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PORNOGRAFIE IN DEN MEDIEN

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Pornografie: ein Reizwort in unserer Zeit und Gesellschaft, das für viel Diskussionsstoff sorgt.

Nachfolgend deshalb eine kurz gefasste Übersicht, was in der Medien-Psychologie dazu bisher wissenschaftlich erarbeitet wurde:

Definition, Inhalte, Nutzung, Märkte, Befürchtungen (sexuelle Gefühllosigkeit, Nötigung, Vergewaltigung, Zerstörung der Familie, sexuelle Unzufriedenheit), Wirkungsmechanismen (soziales Lernen, sozialer Vergleich, Verallgemeinerung sexueller Darstellungen), medien-psychologische Studien und ihre Ergebnisse (unmittelbare Reaktion, Einstellung zur Sexualität, Neigung zur sexueller Gewalt, Einstellung zu Familie und Kinderwunsch, Zufriedenheit mit der eigenen Sexualität), entwicklungsgeschichtliche und erotische Aspekte, Pornografie und Medienpolitik u. a.

Der Text im Original über die Pornografie in den Medien aus dem Lehrbuch der Medienpsychologie und selbst in vorliegender Übersicht ist nicht einfach zu lesen. Auch wird er in einzelnen Schlussfolgerungen sicher nicht ohne Widerspruch bleiben. Er enthält aber trotz allem so manche (bittere) Erkenntnis, von der die Wichtigste in der trockenen Formulierung des Autors Prof. Dr. Dolf Zillmann von der Universität Alabama/USA lautet:

„Ein erkennbarer Effekt der Pornografie-Nutzung auf die allgemeine Lebenszufriedenheit ergibt sich nicht. Das utopische Vergnügen, das die Welt der Pornografie vorgaukelt, führt im Gegenteil zu sexueller, emotionaler und genereller Unzufriedenheit“.


Erwähnte Fachbegriffe:

Pornografie – Medien – Medienpsychologie – Pornografie etymologisch - Erotik – Sexualität – Pornografie und Öffentlichkeit, Moral, Ästhetik – Pornografie mit Zwangsausübung – Pornografie mit Gewalt – affektive Bindung – Zärtlichkeit – Liebe – Promiskuität – sexuelle Dominanz – Nymphomanie – Nymphomanie-Mythos – Fellatio – Cunnilingus – Vergewaltigung – Vergewaltigungs-Mythos – Kinder-Pornografie – Pädophilie – Homosexualität – Fetischismus – Sodomie – Zoophilie – Sadomasochismus – Masturbation – Gruppensex – Pornografie und organisierte Kriminalität – Pornografie als Vorspiel – Frau als Sexual-Objekt – Hass auf Frauen ? Feindseligkeit ? Verachtung – sexueller Missbrauch – Familien-Auflösung – Familien-Erosion – Pornografie und Familiengründung – Pornografie und Kinderwunsch – Pornografie und sexuelle Zufriedenheit – Exemplifikations-Theorie – Pornografie und Selbsttäuschung – soziales Lernen in der Sexualität – Vergleich sexueller Verhaltensweisen – Pornografie und unmittelbare Reaktion – Pornografie und Einstellung zur Sexualität – Pornografie und sexuelle Gefühllosigkeit – Pornografie und Kriminalität – Trivialisierung von Vergewaltigung – sexueller Missbrauch von Kindern – Pädophilie – Pornografie und Neigung zu sexueller Gewalt – Psychose und Pornografie-Folgen – Pornografie und sexuelle Devianz – Pornografie und Gesellschaft – Pornografie und Politik – Pornografie und Wissenschaft – Pornografie und Literatur u.a.m.

Pornografie – ein inzwischen führendes Thema in unserer Zeit und Gesellschaft, auch wenn es gerne in Abrede gestellt wird. Hätte es diese zwiespältige Spitzenposition auch ohne Medien? Das gilt es zu prüfen.

Etymologisch (worterklärend) hat der Begriff Pornografie eine uralte und dabei eindeutige Bedeutung: „Schriften über Huren“. Oder konkreter: „Jemand, der über Huren schreibt“. Die meisten modernen Lexika definieren es jedoch vornehmer, etwa im Sinne von: Darstellung sexueller Handlungen, vor allem zur Auslösung sexueller Erregung.

