Blutdruckanstieg. Verordnet der Arzt ein Präparat der älteren Generation dieser Antidepressiva, wird er darauf hinweisen. Außerdem steht es ausführlich im Beipackzettel. Die neuere Generation, die sogenannten MAO-A-Hemmer (bisher in Deutschland nur ein Präparat verfügbar) sind in dieser Hinsicht allerdings weniger problematisch. Doch muss auch bei ihnen mit Schlafstörungen, Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen, innerer Unruhe, ggf. Verwirrtheits- und Erregungszuständen gerechnet werden. Nicht auszuschließen sind auch Hautreaktionen wie z. B. Juckreiz, Hautausschlag, Ödeme, sonstige Überempfindlichkeitsreaktionen sowie Hitzegefühl, Missempfindungen, Seh- und Magen-Darm-Störungen. Wegen der Antriebssteigerung muss man Patienten mit Selbsttötungsneigung unter MAO-Hemmern besonders intensiv überwachen. 2. Die selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), auch Re-up-take-Hemmer genannt, gehören zu einer neueren Generation von Antidepressiva, deren Vorteile vor allem die Einmal-Gabe am Tage und weniger Nebenwirkungen sind. Doch gilt auch hier die alte Regel: Keine Wirkung ohne Nebenwirkungen. Deshalb muss man sich auch bei diesen Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern ggf. auf Übelkeit, Schläfrigkeit, Schwitzen, Kopfschmerzen, Zittern, Schwächezustände, Schlafstörungen, Mundtrockenheit, sexuelle Beeinträchtigung, Durchfall, Verstopfung und Schwindelgefühle einstellen. Selten sind Blutdruckabfall, langsamer Herzschlag, noch seltener bestimmte Blutbildveränderungen, Herzrasen, Krampfanfälle, Verwirrtheitszustände, Hautausschlag, Ödeme u. a. Im Allgemeinen zeichnen sich aber diese Antidepressiva durch eine gute Verträglichkeit aus, was nicht zuletzt dem höheren Lebensalter zugute kommt. 3. Die "dualen" Antidepressiva, so genannt, weil sie gleichsam auf zwei Gehirnstoffwechsel-Schienen (also zwei Neurotransmitter = Botenstoffe) die Depression bekämpfen, runden das inzwischen erfreulich umfangreiche antidepressive Behandlungsangebot ab. Auch bei ihnen muss man allerdings mit den üblichen Nebenwirkungen rechnen, und zwar je nach Substanz mit spezifischen Nebenwirkungs-Schwerpunkten, doch lässt sich im Allgemeinen sagen: Der Fortschritt in der Entwicklung neuer Antidepressiva besteht nicht so sehr in der verbesserten oder rascheren Stimmungsaufhellung, eher in einer erträglichen Zahl und Intensität der ja leider nicht völlig vermeidbaren Begleiterscheinungen. Was kann man gegen Nebenwirkungen tun? Muss man die aufgezählten Nebenwirkungen, die sich z. T. erschreckend anhören, einfach hinnehmen? Keinesfalls. Zum einen sind sie relativ selten. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass überhaupt keine Begleiterscheinungen zu ertragen sind, aber wenn, dann nur einige wenige, auf die der Betreffende besonders empfindlich reagiert. Dann muss man sich umgehend an seinen Arzt wenden. Dieser hat verschiedene Möglichkeiten: Dosis reduzieren, Dosissteigerung langsamer durchführen, andere Dosisverteilung über den Tag, vor allem aber bestimmte Maßnahmen, die die Nebenwirkungen erträglicher machen. Das sind Bürstenmassagen, Wechselduschen und körperliche Aktivität bei Kreislaufstörungen, Schweißausbrüchen usw. Ferner medikamentöse Anregung oder Linderung von trockener Mund- und Nasenschleimhaut bzw. mangelnder Tränenflüssigkeit. Auch Magen-Darm- und Blasenentleerungsstörungen sowie das Zittern können medikamentös gelindert werden, zusätzlich zu einer Reihe nicht-medikamentöser Maßnahmen. Die Appetit- und damit Gewichtszunahme muss willentlich kontrolliert werden (Maß halten). Die sexuellen Störungen und die generelle Dämpfung gehen nach einiger Zeit von selber zurück. Bei Zyklus- und anderen hormonellen Störungen, bei Haut-, Leber- und Schilddrüsenfunktionsstörungen wird sich der Arzt je nach Situation entscheiden, notfalls aber die verordnete Substanz ab- und auf ein anderes Präparat umsetzen. Bei Veränderungen von Blutbild und Gerinnungssystem sowie bei Verdacht auf nächtliche epileptische Krampfanfälle und Verwirrtheitszustände wird er in der Regel ähnliche Konsequenzen ziehen. Doch was er tut, wird letztlich bestimmt von seiner Erfahrung mit diesem Präparat und vor allem von der jeweiligen seelisch-körperlichen Situation des Kranken.
Arzneimittel zur Rückfall-VerhütungArzneimittel zur Rückfall-Verhütung, sogenannte Phasen-Prophylaktika oder Rezidiv-Prophylaktika sind die Lithiumsalze, das Carbamazepin und die Valproinsäure. Sie sind schon seit Jahrzehnten bekannt und erfolgreich im Einsatz: die Lithiumsalze vor allem gegen immer wieder auftretende Depressionen und manische Zustände mit krankhafter Hochstimmung sowie als Akut-Behandlung der Manie. Das Carbamazepin und die Valproinsäure ursprünglich (und auch heute noch) als Arzneimittel gegen Krampfanfälle und andere neurologische Leiden, inzwischen aber auch als wirkungsvolle Ergänzung oder gleichrangiger Ersatz der Lithiumsalze. Auch die Entdeckung der Rückfall-Vorbeugung ist ein Meilenstein in der Geschichte der Pharmakotherapie. Denn die Qual einer Depression oder die sozial verheerenden Folgen einer krankhaften Hochstimmung können das erste Mal und vielleicht auch während einiger nachfolgender Phasen recht und schlecht ertragen werden. Doch nach und nach schwinden Zuversicht, Hoffnung und Kraft. Auch wenn in der Regel nichts zurückbleibt, die Angst vor einer erneuten Erkrankung zermürbt. Die Gefahr, eines Tages Hand an sich zu legen, wächst mit der Zahl der Rückfälle. Dagegen war man früher machtlos. Heute hat man die Lithiumsalze, Carbamazepin und Valproinsäure, die vor allem die gefürchtete Selbsttötungsgefahr verringern können. Sicherlich, jedes dieser Mittel muss täglich eingenommen werden, und das über lange Zeit hinweg, manchmal "lebensbegleitend". Dafür kann die Mehrzahl der Betroffenen darauf bauen, nicht mehr in ein depressives Tief oder in eine verhängnisvolle Hochstimmung gerissen zu werden. Gleichwohl muss man einiges über diese Arzneimittel, ihre Möglichkeiten, Grenzen und Gefahren wissen. · Lithiumsalze Lithiumsalze mildern oder beheben manische Zustände und beugen einem Rückfall sowohl manischer als auch depressiver Episoden vor. Je typischer diese Leiden verlaufen, desto überzeugender pflegen sie auf Lithium anzusprechen. Die besten therapeutischen bzw. vorbeugenden Erfolge hat man 1. bei der manisch-depressiven Erkrankung, bei der sich Phasen krankhafter Hochstimmung und depressiver Zustände (meist) unregelmäßig abwechseln, 2. bei sogenannten endogenen (biologischen) Depressionen, bei denen nur depressive Phasen auftreten, 3. bei der reinen Manie mit ausschließlich krankhafter Hochstimmung sowie ggf. 4. bei schizoaffektiven Psychosen, bei denen sowohl schizophrene als auch manische und/oder depressive Krankheitszeichen gleichzeitig oder kurz hintereinander vorkommen.
