Prof. Dr. med. Volker Faust Psychosoziale Gesundheit von Angst bis Zwang Seelische Störungen erkennen, verstehen, verhindern, behandeln |
FRAU UND SEELISCHE STÖRUNG (5)Kapitel 5: Klimakterium und psychosoziale Folgen Wechseljahre - Klimakterium - Menopause - Perimenopause
Erwähne Fachbegriffe: Wechseljahre - Klimakterium - Menopause - Monatsblutung - "Mitte des Lebens" - Perimenopause - Postmenopause - Menarche - Climacterium virile - klimakterisches Beschwerdebild - Leeres-Nest-Syndrom - Fertilitäts-Einbußen - Libido - sexuelle Aktivität - Potenz - Trennung - Scheidung - Verwitwung - Einsamkeit - Involutionsdepression - Depression im Rückbildungsalter - klimakterische Depression - Jammerdepression - Nervenschwäche - perimenopausales dysphorisches Syndrom - depressive Erkrankung in der Perimenopause - hyperästhetisch-emotionaler Schwächezustand - Gemütslabilität - Affektlabilität - Affektinkontinenz - Angstzustände - Merk- und Konzentrationsstörungen - Interesselosigkeit - rasche Erschöpfbarkeit - Schlafstörungen - prämenstruelles Syndrom - postpartale Dysphorie - Maternity Blues - Postpartum-Blues - perimenopausale Depression - Hitzewallungen - Kälteschauer - Hormonsturz - Kontrazeptiva - "Pille" - Hormonsubstitutionstherapie - Östrogen-Substitutionstherapie - Psychopharmaka - Antidepressiva - Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) - nicht-medikamentöse Behandlungsvorschläge - transkulturelle Aspekte der westlichen Frau u.a.m. Etwa jede zehnte Frau steht in den sogenannten Wechseljahren. Mehr als Dreiviertel davon ist in diesem Zeitraum zwischen etwa 45 und 55 vielschichtigen seelischen, psychosozialen und körperlichen Befindensschwankungen oder Beschwerden unterschiedlicher Intensität ausgesetzt (Menopausen-Syndrom). Etwa jede zweite Betroffene sucht deshalb einen Arzt auf. Man schätzt, dass nur etwa jede fünfte Frau ohne jegliche Beeinträchtigungen durch diese Umstellungsphase kommt. Um was handelt es sich hier und vor allem: was kann man tun? Begriff und Definition Der Begriff Klimakterium wird oft bedeutungsgleich mit dem Wort Perimenopause gebraucht. Übersetzt heißt dies soviel wie "zeitlich um die Menopause herum". Gemeint ist eine unterschiedlich lange Zeitspanne von etwa fünf bis sieben Jahren vor der letzten Regelblutung, der Menopause mit einem charakteristischen Beschwerdebild. Danach beginnt die sogenannte Postmenopause, also ein individuell unterschiedlich langer Zeitabschnitt nach der oftmals schwierigen Menopause. Die Postmenopause geht schließlich mehr oder weniger spürbar in das Senium über. Unter Senium versteht man das individuell zeitlich sehr unterschiedlich beginnende "Greisenalter" mit seinen körperlichen, seelischen und geistigen Einschränkungen. Häufigkeit klimakterischer Beschwerden Über die Häufigkeit klimakterischer Beschwerden gibt es unterschiedliche Angaben, je nach Art der Erfassung (mehr gynäkologisch, mehr psychiatrisch orientiert) und vor allem je nach Schweregrad. Der kann zwischen "leicht" über "erträglich" bis "ausgeprägt" oder gar "quälend" variieren. Gesamthaft gesehen trifft es - wie eingangs erwähnt - etwa Dreiviertel aller Frauen in den Wechseljahren, wenngleich mit unterschiedlicher