Pornographie/Pornografie – etymologische Aspekte
  • Pornographie/Pornografie gilt als Bezeichnung für obszöne sprachliche und/oder bildliche Darstellung sexueller Akte. Der Begriff wurde im 19. Jahrhundert aus dem französischen pornographie mit gleicher Bedeutung entlehnt. Etymologisch handelt es sich um eine Wortbildung aus pornograph = „Verfasser unzüchtiger Schriften“, entlehnt aus dem griechischen pornográphos = „Jemand, der über Huren schreibt“. Das griechische Wort enthält als ersten Bestandteil pórne = „Hure“ und zum zweiten gráphein = schreiben.
  • Pornografisch heißt also soviel wie „die Pornographie betreffend“, wobei laut Duden zumindest im 19. Jahrhundert der Begriff „obszön“ dazu gehörte.

Nach Duden-Etymologie, Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache, Mannheim 1989

Dabei drängt sich sofort die Frage auf: Was ist der Unterschied zwischen Pornografie und erotischen Darstellungen? Letztere werden offensichtlich ähnlich definiert, nur auf gleichsam höherer Ebene, im dem sie sich durch ihren größeren literarischen und künstlerischen Wert unterscheiden. Pornografie wäre also eine niedere Erotik.

- Pornografie als „das Obszöne, …das Zügellose, das Unzüchtige, … das Lüsterne, das Wollüstige, das Unanständige, das Schmutzige und Dreckige.

- Erotik als Darstellung unschädlicher, sinnlicher Sexualität (nach E.A. Linsley, 1989).

- Oder die Unterscheidung zwischen „guter“ Erotik und „schlechter“ Pornografie:

- - Pornografie, als Darstellungen von Sex, in denen „Gewalt, Dominanz und Zwang“ ausgeübt werden, in denen Frauen die gewalttätige Beherrschung und Erniedrigung durch Männer zu genießen scheinen.

- - Erotische Darstellungen enthalten im Gegensatz dazu solche verwerflichen Handlungen nicht und zeigen stattdessen „für alle Beteiligten die angenehmen Seiten von Sex zwischen Menschen, die genug Macht besitzen, um aus freiem Willen daran teilzunehmen“ (nach der Feministin Gloria Steinem, 1980).

Aus R. Mangold u. Mitarb. (Hrsg.): Lehrbuch der Medienpsychologie, 2004

Historische Aspekte

Pornografie ist so alt wie die Menschheit (konkret: die Kunst des Geschichten-Erzählens). Lange Zeit litt sie aber unter einem entscheidenden Defizit, nämlich einer mangelhaften Wirklichkeitstreue ihrer Darstellungen. Außerdem waren ihre Produkte, z. B. Zeichnungen und Gemälde, nur wenigen Privilegierten zugänglich.

Das hat sich geändert: Moderne, leistungsfähige Technologien zur Herstellung und Verbreitung ermöglichen es heute jedermann (einschließlich Jugendlichen und sogar Kindern) alle Formen sexueller Betätigung heranzuziehen, und zwar in graphischer Detailfülle, in authentischen Farben und bewegten Bildern – so perfekt wie noch nie. Jedes Mitglied der Gesellschaft ist, so scheint es, aufgeklärt über sexuelle Möglichkeiten, die meist noch jenseits der eigenen begrenzten Vorstellungen (und praktischen Realität) liegen.