Dabei muss man aber offen alle Bedingungen diskutieren, also auch Nebenwirkungen und Langzeitverpflichtungen. Der Behandlungserfolg hängt zwar von vielen Faktoren ab, doch kann man behaupten: Bei etwa einem Drittel der auf Lithium eingestellten und zuverlässig mitarbeitenden Patienten kommt es zu keiner Erkrankungsphase mehr. Etwa jeder zweite zeigt eine deutliche Verminderung von Leidensintensität und Häufigkeit depressiver und manischer Phasen. Bei etwa jedem fünften Kranken lässt sich keine Besserung registrieren. Diese Patienten sind leider nicht vorher zu erkennen. Doch scheint hier die sogenannte Therapietreue (Fachbegriff: Compliance) eine Rolle zu spielen. Zumindest ein Teil ihres Misserfolgs geht nämlich auf eine mangelnde Einnahmezuverlässigkeit der verordneten Medikamente zurück. Völlige Versager sind bei fachgerechter und konsequenter Behandlung nur selten hinzunehmen. Und selbst dort kann man bei genauer Untersuchung feststellen, dass sich zumindest die Schwere des Leidens, manchmal auch Dauer und Häufigkeit der Rückfälle vermindern ließen. Auch lassen sich die gesunden Zwischenzeiten verlängern. Das alles ist ein nicht zu unterschätzender Therapieerfolg. Allerdings muss man auf zwei Besonderheiten aufmerksam machen:
Und ein weiterer Hinweis ist wichtig: Bei erblicher Belastung und in der berechtigten Angst, ebenfalls eine Manie oder Depression zu bekommen, kann man durch vorherige Einnahme von Lithium den erstmaligen Ausbruch einer solchen Krankheit nicht unterbinden. Lithium ist und bleibt eine Rückfall-Vorbeugung. Auch kann man diese Gemütskrankheiten durch Lithium nicht ausheilen. Verhindert werden kann lediglich der erneute Ausbruch. Nimmt der Patient keine Lithium-Tabletten mehr, droht mit großer Wahrscheinlichkeit eine erneute Erkrankung. Dies gilt sowohl für die eigenwillige Unterbrechung als auch für einen Behandlungsstop durch andere, durchaus zwingende Gründe. Sobald diese entfallen (z. B. Schwangerschaft), muss das Lithium umgehend wieder eingenommen werden.
Das heißt aber nicht, dass die Betroffenen ihr ganzes Leben unabänderlich an diese Arzneimittel gebunden sind. Selbstverständlich kann man die Behandlung beenden, wenn sich bestimmte Nebenwirkungen als unerträglich oder die gesamte Therapie als wirkungslos erweisen. Auch kann man nach mehrjähriger erfolgreicher Gabe durchaus einen Absetzversuch diskutieren. Dies ist jedoch nur in enger Zusammenarbeit zwischen Haus- und Nervenarzt sinnvoll. Das Ausschleichen sollte dann aber sehr, sehr langsam und vorsichtig, d. h. über viele Monate, ggf. sogar Jahre hinweg erfolgen. Drohen während dieser Zeit plötzlich wieder erste Warnsymptome eines Rückfalls, muss man sofort wieder die alte Dosis ansetzen. Gab es keine völlige Behandlungsunterbrechung, ist auch mit keiner Wirkungseinbuße (siehe oben) zu rechnen. Spezielle Hinweise zur Lithium-TherapieIn der Behandlung mit Lithiumsalzen sind einige Hinweise zu beachten, die nicht unerheblich über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Im Einzelnen: - Voruntersuchungen: Gibt es Beeinträchtigungen, Belastungen oder Schädigungen von Nieren, Herz, Schilddrüse u. a.? Wie fallen die wichtigsten internistischen und neurologischen Untersuchungsergebnisse aus? Auf was müssen Patient und Hausarzt achten? Danach kommt die - Wahl des Lithiumsalzes: Allein im deutschsprachigen Bereich gibt es rund ein Dutzend Handelspräparate, die auf verschiedenen Lithiumsalzen basieren (Lithiumacetat, -aspartat, -carbonat, -sulfat). Vor allem enthalten die verschiedenen Handelspräparate sehr unterschiedliche Lithiummengen und sind in normalen sowie Retard-Formen mit verlängerter Wirkung zu haben. Die Entscheidung trifft der Arzt. Er macht auch auf alles andere aufmerksam wie - Gegenanzeigen, Vorsichtsmaßnahmen und Anwendungsbeschränkungen: Sie müssen bei den Lithiumsalzen besonders sorgfältig beachtet werden. Dazu gehören Nierenfunktionsstörungen, kochsalzarme Diät, Herz- und Kreislauferkrankungen, Schwangerschaft und Stillzeit. Das Gleiche gilt für eine Reihe weiterer Erkrankungen, die der Hausarzt in der Regel mit dem Nervenarzt/Psychiater abzuklären versucht. - Riskante Situationen unter einer Lithiumtherapie sind plötzliche fieberhafte Erkrankungen, starkes Schwitzen, Erbrechen, Durchfall, Abmagerungskuren, die Behandlung mit Diuretika (harntreibenden Substanzen), die Narkose bei bevorstehenden Operationen sowie die erwähnten Risiken: kochsalzarme Diät, Schwangerschaft und Entbindung. Die meisten dieser Belastungen hängen mit Wasserverlust und damit auch Salzverlust zusammen. Deshalb immer auf eine ausreichende Wasser- und Salzzufuhr achten. Wichtigste Maßnahme: Das Trinken nicht vergessen (was vor allem bei älteren Menschen häufig vorkommt). - Arzneimittel-Wechselwirkungen sind auch bei den Lithiumsalzen zu beachten. Dies betrifft vor allem die harntreibenden Substanzen, aber auch andere Medikamente, die der Arzt aus den Fachinformationen kennt. - Einnahmehinweise: unzerkaut, in der Regel direkt nach den Mahlzeiten, zusammen mit reichlich Flüssigkeit. Wurde einmal eine Einnahme vergessen, darf man die Dosis nicht "nachholen", das könnte zu Überdosierungserscheinungen führen. Ein kurzfristiger (!) Abfall des Lithiumspiegels ist dagegen nicht so schwerwiegend. - Einstellung und Anpassung der Lithiumdosis: Jeder Patient reagiert anders. Schon daraus ergeben sich abweichende Lithiumdosen, die man erst im Laufe der Zeit herausfinden kann. Dies erreicht man durch die Bestimmung der Lithiumkonzentration im Blutserum. Die sogenannte Standard-Blutkonzentration liegt zwischen 0,6 bis 0,8 mmol/l. Das sind die für eine Langzeit-Vorbeugung günstigsten Werte. Unter 0,3 mmol/l ist ein effektiver Schutz nicht mehr zu erwarten. Und über 1,0 mmol/l wächst das Risiko ernsthafter Nebenwirkungen. - Lithiumspiegelbestimmung: Bei der Kontrolle des Lithiumspiegels durch den Arzt muss die Abnahme der Blutprobe zeitlich richtig geplant sein, am besten 11 bis 13 Stunden nach der letzten Einnahme und natürlich vor der üblichen morgendlichen Dosis. Die Häufigkeit der Kontrollen pflegt der Arzt nach den jeweiligen Erfordernissen anzuordnen. Dies wird bei älteren Patienten häufiger (z. B. alle drei Monate), bei jüngeren und ansonsten Gesunden auch einmal länger sein.