Intensität. Welche Symptome belasten nun am häufigsten? Das Beschwerdebild des Klimakteriums Unter den körperlichen Beeinträchtigungen stehen an erster Stelle Hitzewallungen und kalte Schweißausbrüche (Fachbegriff: vasomotorische Störungen). Beide äußern sich meistens nachts und verstärken dadurch die Schlafstörungen, ein Leiden, das ohnehin das weibliche Geschlecht ab dieser Zeit noch häufiger betrifft als sonst. Daneben belasten Kopf- und Gelenkschmerzen, Herzklopfen, Schwindelgefühle, Atemenge u.a. Diese Symptome sind im übrigen sowohl internistisch als auch psychiatrisch abzuklären. Der Internist denkt dabei beispielsweise an eine Hyperthyreose (Überfunktion der Schilddrüse), der Psychiater an eine Panikattacke, die sich ja meist körperlich äußert, weshalb sie in der Regel "nur" kardiologisch und nicht auch psychiatrisch abgeklärt wird. Einzelheiten dazu siehe die entsprechenden Kapitel (z. B. Angststörungen). Neben den in der Tat mitunter überaus lästigen körperlichen Symptomen gilt es aber in vielen Fällen auch seelische, ja sogar kognitive (intellektuell-geistige) Beeinträchtigungen durchzustehen. Das sind eine ausgeprägte Gemütslabilität (Fachausdruck: affektlabil bis affektinkontinent) mit vermehrter Weinerlichkeit, ferner länger anhaltende traurige Verstimmungen, verstärkte Ängstlichkeit bis längere Angstzustände, und vor allem - zahlenmäßig wahrscheinlich am häufigsten - eine vermehrte innere Unruhe, Anspannung, Nervosität, ja Reizbarkeit bis (unterschwellige) Aggressivität. Sehr beeinträchtigend sind auch Interesselosigkeit, Merk- und Konzentrationsstörungen bis Vergesslichkeit und eine rasche körperliche, aber auch seelische Erschöpfbarkeit bzw. länger anhaltende Mattigkeit. Auch in sexueller Hinsicht gibt es Probleme, vor allem eine nachlassende Libido (sexuelle Lust und damit auch Aktivität). Psychosoziale Belastungen Das Menopausen-Syndrom gilt als sogenannte "Multi-System-Erkrankung", also ein Leidensabschnitt, der mehrere Ursachen auf verschiedenen Ebenen hat. Über die eindeutige Hauptursache, nämlich die biologischen, d. h. hormonellen Veränderungen siehe die entsprechende Fachliteratur. Nicht zu unterschätzen sind allerdings auch die sogenannten Veränderungen im sozialen Umfeld, also häufig einschneidende, wenn nicht gar lebens-entscheidende Ereignisse in der "Mitte des Lebens" zwischen 45 und 55. Da gilt es beispielsweise folgende Belastungen zu beachten, die zwar fast alle vorhersehbar, in der Mehrzahl sogar erwünscht sind, aber eben trotzdem das Leben nachhaltig verändern können. Im einzelnen:
Auch scheinen Frauen mit geringerer Schulbildung (und damit ohne entsprechende Ausweich- oder Ausgleichmöglichkeiten) stärker gefährdet zu sein. Gemütserkrankungen im Klimakterium? Schon vor über 100 Jahren wurde von psychiatrischer Seite eine Häufung von Gemütsstörungen im Klimakterium beschrieben - und kontrovers diskutiert: vor allem depressive Verstimmungszustände. Auch in den kommenden Jahrzehnten kam es zu keiner Klärung. Zwei Fachbegriffe waren es, die die Diskussion lange beherrschten: zum einen die Involutionsdepression, zum anderen die sogenannte klimakterische Depression. · Einzelheiten zur Involutionsdepression siehe Kasten.