So nimmt es nicht wunder, dass die anregende Kraft einer derartigen Fantasie-Anregung und -Motivation einen großen Einfluss auf die Sexualität insgesamt ausübt, erklärt Prof. Dr. Dolf Zillmann von der Universität Alabama/USA in seinem lesenswerten Kapitel über Pornografie in dem Lehrbuch der Medienpsychologie im Hogrefe-Verlag für Psychologie, 2004 (siehe Kasten):

Dolf Zillmann: Pornografie. Aus: R. Mangold, P. Forderer, G. Bente (Hrsg.): Lehrbuch der Medienpsychologie. Hogrefe-Verlag für Psychologie, Göttingen-Bern-Toronto-Seattle 2004. 830 S., € 69,95. ISBN: 3-8017-1489-6

Über die Folgen ist man sich allerdings uneins. Die Meinungen gehen weit auseinander. Die einen befürchten die Gesellschaft würde „übersexualisiert“ und sexuelle Anomalien würden sich zu Alltäglichkeiten und damit zu einem Problem für die Gesellschaft entwickeln. Andere betrachten die Diffusion von Pornografie in die Gesellschaft als befreiende Revolution, die neue Wege zu einer immer weiter wachsenden sexuellen Gratifikation aufzeigt und anregt (D. Zillmann).

Viele, wahrscheinlich die schweigende Mehrheit in der westlichen Welt, insbesondere den europäischen Kulturen, haben Pornografie aber offensichtlich als einen Teil der so genannten sexuellen Revolution nicht nur stillschweigend hingenommen, sondern sogar begrüßt. In einigen Nationen ist der Widerstand allerdings größer, z. B. in den USA (was zumindest zum Einsetzen politischer Ausschüsse geführt hat, wenn auch nicht gerade mit durchschlagenden Konsequenzen).

Immerhin ist dadurch die Wissenschaft mit entsprechenden Forschungsprojekten beauftragt worden, die besonders von Medienpsychologen und Sozialwissenschaftlern getragen werden. Das hat dazu geführt, dass die notwendigen Kenntnisse über das kritische Thema „Pornografie und Medien-Gewalt“ vor allem aus dem angelsächsischen Bereich kommen. In Deutschland ist es eher umgekehrt: Dort beschäftigt man sich überwiegend mit Gewalt in den Medien, während die Pornografie erst langsam wissenschaftliches Interesse erregt.

Welche Schlussfolgerungen kann man nun aus den bisherigen Studien-Ergebnissen ziehen?

Definitionen zur Pornografie

Wie bereits erwähnt, fließen in die Definition von Pornografie vielfach moralische Erwägungen sowie Spekulationen über ihre Wirkung ein. Beispiele: Ist Pornografie günstig, zumindest aber harmlos; oder gar belastend bis schädlich für die „Öffentlichkeit“?

So gab es beispielsweise früher keine Diskussion zu der Einstellung: Sexuelle Darstellungen, die als anstößig gelten, können auch als menschen-entwürdi­gend und entmenschlichend bezeichnet werden, weil sie die Nachahmung unerwünschter Verhaltensweisen fördern. Dies gilt vor allem für bestimmte sexuelle Praktiken und Pseudo-Folterungen (im Rahmen sadomasochistischer Szenen). Heute finden dies die einen genauso verwerflich, ja widerwärtig wie früher, die anderen aber als sexuell stimulierend. Es müssen sich also erhebliche Unterschiede in der moralischen und ästhetischen Wertung sexueller Darstellungen entwickelt haben (oder fast noch wichtiger: das mag früher nicht so viel anders gewesen sein, wird aber heute frei, offen und vor allem offensiv ausformuliert, zur Diskussion gestellt, angeprangert oder verteidigt).

Das hat aber auch zur Folge, dass man so manche ältere Definitionen neu überdenken muss (wobei nicht nur juristische Aspekte eine Rolle spielen sollten, wie das früher überwiegend der Fall war).

Heute gibt man sich deshalb nüchterner, versucht vor allem moralisch wertende Kriterien in Grenzen zu halten und sexuelle Darstellungen nur mit beschreibenden Kategorien zu definieren. Deshalb die moderne Definition aus medien-psychologischer Sicht (und daher etwas „abgehoben“ erscheinend?):

Pornografie wird definiert als Darstellungen sexuellen Verhaltens jeglicher Art, das von jeder denkbaren Zusammensetzung handelnder Akteure ausgeführt wird.