- Wirkungsverlust: Lithiumsalze zeigen im Allgemeinen keine Abschwächung ihrer Wirkung, selbst nach jahrelanger Einnahme. Ausnahmen sind jedoch nicht ausgeschlossen. Außerdem kann eine Behandlungsunterbrechung tatsächlich zu einem Wirkungsverlust führen. - Absetzsymptome: Bei zu raschem Ausschleichen oder gar abruptem Weglassen der Tabletten kann es zu Ängstlichkeit, Reizbarkeit, labiler Gemütslage und innerer Unruhe kommen. Deshalb nur ganz langsam ausschleichen und grundsätzlich nur unter ärztlicher Kontrolle. - Suchtgefahr: Lithiumsalze machen nicht abhängig, auch nicht nach langjähriger Einnahme. - Eine Schwangerschaft unter Lithium sollte vermieden werden. Hier muss man sich entscheiden. Manchmal aber ist das gar nicht einfach, vor allem wenn großer Kinderwunsch besteht, gleichzeitig aber abzusehen ist, dass ein manischer oder depressiver Rückfall droht, wenn die Lithium-Tabletten abgesetzt werden. Vor allem in den ersten vier Monaten der Schwangerschaft darf Lithium nicht mehr gegeben werden. Ausnahmen pflegen von Haus-, Nerven- und Frauenarzt gemeinsam diskutiert zu werden. Ist die Weiterführung der Behandlung unumgänglich, braucht es eine enge Überwachung durch alle beteiligten Ärzte mit entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen. - Da Lithium in die Muttermilch und damit in den Blutkreislauf des Kindes übergeht, empfehlen sich Abstillen und Umstellen auf Flaschennahrung - falls möglich. - Verkehr und Arbeitsplatz: Einige Nebenwirkungen können die Wachheit und damit Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen. Deshalb sollte die aktive Teilnahme am Verkehr in der ersten Behandlungszeit unterbleiben, bis sich Arzt, Patient und Angehörige gemeinsam zur langsam gesteigerten und stets kontrollierten Wiederaufnahme der Fahrpraxis entschließen. Das Gleiche gilt für gefährliche Arbeitsplätze mit rotierenden Maschinen, Sturzgefahr usw. Auch bei Urlaubs- und Krankheitsvertretung darauf achten. - Selbsttötungsgefahr: Die Gefährlichkeit der Lithiumsalze bei Selbsttötungsabsichten ergibt sich aus den Überdosierungserscheinungen und Vergiftungsmöglichkeiten (siehe später). Nebenwirkungen durch Lithiumsalze Die Behandlung und Rückfall-Vorbeugung mit Lithium ist keine Therapie ohne Beeinträchtigungen und Risiken. Die Aufzählungen von Nebenwirkungen oder gar bedrohlichen Vergiftungserscheinungen kann irritieren. Glücklicherweise sind sie selten. Meist werden die ersten Anzeichen rechtzeitig registriert und gezielt abgefangen. Ein medikamentös gut eingestellter und zuverlässiger Patient hat vor allem Nutzen und kaum ernstere Probleme zu erwarten. Und dort, wo bestimmte Begleiterscheinungen nicht befriedigend behoben werden können und damit ausgehalten werden müssen, sollte man vor allem an die Erkrankungs-Folgen eines Therapieabbruchs denken. Mit welchen unerwünschten Begleiterscheinungen ist ggf. zu rechnen? - Zittern: meist ein feinschlägiges, gelegentlich auch grobschlägiges Händezittern, vor allem zu Beginn einer gezielten Bewegung. Unangenehm für jene Berufe, denen man viel auf die Hände schaut. Bei starkem Zittern an plötzlichen Anstieg des Lithiumspiegels im Blutserum denken, was auch durch körperspezifische Veränderungen und ohne Dosiserhöhung möglich ist (Lithium-Spiegelbestimmung!). - Herz-Kreislauf-Wirkungen: selten, vor allem Störungen der Erregungsleitung des Herzens. - Schilddrüse: Die Schilddrüsenfunktion kann durch Lithium gehemmt werden. Die Folge ist ein Kropf. Deshalb selber regelmäßig Halsumfang messen und dem Arzt berichten (Frage: passt der Hemdkragen noch?). - Nierenfunktion: Eine intakte Nierenfunktion ist wichtig für die Lithiumtherapie. Deshalb regelmäßig Kontrolle. Vor allem muss man auf Folgendes achten. - Durst und häufiges Wasserlassen: Während einer Lithiumbehandlung kann die Fähigkeit der Nieren beeinträchtigt sein, den Harn zu konzentrieren. Die Folge ist eine bis dahin ungewöhnliche Harnmenge von 2 bis 8 oder mehr Litern pro Tag, vor allem zu Beginn einer Lithiumbehandlung. Das ist schon tagsüber lästig, stört aber vor allem nachts die Schlafruhe. Den Durst darf man allerdings nicht willentlich zügeln. Das wäre sogar gefährlich. - Hautveränderungen: Gelegentlich Juckreiz, Pusteln, Pickel, Hautausschlag usw., und zwar mit und ohne Jucken, Schuppung oder Austrocknung der Haut. Auch ein vorübergehender Haarausfall ist möglich. - Magen-Darm-Störungen: Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, später gelegentlich weicher Stuhl, manchmal Durchfall. - Ödeme: Schwellungen durch Ansammlung wässriger Flüssigkeit in den Gewebsspalten von Haut und Schleimhäuten, besonders an Füßen und Händen, an Bauchdecke und manchmal Gesicht. - Gewichtszunahme: sehr belastende Nebenwirkung, vor allem für das weibliche Geschlecht (Gefahr des Abbruchs aus Verzweiflung über das Dickwerden). Mehrschichtige Ursachen: Fetteinlagerung, erhöhte Wasserbindung im Gewebe, Unterfunktion der Schilddrüse, unzureichende körperliche Aktivität und ungezügelter Appetit (die beiden letzten Faktoren sind wahrscheinlich die Wichtigsten, auch wenn sie von den Patienten meist in Abrede gestellt werden!) - Weitere körperliche Nebenwirkungen: Blutbildveränderungen, Verminderung von sexuellem Verlangen und Potenz (gelegentlich auch Steigerung der Libido), vermehrter Speichelfluss, Kopfschmerzen, Nackendruck, Steifigkeit, Schwindelerscheinungen, metallischer Geschmack im Mund, Krampfanfälle u. a. Alles jedoch relativ selten. Ein besonderes Kapitel sind die seelischen und psychosozialen Nebenwirkungen:
Die Behandlung der meisten dieser Nebenwirkungen ist relativ einfach, nämlich eine Korrektur des Lithiumspiegels durch Dosis-Anpassung. Letztlich geht es nur um die Frage: Soviel wie nötig, so wenig wie möglich. Oder: Wie wenig darf ich nehmen, um meinen Rückfallschutz nicht zu gefährden. Das aber ist ein Problem, das nur jeder Patient in Zusammenarbeit mit seinem Haus- oder Nervenarzt für sich selber lösen kann. Dann werden auch die meisten Nebenwirkungen erträglich oder verschwinden ganz. Mitunter helfen auch Retard-Präparate mit verlängerter Wirkung oder spezifische Gegenmittel (z. B. bei Händezittern, Schilddrüsenfunktionsstörung usw.). Überdosierungserscheinungen und Lithiumvergiftung Lithiumsalze sind unverzichtbar. Leider besteht ein nur schmaler Grat zwischen wirksamer Dosis und Nebenwirkungen bzw. Überdosierungserscheinungen. Was sollte aufhorchen lassen? - Warnsymptome bei Überdosierungserscheinungen: müde, matt, verlangsamt, träge, schläfrig, konzentrationsschwach, ggf. benommen bis leicht verwirrt. Ferner zunehmender Durst, vermehrtes Wasserlassen, ggf. appetitlos, Übelkeit, Erbrechen, dünner Stuhl, Durchfall und Magenschmerzen. Dazu Muskelschwere, Muskelschwäche ("schwere Glieder"), Muskelzuckungen, unsicherer Gang, verstärktes Händezittern. Zuletzt verwaschene Sprache, heftiger Schwindel, Lichtüberempfindlichkeit, Zittern des Unterkiefers. Überdosierungserscheinungen müssen sofort dem Arzt gemeldet werden. - Lithiumvergiftung: alle obigen Symptome nochmals verstärkt. In seelischer Hinsicht also ausgeprägt matt, schläfrig, verlangsamt, desorientiert oder gar völlig verwirrt. Dazu abgeschlagen, Merk- und Konzentrationsstörungen, wachsende Bewegungsunruhe, ausgeprägte Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle sowie verstärkt Schwindel, Zittern, Zuckungen und Muskelschwäche. Ggf. Krampfanfälle oder gar ein Delirium. Glücklicherweise führen schon die ersten Warnsymptome auf die richtige Spur. Etwas anderes ist die missbräuchliche Einnahme von Lithium-Tabletten zu Selbsttötungsabsichten. Das aber ist eine sehr quälende Methode. Bei Vergiftungshinweisen umgehend den Notarzt informieren und eine Krankenhauseinweisung veranlassen. Schlussbemerkung zur Lithium-Therapie Die Lithiumbehandlung ist keine Therapie ohne Beeinträchtigungen und Risiken. Sie gehört jedoch zu den großen Meilensteinen in der Behandlung seelischer Störungen. Zwar muss man die Gegenanzeigen, Wechsel- und Nebenwirkungen sorgfältig abwägen und die regelmäßige Kontrolle des Lithiumspiegels sicherstellen. Doch dann hat ein medikamentös gut eingestellter und zuverlässiger Patient unter kontinuierlicher ärztlicher Kontrolle vor allem Nutzen und kaum ernstere Probleme zu erwarten. Und dieser Nutzen ist nicht zu unterschätzen, wenn man an die seelischen, körperlichen und psychosozialen Folgen denkt, die eine Depression, manische Hochstimmung oder der mehrfache Wechsel beider Gemütsstörungen nach sich zieht, und das in unkalkulierbarer Häufigkeit und Intensität mit allen Konsequenzen. · Carbamazepin Carbamazepin ist eine seit über drei Jahrzehnten bewährte Substanz gegen epileptische Krampfanfälle. Sie wird aber auch gegen Schmerzen genutzt, insbesondere Nervenschmerzen und Nervenschädigungen verschiedener Ursache. Inzwischen gilt das Carbamazepin auch als wichtiges Medikament zur Vorbeugung manischer und depressiver Zustände sowie zur Akutbehandlung bei einer manischen Hochstimmung. Besonders erfolgreich ist es dann, wenn mehr als drei Krankheitsphasen pro Jahr zu erwarten sind, was man als sogenannte "schnelle Phasen-Wechsler" (internationaler Fachausdruck: "Rapid cycling") bezeichnet. Es ist aber auch eine wirkungsvolle Alternative, wenn Lithium nicht vertragen oder abgelehnt wird oder nur unbefriedigend "greift". Manche Patienten halten es auch für besser verträglich und fühlen sich weniger gedämpft oder gar "eingemauert". Beim akuten Einsatz gegen manische Hochstimmungen wird man Carbamazepin aber nur bei leichten bis mittelgradig ausgeprägten Phasen einsetzen, es sei denn, man gibt zusätzlich antipsychotische Neuroleptika hinzu. Zur Behandlung depressiver Phasen ist es weniger geeignet, doch kann sich auch hier ein Versuch lohnen. Der wichtigste Anwendungsbereich aber ist die Rückfall-Vorbeugung. Dabei erreicht Carbamazepin in etwa die gleiche Wirksamkeit wie die Lithiumsalze. Leider kann auch Carbamazepin eine manisch-depressive oder rein depressive bzw. manische Erkrankung im ursprünglichen Sinne nicht "heilen". Es kann jedoch den erneuten Ausbruch verhindern (Rückfall-Prophylaxe) oder vor allem eine manische Phase mildern und abkürzen.