· Ähnliches gilt für die klimakterische Depression, die aber als einheitliches Krankheitsbild ohnehin nie zur Diskussion stand. Zu uneinheitlich ist letztlich das Bild, das die Wechseljahre auslösen, wenn es zu ernsteren Gemütsstörungen kommt. Schließlich ist die Menopause ein natürlicher und erwarteter Übergang im Lebenszyklus der Frau. Die meisten kommen deshalb mit dieser Phase auch ganz gut zurecht, von einigen Beeinträchtigungen körperlicher und bisweilen seelischer und psychosozialer Art abgesehen. Dass es aber trotzdem Betroffene gibt, denen ein halbwegs erträglicher Übergang nicht vergönnt ist, ist auch keine Frage. Deshalb empfiehlt man inzwischen eine genauere Differenzierung in das sogenannte "perimenopausale dysphorische Syndrom" und eine depressive Erkrankung in der Perimenopause. Was heißt das? · Unter einem perimenopausalen dysphorischen Syndrom versteht man eine unmittelbar endokrin verursachte Störung der "inneren Drüsen", d. h. konkret durch hormonelle Veränderungen, ausgelöst durch einen zunehmenden Mangel an bestimmten Sexualhormonen wie Östrogene, Progesteron und Androgene. Früher kursierte in Fachkreisen der Begriff des sogenannten hyperästhetisch-emotionalen Schwächezustands, der das Leidensbild lediglich beschreiben sollte und bei mancherlei Ursachen auftreten konnte. Gemeint war letztlich eine Überempfindlichkeit mit seelischen, körperlichen (treffender: psychosomatisch interpretierbaren) und psychosozialen Folgen, die letztlich alle auf eine Minderung des Wohlbehagens und eine Herabsetzung des Antriebs, des Tatendranges, ja der Widerstandskraft im seelischen und körperlichen Bereich hinaus liefen (im Französischen spricht man von einem Darniederliegen des "élan vital"). Charakteristisch sind die bereits erwähnten Symptome (in abnehmender Häufigkeit): erhöhte Reizbarkeit, Weinerlichkeit, Angstzustände, Gemütslabilität, traurige Verstimmung, Merk- und Konzentrationsstörungen, Interesselosigkeit, rasche Erschöpfbarkeit, Schlafstörungen und nachlassende Libido. Dieser, in der Tat sehr zermürbende Zustand, je nach Intensität des Leidensbildes, findet sich auch bei anderen hormonell verursachten Beeinträchtigungen wieder, insbesondere vor der Monatsblutung (Fachbegriff: prämenstruelles Syndrom) und nach der Geburt (Fachbegriffe: postpartale Dysphorie, 'Maternity Blues' oder 'post partum-Blues'). · Davon abzugrenzen ist nach Meinung mancher Fachleute die sogenannte perimenopausale Depression: Hier herrschen offensichtlich andere Bedingungen, und zwar sowohl nach Schweregrad als auch Ursache. So finden sich eindeutige Depressions-Symptome, also nicht nur traurige Verstimmungen, Niedergeschlagenheit, Resignation und Gemütslabilität, sondern eine ausgeprägte seelische und körperliche "Herabgestimmtheit", ferner Freudlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Entscheidungsunfähigkeit, Gedankenkreisen und Grübelsucht, oft auch Antriebsarmut, Interesselosigkeit, Willens- und Denkhemmung (bis hin zur gefürchteten "Leere im Kopf"), schließlich Selbstvorwürfe, ja Lebensüberdruss u.a. Und eine Vielzahl körperlicher (bzw. psychosomatischer) Beschwerden, die in ihrer quälenden Intensität den oben erwähnten hyperästhetisch-emotionalen Schwächezustand bei weitem übertreffen. Mit anderen Worten: Hier liegt tatsächlich eine krankhafte Verstimmung, also eine Depression vor, die sich entweder zum ersten Mal während der Menopause äußert oder früher schon einmal beeinträchtigte, um unter den jetzigen biologischen Bedingungen erneut auszubrechen. Denn hormonelle Umstellungsvorgänge sind erfahrungsgemäß problematisch für eine "Depression im Wartestand". Das betrifft die Monatsblutung, den "Hormonsturz" nach einer Geburt, ja gelegentlich sogar die erstmalige Monatsblutung (Menarche) - und natürlich das Klimakterium. Hätte man bisher - so die Experten - diese beiden durchaus unterschiedlichen Beschwerdebilder sauber auseinander gehalten, wäre man auch nicht durch so viele