Der Unterschied zu den gängigen Lexika-Definitionen liegt darin, dass hier die angestrebten und eintretenden Reaktionen auf die Darstellung nicht festgelegt werden. Umgekehrt muss man jetzt aber die Verhaltensweisen und beteiligten Personen genauer bestimmen. Der Mittelpunkt ist eindeutig der Geschlechtsverkehr, einschließlich entsprechender Abweichungen (von der Masturbation bis zum homosexuellen Verkehr). Da man aber nicht umhin kommt, auch mögliche Zwänge, wenn nicht gar Gewalt (vor allem in pornografischen Medien-Angeboten) zu berücksichtigen, gilt es mehrere Unter-Kategorien festzulegen. Deshalb folgende Zusatz-Definitionen:

Pornografie mit Zwangsausübung: Darstellung aller Formen körperlicher Gewalt oder Drohungen mit dem Ziel, Personen gegen ihren Willen zur Teilnahme an sexuellen Handlungen zu bewegen.

Diese Definition bezieht also nicht nur den erzwungenen Geschlechtsverkehr, sondern jede andere Handlung ein, die vom „anderen“ abgelehnt oder verabscheut oder gegen die von der betreffenden Person körperlicher Widerstand geleistet wird (Beispiel: befürworteter Vaginal-, aber abgelehnter oder ggf. erzwungener Analverkehr).

Pornografie mit Gewalt: Sexuelle Darstellungen, die das vorsätzliche Zufügen von Schmerzen durch körperliche Gewalt gegen Personen beinhaltet, die diesen Handlungen nicht zustimmen.

Unter diese Definition fällt auch die Darstellung von sexuellen Handlungen mit Gewaltanwendung, dem die betroffene Person später doch noch zustimmt. Nicht eingeschlossen sind dagegen schmerzhafte Handlungen bei sadomasochistischen Praktiken, weil diese mit dem Einverständnis des Beteiligten vorgenommen werden und es daher kein Opfer gibt.

Interessant auch die Vorschläge bzw. Mahnungen von D. Zillmann was die Begriffe Erotik und Pornografie betrifft. Beide sieht er als austauschbar an, weil die Unterscheidung zwischen ihnen auf Werthaltungen beruhe, die beispielsweise auch wechseln können, je nach Zeit und Gesellschaft.

Das Gleiche gilt auch für die feinere Differenzierung von „expliziten Darstellungen sexueller Handlungen“ = Pornografie gegenüber den „verschleierten Darstellungen“ = Erotik. Auch das weist er als praktisch unbrauchbar zurück. Man solle diese Differenzierung aufgeben.

Das Motiv pornografischer Medien-Angebote

Intensiv untersucht wurden schon früher die Inhalte öffentlich zugänglicher Pornografie. Laut entsprechender Analysen ist das dominante Motiv die zufällige Begegnung eines Mannes und einer Frau, die sofort von nicht zu bändigender Lust überwältigt werden und ohne große Umschweife sexuelle Handlungen in allen ihren gebräuchlichen Formen aufnehmen – typischerweise Fellatio, gefolgt von Cunnilingus und Verkehr in unterschiedlichen Stellungen (D. Zillmann).

Diese Darstellungsform enthält weder Zwangsausübung noch Gewalt, ist aber ausschließlich auf die Befriedigung eigener Bedürfnisse ausgerichtet, gleichsam sinnliche Freuden ohne affektive Bindung. Zärtlichkeit oder gar Liebe mögen in Andeutungen aufscheinen, sind aber nicht das zentrale Anliegen. Alles ist vorübergehend, auf den Augenblick fixiert. Danach gehen beide ihrer Wege und suchen nach der nächsten Zufallsbegegnung.

Diese offensichtliche Austauschbarkeit hat der Pornografie den Ruf eingebracht, ein Forum der Promiskuität (Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern) zu sein (J. Money, 1986).

D. Zillmann betont, dass diese Art dominanter pornografischer Episode frei von Zwang und Gewalt ist. Es findet keine Unterwerfung statt, schon gar nicht von einer nicht einwilligenden Person. Falls man hier von „Eroberung“ sprechen will, so gilt das für beide. Feministische Behauptungen, dass die meisten pornografischen Angebote die Dominanz von Männern über Frauen darstellen, seien nicht haltbar. Im Gegenteil. Hier könne man wirklich von gleichen Rechten sprechen.