Die Akutbehandlung geht nur so lange, wie die manische Hochstimmung andauert. Die Rückfall-Vorbeugung kann jedoch eine jahrelange, ja "lebensbegleitende" Therapie werden. Das empfinden zwar viele Betroffene als Beeinträchtigung, doch dafür werden zwischen zwei Drittel und drei Viertel aller Behandelten nicht mehr manisch oder depressiv, jedenfalls nicht mehr so zermürbend wie früher. In schweren Fällen, in denen der Erfolg mit einem Rückfall-Medikament nicht erreicht werden kann, kombiniert man gelegentlich schon mit zwei oder drei dieser Rückfallschutz-Substanzen, also Lithiumsalze, Carbamazepin und Valproinsäure. Dies bleibt allerdings dem Nervenarzt oder Psychiater oder der spezialisierten Ambulanz einer psychiatrischen Klinik vorbehalten. Allgemeine Hinweise zur Carbamazepin-Therapie - Voruntersuchungen: Gibt es Beeinträchtigungen, Belastungen oder Schädigungen von Herz-Kreislauf, Leber, Blutbild, liegt eine Zuckerkrankheit oder der Grüne Star (Glaukom) vor? Gibt es frühere allergische Reaktionen auf Medikamente oder sonstige Substanzen? Selbst die Ernäherungsweise (z. B. Diät) und Genussmittel (z. B. Alkohol und Nikotin) müssen zuvor besprochen werden. - Wahl des Carbamazepin-Präparates: Allein im deutschsprachigen Bereich stehen mehr als ein halbes Dutzend Handelspräparate zur Verfügung, aus denen Haus- und Nervenarzt in der Regel nach ihren eigenen Erfahrungen auswählen. Inzwischen gibt es auch Retard-Formen mit verlängerter Wirkung. - Gegenanzeigen, Vorsichtsmaßnahmen und Anwendungsbeschränkungen sind bestimmte Herz-, Leber-, Nieren-, Blutbild-, Knochenmarks- und andere Schädigungen. - Arzneimittel-Wechselwirkungen betreffen beispielsweise andere Antiepileptika, ferner bestimmte Psychopharmaka, Antibiotika u. a.
- Einnahmehinweise: unzerkaut und mit etwas Flüssigkeit während oder nach den Mahlzeiten einnehmen. Wurde einmal eine Einnahme vergessen, sollte man die Dosis nicht "nachholen", das könnte zu Überdosierungserscheinungen führen. Ein kurzfristiger (!) Abfall des Carbamazepin-Spiegels ist dagegen nicht so schwerwiegend. - Einstellung und Anpassung der Carbamazepin-Dosis: Die therapeutisch wirksame Dosis von Carbamazepin ist von Patient zu Patient verschieden. Sie lässt sich nur im Laufe der Zeit ermitteln. Für die Rückfall-Vorbeugung und damit Langzeitbehandlung gibt es einen bestimmten Dosis-Bereich, den der zuständige Arzt jeweils ermittelt. Bei der Akutbehandlung einer Manie sind in der Regel höhere Dosen erforderlich. Um Begleiterscheinungen zu vermeiden, wird Carbamazepin "eingeschlichen", d. h. die Dosis schrittweise erhöht. Carbamazepin sollte über den Tag verteilt eingenommen werden, d. h. in drei bis vier Gaben. Die Retard-Präparate mit verzögerter Wirkstofffreisetzung ermöglichen eine ein- bis zweimalige Gabe pro Tag. Der Carbamazepin-Blutspiegel sollte in der Regel zwischen 4 bis 10 µg/ml liegen. Das entspricht 17 bis 42 µmol/l. - Carbamazepin-Spiegelbestimmung: Bei der Kontrolle des Carbamazepin-Spiegels durch den Arzt muss die Abnahme der Blutprobe zeitlich richtig geplant sein, am besten 11 bis 13 Stunden nach der letzten Einnahme und natürlich vor der üblichen morgendlichen Dosis. Die Häufigkeit der Blutspiegelkontrollen bestimmt der Arzt. - Wirkungsverlust: Carbamazepin zeigt im Allgemeinen keine Abschwächung seiner Wirkung, selbst nach jahrelanger Einnahme. Nach Therapieunterbrechung (erzwungen, selbstbestimmt, oder gar Nachlässigkeit) ist jedoch ein Wirkverlust nicht auszuschließen, wenn man plötzlich wieder darauf angewiesen ist. - Absetz-Symptome: Bei zu raschem Ausschleichen oder gar abruptem Absetzen kann es zu Krampfanfällen kommen. - Suchtgefahr: Carbamazepin macht nicht abhängig, auch nicht nach langjähriger Einnahme. - Eine Schwangerschaft unter Carbamazepin sollte nur dann riskiert werden, wenn sich Haus-, Frauen- und Nervenarzt gemeinsam darüber einig geworden sind. - Da Carbamazepin in die Muttermilch und damit in den Blutkreislauf des Kindes übergeht, empfehlen sich Abstillen und Umstellen auf Flaschennahrung - falls möglich. - Verkehr und Arbeitsplatz: Einige Nebenwirkungen können die Wachheit und damit Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen. Deshalb gilt beim Carbamazepin bezüglich Verkehrsteilnahme und Arbeitsplatz das Gleiche wie beim Lithium (siehe dort). - Selbsttötungsgefahr: Die Gefährlichkeit des Carbamazepins bei Selbsttötungsabsichten ergibt sich aus den Überdosierungserscheinungen und Vergiftungsmöglichkeiten (siehe unten). Nebenwirkungen durch Carbamazepin Carbamazepin wird zwar gerne dann eingesetzt, wenn gewisse Nebenwirkungen der Lithiumsalze eine Umstellung erzwingen. Doch hat auch diese Substanz ihre eigenen Begleiterscheinungen. Allerdings halten sie sich in Grenzen. Die meisten gehen nach kurzer Behandlungszeit von selber zurück. Mit was ist zu rechnen?