voneinander abweichenden Untersuchungsergebnisse verwirrt worden. Inzwischen aber trennt man hier genauer, was nicht nur für die Diagnose, sondern auch für die Therapie entscheidend ist. Als Verstärker in beiden Fällen (perimenopausales dysphorisches Syndrom sowie perimenopausale Depression) gelten insbesondere die vasomotorischen Störungen wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche mit auf Dauer zermürbenden Schlafstörungen, wenn sie vor allem nachts belästigen. Je schwerer diese Beeinträchtigungen, umso größer das Risiko, sowohl ein perimenopausales dysphorisches Syndrom als auch bei entsprechender Veranlagung eine perimenopausale Depression zu bekommen. Abgesehen von diesen hormonell bedingten Beeinträchtigungen (Fachbegriff: neuroendokrinologische Veränderungen) spielen natürlich auch bestimmte psychosoziale Aspekte für den Ausbruch beider Leiden eine Rolle (Einzelheiten siehe der Abschnitt: Was kann man psychologisch tun?). Problematisch aus rein biologischer Sicht scheinen dabei noch folgende Erkrankungsrisiken zu sein: Wer schon früher unter der Einnahme von Kontrazeptiva ("Pille") oder vor der Monatsblutung mit seelisch-körperlichen Beeinträchtigungen zu kämpfen hatte (siehe das Kapitel über das prämenstruelle dysphorische Syndrom) muss eher mit entsprechenden Folgen im Klimakterium rechnen. Und natürlich auch jene, die bereits früher eine endogene (biologisch geprägte) Depression oder auch einen ernsteren Verstimmungszustand nach der Geburt (postpartale Depression) zu erleiden hatten. Und schließlich scheint die Regel zu gelten:
Was kann man medikamentös tun? Als erstes ist zu unterscheiden zwischen dem - meist leichteren - perimenopausalen dysphorischen Syndrom und der schwereren biologisch-endogenen Depression in diesem Lebensabschnitt. Danach richten sich die sogenannten differentialtherapeutischen Empfehlungen (was ist für wen am erfolgreichsten). Dabei bieten sich folgende Behandlungsstrategien an: 1. Eine Hormon-Substitutionstherapie Im Einzelnen: · Eine Östrogen-Substitutionstherapie (Einzelheiten siehe die entsprechende Fachliteratur) ist vor allem dort erfolgreich, wo zu den seelischen und psychosozialen auch körperliche Symptome hinzukommen, die nach bisheriger Erfahrung eindeutig auf ein Defizit an Östrogenen hinweisen. Beispiele: nächtliche Hitzewallungen und Schweißausbrüche. Wer unter den Folgen einer Hysterektomie (operative Entfernung der Gebärmutter) oder Ovarektomie (operative Entfernung der Eierstöcke) leidet, soll besonders gut auf eine solche Östrogen-Substitution ansprechen. · Wenn es sich allerdings um eine Depression handelt, die auf eine endogene Ursache zurückgeführt werden kann (erbliche Belastung, schon frühere depressive Phasen, z. B. nach einer Geburt), dann ist die alleinige Gabe von Östrogenen bei einer solchen Depression in der Menopause nicht ausreichend. Hier, also bei einer Depression mit seelischem, psychosozialem und biologischem Hintergrund, ist auf jeden Fall die Behandlung mit Antidepressiva (stimmungsaufhellende Psychopharmaka) das Mittel der Wahl. Und auch beiden meisten Fällen von perimenopausalem dysphorischem Syndrom sollte nach Meinung der Experten - wenn Medikamente sein müssen - bei ernsteren Gemütsbeeinträchtigungen der Versuch mit einem stimmungsaufhellenden Antidepressivum gemacht werden. Dabei mehren sich die Hinweise, dass besonders die neueren Antidepressiva vom Typ der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) besonders günstig seien. · Eine kombinierte, d.h. antidepressive und hormonelle Therapie soll besonders bei jenen Patientinnen zweckmäßig sein, die während des Klimakteriums immer wieder mit depressiven Rückfällen seitens ihrer schon von früher her bekannten endogenen Depression gepeinigt werden. Dies besonders dann, wenn vor allem das körperliche Beschwerdebild zermürbt, insbesondere vegetative Beeinträchtigungen wie die erwähnten Hitzewallungen, Kälteschauer, Schlafstörungen u.a.