Natürlich stelle ein Großteil der pornografischen Medien-Angebote Frauen als bereitwillige, vielleicht sogar übermotivierte Sex-Partnerinnen dar. Dieses Verhalten entspricht aber nicht der Realität (Stichwort: „Nymphomanie-Mythos“), sondern ist offensichtlich nur ein zentrales Element männlicher Sexual-Fantasien.

Pornografie betrifft aber auch sexuelle Handlungen von Gruppen, innerhalb derer die PartnerInnen vorbehaltlos wechseln und in denen sämtliche Praktiken gleichzeitig angeboten und ausgeübt werden. Doch auch dies geschieht in der Regel ohne Zwang. Allerdings sind nicht alle pornografischen Medien-Angebote frei von Zwangsausübungen. Vergewaltigung ist allerdings ein verhältnismäßig seltenes Motiv und wird typischerweise in Zusammenhang mit dem „Vergewaltigungs-Mythos“ gezeigt.

Tatsächlich sind Angebote, die brutale Vorgehensweisen darstellen, eher selten. Einiges deutet sogar darauf hin, dass selbst Vergewaltiger keine Vorliebe für solche Angebote haben und stattdessen differenziertere pornografische Darstellungen ohne Zwangsausübung bevorzugen, selbst wenn sie sich für Angriffe gegen Frauen motivieren wollen.

Völlig anders hingegen ist die Situation bei Pornografie, die Kinder und minderjährige Jugendliche bei sexuellen Handlungen mit Erwachsenen zeigen. Hier ist grundsätzlich von einer Zwangssituation auszugehen (selbst wenn Belohnungen versprochen werden), ganz abgesehen von der Ausnutzung von Abhängigen. Leider ist diese Kinder-Pornografie trotz gesetzlicher Verbote weit verbreitet und auch in großen Mengen verfügbar, besonders unter Pädophilen.

Außerhalb dieses „Kundenkreises“ besitzt sie aber offensichtlich nur geringe Attraktivität, meint D. Zillmann, auch wenn die sich häufenden Medienberichte etwas anderes signalisieren.

Eigene Marktsegmente der Pornografie in den Medien existieren nebenbei auch für Homosexuelle und bestimmte sexuelle Variationen wie Fetischismus, Sodomie (Zoophilie), Sado-Masochismus u. a.

Wenn man sich jedoch der reinen Statistik bedient, soweit diese erfassbar bzw. objektivierbar ist, so haben trotz der verschiedenen und zum Teil bedenklichen Angebote und Marktnischen die meisten Jugendlichen und Erwachsenen eine Vorliebe für die Hauptform der Pornografie, nämlich hemmungsloses und promiskuitives sexuelles Verhalten unter heterosexuellen PartnerInnen.

Wer nutzt pornografische Angebote?

Die Nutzung von Pornografie in der westlichen Welt und auch in vielen anderen Kulturen ist in allen Gesellschaftsschichten verbreitet. Sie ist eine – wenngleich stillschweigend – akzeptierte Form der Unterhaltung, und zwar heimlich und verschämt, „strategisch“ oder ganz einfach selbstverständlich.

Pornografie wird allein, von Paaren oder in Gruppen „konsumiert“ (der neutrale Fachbegriff lautet: rezipiert = aufnehmen, übernehmen). Bei Einzelpersonen kommt es häufig zur Masturbation. Paare nutzen sie eher als Vorspiel zum Geschlechtsverkehr. In Gruppen – fast ausschließlich Männer – dient Pornografie als „Start in ein Wochenende“, in dem sexuelle Kontrakte gesucht werden.

Nicht unterschätzt werden sollte der gängige Faktor: „einfach aus Neugier über das Sexualverhalten anderer“. Dies dürfte vor allem bei Jugendlichen und Kindern der Fall sein. Durch Pornografie im Internet ist es auch zu jeder Zeit und an jedem Ort zu befriedigen, und zwar für immer jüngere Interessenten.

So hat sich die Pornografie zu einem mächtigen Industriezweig entwickelt. Er wird zu großen Teilen von der organisierten Kriminalität dominiert. Sein geschätzter Umsatz – allein in den USA – ist größer als der der Musik- und Filmindustrie zusammen…

Gibt es auch eine positive Wirkung?