Im Einzelnen: - Magen-Darm-Störungen: Appetitlosigkeit, Mundtrockenheit, Übelkeit, Brechneigung, selten Durchfall oder Verstopfung u. a. - Blutbildveränderungen: Vermehrung der weißen und roten Blutkörperchen, Verminderung der weißen Blutkörperchen und Blutplättchen. - Hautveränderungen: erhöhte Sonnenempfindlichkeit. Deshalb besonders zu Behandlungsbeginn zu starke Sonneneinstrahlung und vor allem Solarium meiden. Aber auch unabhängig davon sind allergische Hautreaktionen mit oder ohne Fieber, Juckreiz, ferner Veränderungen der Hautpigmentierung, gelegentlich Haarausfall möglich. - Augen: bisweilen Augenbindehautentzündung, gelegentlich Doppelbilder und verschwommenes Sehen mit Randunschärfe, vor allem beim Lesen. - Leberfunktionsstörungen: Veränderungen, die meist vom Patienten auch nicht bemerkt werden, bisweilen eine Leberentzündung, die aber wieder von selber abzuklingen pflegt. - Herz-Kreislaufsystem: Herzrhythmusstörungen, z. B. mit verlangsamtem Herzschlag, Blutdruckabfall, Venenentzündung mit Blutpfropfbildung (Thrombose) bzw. Loslösung eines solchen Blutpfropfs (Embolie). - Stoffwechsel- und Hormonhaushalt: Abnahme des Natriumspiegels mit Erbrechen, Kopfschmerzen, vereinzelt Verwirrtheitszustände. Mitunter Ödeme (Ansammlung von Flüssigkeit im Gewebe) und Gewichtszunahme. Bisweilen Senkung des Serum-Kalzium-Spiegels sowie Ausbildung einer Brust beim Mann oder Milchfluss bei der Frau. - Weitere körperliche Veränderungen: Schwindel, Störungen der Bewegungsabläufe, z. B. Gangstörungen, Zittern (besonders der Hände), Kopfschmerzen, unwillkürliche Bewegungen der Gesichtsmuskulatur, Sprechstörungen, Missempfindungen, Geschmacksstörungen usw. - Seelische Nebenwirkungen: Müdigkeit (insbesondere zu Behandlungsbeginn), Schwächegefühl, allgemeine Verminderung der seelischen Aktivität, mitunter Schläfrigkeit. Gelegentlich aber auch das Gegenteil, nämlich innere Unruhe und Verwirrtheit, vor allem im höheren Lebensalter. Vereinzelt depressive Verstimmungen (häufiger aber eine erwünschte Stimmungsaufhellung), bisweilen Denkerschwernis und Antriebsverarmung. Die Behandlung der meisten dieser Nebenwirkungen ist relativ einfach, nämlich eine Korrektur des Carbamazpin-Spiegels durch Dosis-Anpassung. Auch hier geht es um die Frage: so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Mitunter helfen auch Retard-Präparate mit verlängerter Wirkung oder spezifische Gegenmittel. Das Wichtigste aber ist das rechtzeitige Erkennen bzw. Daran-Denken. Deshalb noch einmal eine Kurzfassung jener Symptome, die auf bestimmte Nebenwirkungen durch Carbamazepin hinweisen können: - Entzündete Stellen im Mund oder an anderen Schleimhäuten, dazu ggf. Halsschmerzen, Fieber und Schüttelfrost bei Veränderungen des weißen Blutbildes. - Starke Müdigkeit bis zu Schwäche, Atemnot und Herzrasen bei Veränderung des roten Blutbilds. - Blutergüsse ohne vorhergehende Verletzung oder Zahnfleischbluten bei Verminderung der Blutplättchen. - Bauchschmerzen, heller Stuhlgang, dunkel-trüber Urin oder Gelbfärbung von Haut und/oder Augen bei Leberentzündung. - Hautausschlag mit und ohne Juckreiz bei allergischer Hautreaktion. - Doppelbilder, Verschwommensehen, Gangunsicherheit und/oder Verwirrtheitszustände bei Störungen des Nervensystems. Überdosierungserscheinungen und Carbamazepin-Vergiftung Carbamazepin zeichnet sich durch eine gute Verträglichkeit aus. Überdosierungs- oder gar Vergiftungserscheinungen sind erst nach hoher Dosis zu erwarten. Auf was ist zu achten? - Warnsymptome bei Überdosierungserscheinungen: Übelkeit, Brechreiz, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen, Schwindel und Gangunsicherheit. Starkes Zittern, Muskelzuckungen, Muskelverkrampfungen. Verwaschene Sprache. Pupillenerweiterung, Zittern des Augapfels, Doppelbilder. Starke Schläfrigkeit und Benommenheit. Depressive Verstimmung. Innere Unruhe, Verwirrtheit, ggf. Erregungszustände. Schneller und unregelmäßiger oder auch verlangsamter Herzschlag. Blutdruckabfall, ggf. auch Bluthochdruck. Atemnot bzw. unregelmäßige, verlangsamte und flache Atmung, u. U. Blaufärbung von Lippen und Fingern. Harnsperre. Hautrötung mit Hitzegefühl. Unwillkürliche Bewegungen, z. B. Rückwärtsbeugung des Kopfes und Überstreckung von Rumpf und Armen. Seelisch-körperliche Erstarrung. Krampfanfälle. Therapie: Auch diese Vergiftungs-Hinweise hören sich erst einmal erschreckend an. In Wirklichkeit sind sie selten und meist nur gering ausgeprägt. Dennoch sollte man rechtzeitig daran denken und umgehend den Arzt informieren. Dieser entscheidet dann über die nächsten Schritte, die meist in einer Dosisanpassung bestehen und im Extremfall das vorübergehende Absetzen des Carbamazepins oder gar eine Krankenhauseinweisung erfordern. Schlussbemerkung zur Carbamazepin-Therapie Carbamazepin ist ein bewährtes Antiepileptikum, das sich auch für eine Reihe anderer körperlicher und seelischer Störungen als hilfreich erwiesen hat. Dazu gehört vor allem der Einsatz bei der manisch-depressiven Erkrankung, und zwar sowohl in der akuten Krankheitsphase einer Manie als auch zur Vorbeugung gegen weitere manische und depressive Rückfälle. Als Medikament der ersten Wahl gilt es vor allem dann, wenn die Verordnung von Lithium nicht möglich oder nicht erfolgreich ist. Ferner bei mehr als drei Krankheitsphasen pro Jahr sowie bei erhöhtem Risiko für epileptische Anfälle oder andere Gehirnstörungen. Bei besonders hartnäckiger Erfolglosigkeit kann Carbamazepin mit Lithium unter nervenärztlicher Kontrolle kombiniert werden. Die jetzt möglicherweise verstärkten Nebenwirkungen sind zwar nicht zu vernachlässigen, lassen sich aber in der Regel durch Dosisanpassung erträglich halten. · Valproinsäure Auch die antiepileptisch wirksame Valproinsäure ist inzwischen von den deutschen Behörden für die entsprechenden Heilanzeigen zugelassen, wie schon länger im Ausland. Am erfolgreichsten ist sie bei der akuten manischen Psychose (krankhafte Hochstimmung) und bei der Rückfall-Prophylaxe einer Manie. Günstig sprechen auch manische Episoden einer manisch-depressiven Erkrankung an, offenbar weniger gut im Rahmen einer schizoaffektiven Psychose, die aber ohnehin mehr Probleme als die anderen Leiden machen kann. (Bei der schizoaffektiven Psychose treten schizophrene, manische und/oder depressive Symptome zugleich oder kurz hintereinander auf.) Besonders erfolgreich ist die Valproinsäure bei den mehrfach erwähnten schnellen Phasen-Wechslern, dem Rapid cycling-Syndrom, bei dem Zustände von Depression und Hochstimmung ungewöhnlich rasch aufeinanderfolgen. Wie bei Lithium und Carbamazepin ist auch bei Valproinsäure häufig eine jahrelange und manchmal "lebensbegleitende" Therapie erforderlich, die besonderer Sorgfalt bedarf. Allgemeine Hinweise zur Valproinsäure-Therapie Was die generellen Hinweise anbelangt, so ist bei der Valproinsäure das Gleiche zu beachten wie beim Carbamazepin (siehe dort). Nachfolgend jedoch noch einige besondere Bemerkungen: - Voruntersuchungen: Hier gelten im Wesentlichen die gleichen Empfehlungen wie für Lithium und Carbamazepin (siehe jeweils dort). - Wahl des Valproinsäure-Präparates: Es gibt im deutschsprachigen Bereich mehrere Handelspräparate, aus denen der Nerven- und später Hausarzt in der Regel nach seiner Erfahrung eine Auswahl trifft. - Gegenanzeigen, Vorsichtsmaßnahmen und Anwendungsbeschränkungen sind eine