Und was kann man psychologisch tun? Wenn etwa jede zehnte Frau in Deutschland in den sogenannten Wechseljahren steht und mehr als Dreiviertel von ihnen während dieser Zeit "in der Mitte des Lebens" vielschichtigen seelischen, psychosozialen und körperlichen Beeinträchtigungen oder Beschwerden ausgesetzt sind, dann sollte vor allem etwas in psychologischer Hinsicht geschehen - aber da gibt es unverständliche Defizite, was die natürliche "Lebens-Strategie" anbelangt: In leichteren Fällen, und das ist die Mehrzahl der Frauen, machen es die Betroffenen mit sich selber aus. Bei mittelschweren Beeinträchtigungen bedarf es schon gewisser Unterstützungsmaßnahmen, schwer Betroffene sind wirklich beklagenswerte Opfer einer wenn auch natürlichen Altersentwicklung. Hier sollte man psycho- und soziotherapeutische Maßnahmen im weitesten Sinne nutzen. Zu den sogenannten nicht-medikamentösen Behandlungsvorschlägen eines solchen Menopausen-Syndroms gehören beispielsweise: - Das Führen eines Symptom-Kalenders (tägliches Notieren für einen Monat), um sich über Art, Häufigkeit und Intensität dieses "Leidens" ein genaues Bild zu machen
Die "westliche Frau" unter transkulturellen Aspekten Die sogenannten Industrie-Nationen, die sich auch gerne als zivilisatorische Nationen bezeichnen: modern, aufgeschlossen, aktiv und erfolgreich, haben bekanntermaßen auch ihre Nachteile. Dies betrifft nicht zuletzt die Frau in den Wechseljahren. Im Gegensatz zu nicht wenigen asiatischen, afrikanischen und arabischen Kulturen wird der Frau in der westlichen Welt nur in jungen Jahren ein erstrebenswertes Image zugestanden. Während andernorts dem weiblichen Geschlecht in den Wechseljahren vorher nie gewährte Freiheiten eingeräumt werden und sich damit ihr sozialer Status erhöht (weshalb es beispielsweise Länder gibt, in denen perimenopausale Depressionen praktisch unbekannt sind), erwachsen Frauen in den westlich orientierten Ländern in dieser Phase ihres Lebens eher Schwierigkeiten im "sozialen Rollenspiel". So ist die Menopause zwar überall biologisch verursacht und sicher auch in allen Kulturen nicht ohne körperliche Folgen. Doch die nicht unerheblichen seelischen und psychosozialen Konsequenzen häufen sich offenbar bei uns. Dies scheint nicht zuletzt ein gesellschaftliches Problem zu sein und hat deshalb auch die Soziologen zu entsprechenden Untersuchungen veranlasst. Und hier sind einige Erkenntnisse durchaus bemerkenswert: - Denn die Krise vieler Frauen in den Wechseljahren basiert zuerst einmal darauf, dass das Bild einer 50-Jährigen für junge Leute nichts Anziehendes hat. Dies sonderbarerweise im Gegensatz zum Mann gleichen Alters, der sich hier sogar noch "in den besten Jahren" befinden soll. Da aber das werbepsychologisch aufgezwungene Ideal unserer Zeit die Jugend ist, die mit allen Mitteln verlängert werden muss, hat die Frau in der "Mitte ihres Lebens" einen schon psychologisch schweren Stand. - Ein weiterer, kaum beachteter, aber bedeutsamer Faktor ist die mangelhafte Vorbereitung auf diesen wahrhaftig nicht unwichtigen Teil des Lebens, der ab den Wechseljahren beginnt: In der Tat wird die Frau in unserer Gesellschaft nicht auf diesen Lebensabschnitt vorbereitet. Alles zielt auf die Ausbildung in Beruf, Haushalt und vor allem Mutterschaft ab. Doch von dem halben Jahrhundert als Erwachsener wird fast die Hälfte nur mit dem Ehemann, aber ohne die Kinder verbracht. Die sicher glückliche, aber begrenzte Zeit der "jungen Mutter" nimmt erfahrungsgemäß