Weil die sozialen Befürchtungen dominieren (und zwar nicht zu Unrecht, siehe später), befasst man sich nur selten mit der Frage: Gibt es auch positive Auswirkungen?

Dabei sollte man nicht sofort mit Entrüstung reagieren. Es gibt zumindest partielle Aspekte, die der Diskussion wert sind. Beispiele: die Überwindung sexueller Hemmungen, insbesondere sexbezogener Schuldgefühle, die Förderung mangelnder Lustempfindungen, die Bereicherung des verfügbaren sexuellen Repertoires, was durchaus zu größerer sexueller Erfüllung führen kann u. a.

Entsprechende Beobachtungen in dieser Richtung scheinen nicht ganz abwegig zu sein. Pornografie als Vorspiel zum Geschlechtsverkehr wäre ein solches Beispiel. Wissenschaftlich wurde diese Frage offensichtlich nicht fundiert in Angriff genommen. Man konzentriert sich auf die schädlichen Wirkungen.

Befürchtungen über schädliche Konsequenzen

Die Befürchtungen über schädliche Folgen konzentrieren sich auf die ungezügelte Promiskuität. Das Vergnügen während der Rezeption von Pornografie hält sich in der Regel in Grenzen. Desgleichen der unterstellte Anstieg sexuellen Verlangens und die entsprechende Auslebung mit freiwilligen PartnerInnen, wenn man den Kritikern glauben will.

Bedenken aber richten sich gegen den vermuteten Einfluss, den die Darstellung von Frauen als „Nymphomaninnen“ auf die männliche Wahrnehmung der weiblichen Sexualität entfalten könnte. Und auf die Einstellung von Männern gegenüber Frauen als Sexualpartnerinnen – mit entsprechenden Folgen.

Welches sind die häufigsten Bedenken, Befürchtungen, Unterstellungen und schließlich nachgewiesenen Negativ-Konsequenzen?

  • Nymphomanie-Mythos: Frauen als sexuell unersättliche Wesen, indifferent bei der Wahl ihrer Partner, die sogar Geschlechtsverkehr gegen ihren Willen, wenn nicht brutale Gewaltanwendung tolerieren und am Schluss genießen. Frauen also als reines Sexual-Objekt, dem man keine emotionale Zuwendung oder auch nur respektvolle Verhaltensweise entgegenbringen muss, wenn nicht gar Verachtung oder offenen Hass.

Gerade Letzteres, die so genannte Misogynie, also der Hass auf Frauen, könne – so die Kritiker – eine bedenkliche Konsequenz von Pornografie sein.

Sonderbarerweise ist die umgekehrte Möglichkeit nie in Erwägung gezogen worden: Männer auf der Jagd noch häufigem Geschlechtsverkehr mit wechselnden Partnern, was schließlich so ausartet, dass sie zum „Spielzeug“ der Frauen würden, die weder Vertrauen noch Fürsorge verdienten.

Ob, wie und wie häufig das im wirklichen Leben vorkommt, bleibt bisher ungeklärt. In der Pornografie ist es nur selten Thema. Der Grund ist einfach: Die meisten Konsumenten sind männlichen Geschlechts und wollen derlei weder glauben noch sehen. Das Markt-Interesse regelt das Angebot.

So bleibt vor allem der „Hass auf Frauen“, der durch Pornografie provoziert werden soll, d. h. konkret: Verachtung, Feindseligkeit, sexueller Missbrauch, Gewalt bzw. Vergewaltigung.

  • Erosion familiärer Werte: Der im pornografischen Medienangebot letztendlich gebetsmühlenartig wiederholte Grundsatz, dass sexuelles Vergnügen ohne emotionale Bindung möglich und sogar wünschenswert ist, führt natürlich auch zu einer letzten Konsequenz, nämlich: Wer sich auf einen einzigen Partner beschränkt, ist „selber schuld“ (= dumm).

Die Ursachen sind allseits bekannt und gehen von der sexuellen Beschränkung bis zur Familiengründung und Kindererziehung. Dieses Argument bezieht sich auf beide Geschlechter.