Überempfindlichkeit gegen diese Substanz, ferner familiäre Lebererkrankungen, d. h. Leberleiden in der Verwandtschaft, besonders wenn sie auf Arzneimittel zurückzuführen sind, auf jeden Fall aber Lebererkrankungen in der eigenen Vorgeschichte und/oder aktuelle Leber- und Bauchspeicheldrüsen-Funktionsstörungen. - Arzneimittel-Wechselwirkungen betreffen beispielsweise andere Antiepileptika, ferner bestimmte Psychopharmaka, Antikoagulanzien (Arzneimittel gegen die Blutpfropfbildung: Thrombose und Embolie) sowie Schmerzmittel. Im Gegensatz zum Carbamazepin scheint die Valproinsäure auf hormonelle Kontrazeptiva ("Pille") keinen Einfluss auszuüben. - Die Einnahmehinweise sind dem jeweiligen Beipackzettel zu entnehmen. Eine drei- bis viermalige Dosis scheint die Regel zu sein, doch ist auch eine zweimalige Gabe pro Tag möglich, sofern der größere Teil am Abend eingenommen wird. Wichtig: Lösungen oder Tabletten nicht mit kohlensäurehaltigen Getränken wie Mineralwasser oder Ähnlichem einnehmen. - Einstellung und Anpassung der Valproinsäure-Dosis: Bei der Dosierung gibt es unterschiedliche Strategien. Grundsätzlich soll aber eine individuelle Empfindlichkeit berücksichtigt werden, die sich natürlich erst im Laufe der Behandlung herausstellt. Bei einer Hypomanie, also einem leichteren manischen Zustand beginnt man mit einer niedrigen Dosis, aufgeteilt in Einzelgaben, angepasst je nach Wirksamkeit/Nebenwirkungen. Bei der akuten Manie liegt die Tagesdosierung deutlich höher. In einer solchen Hochstimmung werden selbst relativ hohe Dosen offenbar problemloser vertragen. Bei der Langzeitmedikation variiert die Dosis individuell, d. h. nach den Erfahrungswerten, die der Patient und sein Haus- bzw. Nervenarzt gemeinsam in Erfahrung bringen. Die wirksame Serumkonzentration im Blut bewegt sich zwischen 50 und 150 µg/ml, also in einem relativ breiten Bereich, je nach individuelle Empfindlichkeit. Die Häufigkeit der Blutspiegelkontrollen bestimmt der Arzt. - Wirkverlust: Valproinsäure zeigt im allgemeinen keine Abschwächung seiner Wirkung, selbst nach jahrelanger Einnahme. Nach Therapieunterbrechung ist jedoch ein Wirkverlust nicht auszuschließen, wenn man plötzlich wieder darauf angewiesen ist. - Absetz-Symptome: Zu rasches Ausschleichen oder gar abruptes Absetzen sollten vermieden werden, es sei denn der Arzt empfiehlt dies aus unumgänglichen Gründen heraus. - Suchtgefahr: Valproinsäure macht nicht abhängig, auch nicht nach langjähriger Einnahme. - Eine Schwangerschaft unter Valproinsäure sollte vom gemeinsamen Urteil des betreuenden Haus-, Frauen- und Nervenarztes abhängen. Das Gleiche gilt für das Stillen. - Verkehr und Arbeitsplatz: Einige Nebenwirkungen können auch bei der Valproinsäure die Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen. Deshalb gelten hier wie bei allen anderen Phasen-Prophylaktika entsprechende Vorsichtsmaßnahmen (siehe unten). - Selbsttötungsgefahr: Die Gefährlichkeit der Valproinsäure bei Selbsttötungsabsichten ergibt sich aus den Überdosierungserscheinungen und Vergiftungsmöglichkeiten (siehe unten). Nebenwirkungen durch Valproinsäure Zwar wird auch die Valproinsäure gerne dann eingesetzt, wenn gewisse Nebenwirkungen der Lithiumsalze eine Umstellung erzwingen, doch ohne eigene Begleiterscheinungen geht es natürlich auch hier nicht ab. Allerdings halten sich die unerwünschten Begleiterscheinungen in Grenzen. Mit was ist zu rechnen? - Magen-Darm-Störungen: erhöhter Appetit, damit Gewichtszunahme (gelegentlich aber auch -abnahme). - Haarausfall: soll auf eine besondere Brüchigkeit der Haare zurückgehen. Manchmal wachsen die Haare später lockig wieder nach. - Zittern: meist dosisabhängig. - Missempfindungen wie Ameisenlaufen, Kribbeln, Pelzigkeitsgefühl usw. - Überproduktion von Speichel. - Durchfall oder dünner Stuhl. - Wasseransammlung (Ödeme) in den Geweben. - Blutbildveränderungen: Rückgang der weißen Blutkörperchen sowie Blutplättchen, gelegentlich Blutungen und verlängerte Blutungszeit. - Kopfschmerzen. - Erhöhung der Muskelspannung. - Koordinationsstörungen, was sich vor allem im Gehen und Stehen, aber auch sonstigen Bewegungs-Verunsicherungen äußern kann. - Verwirrtheit. - Müdigkeit bis zur Dämpfung. - Sonstiges: Schädigungen der Leber- und Bauchspeicheldrüse, Reaktionen des Immunsystems u. a.
Die Behandlung der meisten dieser Nebenwirkungen besteht in einer Korrektur des Valproinsäurespiegels durch Dosis-Anpassung. Überdosierungserscheinungen und Valproinsäure-Vergiftung Die Valproinsäure scheint auch in höheren Dosen eine nur relativ geringe Vergiftungsgefahr aufzuweisen. Im Allgemeinen ist das Vergiftungsbild charakterisiert durch Verwirrtheitszustände, Dämpfung bis zum Koma (Bewusstlosigkeit), Muskelschwäche sowie abgeschwächte bis aufgehobene Eigenreflexe. Schlussbemerkung zur Valproinsäure-Therapie Die Valproinsäure ist ein erfolgreiches Antiepileptikum, das sich aber auch für die Akutbehandlung eines manischen Syndroms sowie seine Rückfallvorbeugung empfiehlt. Die Nebenwirkungen halten sich in Grenzen. Günstig ist auch der Umstand, dass man es in besonders schwierigen Fällen mit anderen Arzneimitteln gut kombinieren kann, also mit Antidepressiva, Neuroleptika, vor allem aber Lithiumsalzen und Carbamazepin. Weitere BehandlungsmöglichkeitenNeben den psycho- und soziotherapeutischen Maßnahmen, in die auch unter ärztlicher Anweisung die Angehörigen, ja sogar Freunde und Kollegen mit eingebunden werden können, stehen eine Reihe weiterer Therapierverfahren zur Verfügung. Nachfolgend eine kurze Übersicht: · SCHLAFENTZUG Die Erkenntnis, dass ein Schlafentzug beim Gesunden zu den bekannten Einbußen, bei einem Depressiven aber zu einer überraschenden, wenngleich zeitlich begrenzten Besserung führen kann, ist alt. Doch erst in letzter Zeit ging man diesem Phänomen wissenschaftlich nach und fand, dass sich bei nicht wenigen Patienten mit sogenannter endogener (biologisch begründeter), mitunter auch psychogener (rein seelisch ausgelöster) Depression mit jeweils überwiegend körperlichem Beschwerdebild durch Schlafentzug folgende Symptome günstig beeinflussen lassen: depressive Herabgestimmtheit (vor allem mit Tagesschwankungen, z. B. Morgen- oder Abendtief), seelisch-körperliche und gemütsmäßige Hemmung oder Unruhe, ferner innere Spannung oder Getriebenheit, Angstzustände und Selbsttötungsneigungen. Das Interesse erwacht wieder, die Betroffenen fühlen sich freier, leichter, hoffnungsvoller. Das Verhalten wird aktiver, die allgemeine Mattigkeit weicht. Patient und Angehörige beginnen wieder zu hoffen. Leider treten in den folgenden Tagen nach Schlafentzug wieder Rückfälle auf, mitunter schon in der Folgenacht. Doch die anfangs belastende Depressionstiefe ist häufig überwunden. Daher werden Wiederholungen im Abstand von 5 bis 7 Nächten empfohlen. Natürlich gibt es auch Begleiterscheinungen: verstärkte Gereiztheit, Benommenheit und gewisse körperliche Beschwerden. Eine Verschlechterung der Depression ist jedoch im Allgemeinen nicht zu erwarten. Andererseits ist ein vollständige Genesung selten, auch durch wiederholten Schlafentzug. Immerhin lässt sich häufig eine schrittweise Besserung erreichen. Auch können sich die depressiven Phasen verkürzen. Am günstigsten ist die Kombination von Schlafentzug mit antidepressiv wirkenden Medikamenten. Dies betrifft nicht zuletzt die sogenannte therapieresistente