den kürzeren Zeitanteil der erwachsenen Frau ein, kann sich aber in der Regel auf die längste Vorbereitungszeit stützen. Dagegen wäre im Grunde nichts einzuwenden, ist doch diese Phase ein Zeitraum großer Verantwortung, eventuell sogar Belastung. Leider bleibt dabei aber offenbar nicht viel übrig für die wichtige Zäsur im Leben der reifen Frau, in der biologische, psychodynamische, familiäre und psychosoziale Änderungen von einschneidender Bedeutung zusammenfallen. Damit - so glaubt man - müsse jede Frau selber fertig werden, sie sei ja nun "erwachsen genug". Dabei wird gerne die alte Erkenntnis vergessen, die sich nebenbei auf praktisch alle wichtigen Elemente des Lebens bezieht: Lernen und vorbereiten kann man sich am besten zuvor. Nicht oder nur unzureichend hingegen in der kritischen Phase selber, was ja viel Kraft und Reserven kostet. Aus sozialpsychologischer Sicht wäre es deshalb wichtig, möglichst früh auf die Wechseljahre bewusst hin zu leben. Diese Zeit darf nicht als drohender Verlust von Jugend ("Höhepunkt des Lebens"), Attraktivität, geistiger, körperlicher, vor allem aber sexueller Leistungsfähigkeit und damit als Minderung oder Zusammenbruch des Selbstwertgefühls abgewertet werden. Nach den Wechseljahren beginnt - statistisch gesehen - noch ein volles Drittel des Lebens. Und sicher nicht das Schlechteste, wenn man seine Vorteile zu nutzen versteht. LITERATUR Ein Thema, das seit jeher die Betroffenen, ihre Angehörigen, Freunde, Mitarbeiter, Vorgesetzten und Untergebenen, die behandelnden Ärzte und nicht zuletzt deshalb die Wissenschaft beschäftigt. Zahlreiche Fachpublikationen und -bücher sowie allgemeinverständliche Veröffentlichungen in jeder Form. Nachfolgend nur eine - auch historisch interessante - knappe Übersicht zum Thema im weitesten Sinne: Arnim-Baas, A.: Befindlichkeit von Frauen im Klimakterium. Persönlichkeit, Berufstätigkeit und Beschwerdebild. Quinte Essenz-Verlag, Berlin 1995 Banger, M.: Affektive Störungen im Klimakterium. In: A. Riecher-Rössler, A. Rohde (Hrsg.): Psychische Erkrankungen bei Frauen. Karger-Verlag, Basel 2001 Rockington, I. F., M. Lanczik: Psychiatrische Erkrankungen bei Frauen. In.: A. Helmchen u. Mitarb.(Hrsg.): Psychiatrie der Gegenwart, Band 3: Psychiatrie spezieller Lebenssituationen. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New-York 2000 Kast, V.: Psychodynamik der Frau im mittleren Lebensalter. In.: V. Faust (Hrsg.): Psychiatrie - Ein Lehrbuch für Klinik, Praxis und Beratung. Gustav Fischer-Verlag, Stuttgart-Jena-New York 1996 Kast, V.: Trauer. Phasen und Chancen des psychischen Prozesses. Kreuz-Verlag, Stuttgart 1987 Kast, V.: Loslassen und sich selber finden. Herder-Spektrum, Freiburg 1991 Lehr, U.: Klimakterium - sozialpsychologische Aspekte. In.: D. Richter, M. Stauber (Hrsg.): Psychosomatische Probleme in Geburtshilfe und Gynäkologie. Kehrer-Verlag, Freiburg 1993 Richter, D., M. Stauber: Psychosomatik in Gynäkologie und Geburtshilfe. In: Th. v. Uexküll (Hrsg.): Psychosomatische Medizin. Urban & Schwarzenberg, München-Wien-Baltimore 1986 Richter, D., M. Stauber: Gynäkologie und Geburtshilfe. In: Th. v. Uexküll (Hrsg.): Psychosomatische Medizin. Urban & Schwarzenberg, München-Wien-Baltimore 1996 Zander, J., R. Goebel (Hrsg.):Psychologie und Sozialmedizin in der Frauenheilkunde. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1977 |
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Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise. |