Die Sorge: Pornografie ist familienfeindlich und untergräbt vor allem den Kinderwunsch (weil diese einem uneingeschränkten promiskuitiven Lebensstil im Wege stehen).

  • Pornografie provoziert sexuelle Unzufriedenheit: Dieser Vorwurf stellt natürlich alles auf den Kopf – auf den ersten Blick. Pornografie wird zuerst aus Neugier konsumiert, insbesondere um die sexuellen Möglichkeiten und Freuden anderer kennen zu lernen. Aber auch in der Hoffnung, etwas für sich selber zu finden.

In der Tat: Schon zu Beginn, vor allem aber später, wenn die eigenen Grenzen deutlich werden, kann es an die eigene sexuelle Zufriedenheit gehen. Das entsprechende Medien-Angebot ist auf jeden Fall so überzogen, dass die meisten damit nicht mithalten können. „Pornotopia“ ist nicht erreichbar.

Das fängt mit der Anatomie an (nur die schönsten Körper werden gezeigt) und geht über die „manchmal akrobatischen“ sexuellen Aktivitäten bis hin zu offensichtlich(?) ekstatischen Zuständen, und alles in einem Zeitrahmen, den man nicht einmal annähernd erreicht. Oder kurz: Andere machen mehr draus und selber gerät man in einen heimlichen Sog wachsender Unzufriedenheit und Frustriertheit.

Dem sind sich die meisten Konsumenten nicht bewusst. Deshalb ist der Vorwurf: Pornografie kann die sexuelle Unzufriedenheit schüren, nicht von der Hand zu weisen. Dies wiederum aber wird die Lust, sich auf einen anderen Menschen (wenn auch nur sexuell) einzustellen, verringern, die intimen Beziehungen also austrocknen und vielleicht sogar die illusorische Suche nach lustvolleren Alternativen fördern – mit allen zusätzlichen Enttäuschungen.

Wie wirkt die Pornografie?

Der Wirkeffekt der Pornografie äußert sich laut D. Zillmann in drei Ebenen:

1.Die Wahrnehmung von Sexualität überhaupt, dann aber auch speziell der weiblichen Sexualität

2.Die Nachahmung sexueller Modelle

3.Bestimmte selbstbezogene Einstellungen über sexuelle Verhaltensweise

Was heißt das?

  • Die Theorie der Exemplifikation (psychologischer Fachausdruck, von dem Wort Exempel abgleitet = Beispiel, Lehre, also etwa „Verbeispielung“) betont im Rahmen der Pornografie die Frage: Wie wird Sexualität überhaupt wahrgenommen? So kann jede sexuelle Handlung im Medienangebot als Beispiel verstanden werden. Und – was noch bedeutsamer ist – die Häufigkeit solcher Beispiele wird als Hinweis für Normalität oder Abnormalität verstanden.

Mit anderen Worten: Die Medien entscheiden zumindest partiell darüber, was normal/unnormal, was akzeptiert/abgelehnt, was Mode/“von gestern“ ist – auch in puncto Sexualität.

Beispiel: Weil Frauen in pornografischen Medien-Angeboten fast immer ekstatisch bei bestimmten sexuellen Praktiken aufschreien, meint zumindest der Nutzer von Pornografie dies verallgemeinern zu müssen und richtet sein sexual-psychologisches Gesamtbild danach aus.

Zwar könnte der Durchschnitts-Nutzer eigene Erfahrungen machen und sich damit einen eigenen Eindruck verschaffen. Doch das ist den wenigstens gegeben, jedenfalls kaum bei „nicht alltäglichen Sexualpraktiken“. Die so genannte „sexuelle Sozialisation“ des durchschnittlichen Mitmenschen beiderlei Geschlechts dürfte nämlich keine so eindeutigen und wirkungsmächtigen Erlebnisse beinhalten, wie sie beispielsweise in der Pornografie als „alltäglich“ angeboten werden.