Depression, die auf alle bisherigen Behandlungsmaßnahmen (Psychotherapie, soziotherapeutische Hilfen und Korrekturen, Pharmakotherapie u. a.) nicht befriedigend angesprochen hat. Verschiedene Behandlungsformen Bei der Schlafentzugs-Behandlung gibt es verschiedene Möglichkeiten. Am häufigsten praktiziert wird vor allem der Verlauf: - Totaler Schlafentzug: Der Patient bleibt die ganze Nacht und - wie stets - den folgenden Tag wach. Er kann sich nach Belieben beschäftigen, darf aber nicht einnicken. Die Besserung setzt meist in den frühen Morgenstunden ein. - Teilweiser Schlafentzug: Der Patient wird - nachdem er um 21.00 Uhr ins Bett gegangen war - um 0.30 Uhr oder 1.30 Uhr wieder geweckt und bleibt die Nacht und den ganzen folgenden Tag auf. Diese Form ist auch für den ambulanten Bereich geeignet. Auch hier zeigen sich gute Erfolge. Manche Experten halten diese Form für die wirkungsvollste. - Selektiver Schlafentzug: Hier werden im Schlaflabor bestimmte Schlafstadien entzogen, speziell die mehrmals pro Nacht auftretenden Tiefschlafphasen. Schließlich wird auch durch eine Phasenverschiebung des Schlafes ein antidepressiver Effekt diskutiert. Dabei wird der Schlaf nicht entzogen, wohl aber die Schlafzeit von gewöhnlich 23.00 bis 7.00 auf 17.00 Uhr 1.00 Uhr verlegt. Dies soll ebenfalls zu einer vorübergehenden Besserung führen und sich vor allem bei therapieresistenten Depressionen (siehe oben) im Allgemeinen sowie manisch-depressiven Erkrankungen im Besonderen nutzen lassen. Ambulanter Schlafentzug Schlafentzug ist auch ambulant durchführbar. Die Patienten kommen zunächst für die Dauer der Nacht auf eine Klinik-Station mit Nachtwache. Später können sogar Schlafentzugsversuche in der eigenen Wohnung durchgeführt werden. Dies gelingt meist dann, wenn der Patient die positive Wirkung einer solchen durchwachten Nacht in der Klinik kennen gelernt hat. Es ist also prinzipiell möglich, den Schlafentzug unter haus- oder nervenärztlicher Anleitung auch zu Hause einzusetzen.
· LICHTTHERAPIE Die Therapie der saisonalen oder Winterdepression (siehe das entsprechende Kapitel) besteht in einer Verlängerung der täglichen Lichteinwirkung mittels natürlichen oder künstlichen Lichts (Lichttherapie). Das künstliche Licht muss aber der spektralen Zusammensetzung des natürlichen Sonnenlichtes angepasst sein und eine mindest zehnfache Intensität normaler Zimmerbeleuchtung aufweisen. Das sind etwa 2 500 Lux (1 Lux = Lichtstärke eine Kerze) über wenigstens eine Woche, meist aber erheblich länger. Bei vorbeugender Wirkung im Herbst kann bei vielen dieser Patienten ein Rückfall verhindert werden. Das Licht dieser speziellen Leuchtgeräte muss jedoch die Netzhaut erreichen, weshalb Bräunungsapparate mit ihrem speziellen Anwendungsmodus bei abgedeckten Augen erfolglos sind. Im Vergleich zu einer medikamentösen Therapie soll die Lichttherapie (auch Phototherapie genannt) schneller (Maximum nach 3 bis 7 Tagen), aber evtl. nicht so ausgeprägt wirken. Setzt man sie ab, ist nach relativ kurzer Zeit wieder mit dem alten Beschwerdebild zu rechnen. Manche Patienten werden deshalb über den gesamten Herbst und Winter behandelt. Ernstere Nebenwirkungen (z. B. Kopfschmerzen, Überanstrengung der Augen oder das Auftreten einer leicht manischen Phase) sind selten, doch muss man vor allem auf jene Medikamente achten, die ggf. die Lichtempfindlichkeit erhöhen (also auch manche Antidepressiva sowie die Lithiumsalze).
· ELEKTROKRAMPFBEHANDLUNG Die Elektrokrampftherapie (EKT), auch "Elektroschocktherapie" oder Durchflutungsbehandlung u. a. genannt, ist zwar seit ihrer Entwicklung vor mehr als einem halben Jahrhundert umstritten, wird aber auch heute noch bei bestimmten Heilanzeigen, insbesondere der (endogenen) Depression mit z. T. erstaunlichem Erfolg eingesetzt. Auch wird sie seit jeher in bestimmten Nationen, die medizinisch führend sind, häufiger als im deutschsprachigen Bereich genutzt. Ohne in diesem Zusammenhang auf Einzelheiten einzugehen, pflegt man sie auch bei uns mit folgendem Kompromiss-Satz zu beurteilen: Man soll sie vermeiden, wo es geht, aber nicht verlernen. · PHYSIKALISCHE BEHANDLUNGSMAßNAHMEN Physikalische und Hydrotherapie wie Schulter- und Nackenmassage, Kneipp´sche Anwendungen, medizinische Bäder mit entsprechenden Zusätzen u. a. pflegen ein fester Bestandteil der Depressionstherapie in entsprechenden Fachkliniken zu sein. Sie sollten auch im ambulanten Bereich häufiger genutzt werden. · ENTSPANNUNGSÜBUNGEN Auch gezieltes Entspannungstraining mit verschiedenen Verfahren, insbesondere bei ängstlichen, körperlich beeinträchtigten und/oder angespannten Patienten hat sich als begleitende Therapiemaßnahme bei den meisten seelisch Kranken im allgemeinen sowie bei Depressiven im besonderen bewährt. Am günstigsten ist es jedoch, wenn man schon in gesunden Tagen entsprechende Verfahren gelernt hat (Autogenes Training, Yoga, progressive Muskelrelaxation), was sich dann in kranken Zeiten nutzen lässt. Sonst empfehlen sich eher indirekte, z. B. über Muskelentspannung oder Atemübungen wirksame Verfahren. · BESCHÄFTIGUNGS- UND ARBEITSTHERAPIE Die Beschäftigungs- und Arbeitstherapie ist aus dem bewährten Behandlungsrepertoire klinischer (und inzwischen sogar ambulanter) psychiatrischer Therapie nicht mehr wegzudenken. Arbeitstherapie im engeren Sinne ist bei den meisten Depressiven nicht ausgezeigt, denn hier geht es weniger um den Erwerb von Leistungsfähigkeit, sondern um die Milderung eines erhöhten Leistungsanspruchs. Dagegen gehört die Beschäftigungstherapie zum Bestandteil jeder Depressionsbehandlung, was auch zu Hause seinen Sinn macht. AUSBLICKNoch in der Mitte des 20. Jahrhunderts, also vor etwa 50 Jahren galt die Depression als Schicksalsschlag, dem man weitgehend hilflos ausgeliefert war. Jahrtausende lang waren Menschen mit einer Depression "verloren". Zwar vergeht die Depression wieder und es bleibt in der Regel nichts zurück, doch die Wochen und Monate in tiefer Schwermut sind unendlich qualvoll - ganz zu schweigen von jenen, die sie nicht mehr ertragen können und deshalb Hand an sich legen. Das hat sich deutlich gewandelt. Hilflos ist man heute nur noch, so lange niemand auf die richtige Diagnose kommt. Denn die modernen Behandlungsmöglichkeiten - psychotherapeutische Stützung, soziotherapeutische Korrekturen, antidepressive Arzneimittel und eine Reihe weiterer Therapiemaßnahmen - geben zu begründeter Hoffnung Anlass. Depressionen kann man heute wirkungsvoll mildern und deutlich abkürzen. Und man kann sogar einem Rückfall vorbeugen. Nur muss man um einige Besonderheiten wissen. Dazu gehört die Erkenntnis: Depression ist nicht gleich Depression. Tatsächlich gibt es eine erstaunliche Fülle depressiver Zustände, je nach Ursache und Verlauf. Und noch verwirrender wird es beim Beschwerdebild. Es gibt fast kein Symptom, das sich nicht auch in der Depression finden ließe. Davon soll man sich aber nicht verunsichern lassen. Das wichtigste ist überhaupt daran zu denken. Und dazu reichen schon einige wenige charakteristische Krankheitszeichen, die man sich merken sollte. Das rechtzeitige Daran-Denken, nicht zuletzt der Angehörigen, Freunde, Nachbarn, Kollegen, ist deshalb so entscheidend, weil der Patient selber oft keinen wesentlichen Beitrag zum raschen Erkennen liefern kann. Selbst wenn er seine Depression zum wiederholten Male durchleiden muss.
So ist die Depression mit den heutigen Möglichkeiten nur dann eine Qual, wenn man sie nicht rechtzeitig erkennt und damit gezielt behandelt. Hier einen kleinen Beitrag für Patienten und Angehörige, aber auch Freunde, Nachbarn und Kollegen geleistet zu haben, ist der Sinn dieser mehrteiligen Internet-Serie. Möge sie ihren Zweck erfüllen. Literatur Es dürfte kaum einen Themenbereich in der Psychopharmakotherapie geben, der ein so umfangreiches und vielfältiges Angebot an Fachbeiträgen einschließt wie bei der medikamentösen Behandlung der Depressionen. Dies gilt auch erfreulicherweise für allgemeinverständliche Sachbücher. Nachfolgend eine Auswahl entsprechender Fach- und Sachbücher. Barocka, A. (Hrsg.): Psychopharmakotherapie in Klinik und Praxis. Schattauer-Verlag, Stuttgart-New York 1998 Bauer, M., A. Berghofer (Hrsg.): Therapieresistente Depressionen. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1997 Benkert, O., H. Hippius: Psychiatrische Pharmakotherapie. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1996 Faust, V., H. Baumhauer: Psychopharmaka. Kurzgefasster Leitfaden für Klinik und Praxis. Lose-Blatt-Sammlung, ecomed-Verlag, Landsberg 1990 - 2000 Faust, V., H. Baumhauer: Psychopharmaka. ecomed-Verlag, Landsberg 1990 Faust, V., H. Baumhauer: Psychopharmaka in Stichworten. ecomed-Verlag, Landsberg 1992 Faust, V.: Psychopharmaka. Arzneimittel mit Wirkung auf das Seelenleben. Trias-Verlag, Stuttgart 1994 Faust, V.: Medikament und Psyche. Eine allgemeinverständliche Einführung zu Möglichkeiten, Grenzen und Gefahren. Band 1: Neuroleptika-Antidepressiva-Beruhigungsmittel-Lithiumsalze. Wiss. Verlagsges., Stuttgart 1995 (Grundlage vorliegender Ausführungen) Faust,V. (Hrsg.): Psychiatrie - Ein Lehrbuch für Klinik, Praxis und Beratung. Gustav Fischer-Verlag, Stuttgart-Jena-New York 1996 Faust, V.: Manie. Eine allgemeinverständliche Einführung in Diagnose, Therapie und Prophylaxe der krankhaften Hochstimmung. Enke-Verlag, Stuttgart 1997 Faust,V.: Schwermut. Depressionen erkennen und verstehen, betreuen, behandeln und verhindern. S. Hirzel-Verlag, Stuttgart-Leipzig 1999 (Grundlage vorliegender Ausführungen) Faust, V.: Angststörung - Depression - Somatisierungsstörungen - Schlafstörungen. Diagnose und Therapie mit pflanzlichen Psychopharmaka. Aesopus-Verlag, Stuttgart 2000 Faust, V.: Psychotrope Phytopharmaka. Aesopus-Verlag, Stuttgart 2000 Faust. V.: Pflanzenheilmittel und seelische Störungen. Wiss. Verlagsges., Stuttgart 2000 Fox, J. M., E. Rüther (Hrsg.): Handbuch der Arzneimitteltherapie. Thieme-Verlag, Stuttgart-New York 1998 Freyberger, H. J., R. D. Stieglitz (Hrsg.): Kompendium der Psychiatrie und Psychotherapie. Karger-Verlag, Basel 1995 Gastpar, M. (Hrsg.): Antidepressiva. Thieme-Verlag, Stuttgart-New York 1998 Greil, W. u. Mitarb.: Die manisch-depressive Krankheit. Therapie mit Carbamazepin. Thieme-Verlag, Stuttgart-New York 1994 Grohmann, R. u. Mitarb.: Unerwünschte Wirkungen von Psychopharmaka. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1994 Kielholz, P.: Diagnose und Therapie der Depression für den Praktiker. Lehmanns-Verlag, München 1971 König, F., V. Faust: Therapietabellen: Therapie psychiatrischer Erkrankungen: Depressionen - Angst/Panik/Zwang - Persönlichkeitsstörungen - Psychosen. Westermayer-Verlag, München 2001 Langer, G., H. Heimann (Hrsg.): Psychopharmaka - Grundlagen und Therapie. Springer-Verlag, Wien 1983 Laux, G. u. Mitarb.: Pharmakopsychiatrie. Gustav Fischer-Verlag, Stuttgart 2000 Laux, G. u. Mitarb.: Infusionstherapie bei Depressionen. Hippokrates-Verlag, Stuttgart 1997 Lenz, G., P. Fischer (Hrsg.): Behandlungsstrategien bei therapieresistenter Depression. Thieme-Verlag, Stuttgart-New York 1995 Linde, O. K. (Hrsg.): Pharmakopsychiatrie im Wandel der Zeit. Tilia-Verlag, Klingenmünster 1988 Möller, H.-J. u. Mitarb.: Psychopharmakotherapie. Kohlhammer-Verlag, Stuttgart 1989 Möller, H.-J. (Hrsg.): Therapieresistenz unter Antidepressiva-Behandlung. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1990 Möller, H.-J., M. Schmauß: Arzneimitteltherapie in der Psychiatrie. Wiss. Verlagsges., Stuttgart 1996 Möller, H.-J. (Hrsg.): Therapie psychiatrischer Erkrankungen. Thieme-Verlag, Stuttgart-New York 2000 Müller-Oerlinghausen, A. Berghöfer (Hrsg.): Ziele und Ergebnisse der medikamentösen Prophylaxe affektiver Psychosen. Thieme-Verlag, Stuttgart-New York 1994 Müller-Oerlinghausen, B. W. Greil, A. Berghöfer (Hrsg.): Die Lithiumtherapie. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1997 Nissen, G. u. Mitarb.: Kinder- und jugendpsychiatrische Pharmakotherapie. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1984 Riederer, P., G. Laux, W. Pöldinger (Hrsg.): Neuro-Psychopharmaka. Band 3: Antidepressiva und Phasenprophylaktika. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1993 Rudolf, G. A. E.: Therapieschemata Psychiatrie. Verlag Urban & Schwarzenberg, München 1992 Schou, M.: Lithium-Behandlung der manisch-depressiven Krankheit. Thieme-Verlag, Stuttgart-New York 1991 Spiegel, R.: Einführung in die Psychopharmakologie. Verlag Hans Huber, Göttingen 1995 Walden, J., H. Gunze: Bipolare affektive Störungen: Ursachen und Behandlung. Thieme-Verlag, Stuttgart-New York 1998 Wiegand, M. H.: Schlaf, Schlafentzug und Depression. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1995 Wolfersdorf, M. (Hrsg.): Depressionsstation - stationäre Depressionsbehandlung. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1997 |
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Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise. |