Ähnliches gilt für den „Vergewaltigungs-Mythos“. Auch hier wird ja unterstellt, dass Frauen sexuelle Nötigung oder gar Vergewaltigung genießen, jedenfalls wenn man den Pornografie-Darstellungen folgen will. Dass die Realität anders aussieht, interessiert die Pornografie-Produzenten nicht. Sie müssen (vor allem männliche) Fantasien bedienen und deshalb Frauen zeigen, die auf jegliche Form sexuellen Umgangs wild-euphorisch reagieren.

Nun könnte man aber annehmen, dass auch sadistische Momente „markt-trächtig“ sind, also auch Abscheu, Leid und Schmerz durch sadistische sexuelle Praktiken. Doch hier ist die Zahl der Interessenten wieder zu klein, die Publikums-Nachfrage zu gering, um wenigstens auf dieser Schiene der Realität etwas näher zu kommen (d. h. zu der Erkenntnis zu gelangen, dass sexuelle Gewalt den wenigstens Frauen jenen Spaß macht, den ihnen die Pornografie aus markt-strategischen Gründen unterstellt).

Das daraus resultierende Problem ist insbesondere psychologischer Natur: Denn wenn sich aufgrund solcher Darstellungen die Wahrnehmung verändert („alle“ Frauen genießen sexuelle Gewalt), dann passen sich Wahrnehmung und Einstellung und damit entsprechende Handlungsbereitschaft nach und nach an. Oder kurz: Pornografische Darstellungen können – zumindest bei unkritischer Wesensart, und das ist so selten nicht – die sexuelle Gewaltbereitschaft tatsächlich erhöhen.

  • Soziales Lernen in der Sexualität: Der Mensch ist ein lernendes Wesen, anders kommt er im Leben nicht durch. Dies betrifft auch die Sexualität. Die „soziale Lerntheorie“ konzentriert sich auf die Nachahmung von beobachtetem Verhalten. Oder kurz: Wie machen es die anderen, wie soll oder kann es auch ich machen. Dabei sind zwei Aspekte zu berücksichtigen:

Die kognitive, informative Funktion sozialen Lernens betont die Beobachtung von Verhalten, das entweder zur Belohnung oder zur Bestrafung führt. Die Schlussfolgerung lautet: Einige Verhaltensweisen führen zur Belohnung, andere zur Bestrafung. Belohnung motiviert zur Nachahmung, Bestrafungsgefahr zur Zurückhaltung. Was heißt dies für die Pornografie?

In der Pornografie besteht die Belohnung aus euphorischen Erlebnissen (Hoch-, wenn nicht gar Glückgefühl). Missliche, negative Erfahrungen werden in den pornografischen Medien-Angeboten gezielt ausgeblendet. Die Wahrnehmung konzentriert sich also zwangsläufig auf positive Erkenntnisse, auch wenn die Handlungen eher grenzwertig sind (z. B. Nötigung, wenn nicht gar Gewalt).

Das führt – zumindest bei einfacher geistiger und Charakterstruktur – zu der (naiven, aber langsam dominierenden) Vorstellung, dass alle dargestellten sexuellen Handlungen ein Hochgefühl versprechen und damit Nachahmung empfehlen. Auf diese Weise können auch fragwürdige oder gar gefährliche sexuelle Praktiken durch die Pornografie zuerst im Bewusstsein und dann in der strategischen Ausrichtung eines Menschen bedenkliche Einstellungs- und schließlich Handlungs-Konsequenzen haben.

  • Beim zweiten Mechanismus geht es um Folgendes: Die Erfahrung intensiven Vergnügens wird in gleich bleibender Weise mit bestimmten sexuellen Praktiken verknüpft; je häufiger pornografisch konsumiert, desto eher verfestigt sich derlei natürlich. Dadurch kommt es zu einer Art vorauseilenden Euphorie, was sich z. B. in einem immer wiederkehrenden Pornografie-Konsum niederschlägt, vor allem wenn sich der Betreffende nicht gut fühlt (denn die Pornografie verspricht mit ihrer einseitigen Darstellung auf jeden Fall ein positives Gefühl).
  • Sozialer Vergleich sexueller Verhaltensweisen: Es ist keine Frage, jeder vergleicht sich mit jedem. Steht er besser da, führt das zur Stimmungshebung, meint er sich schlechter gestellt, wird er unzufrieden, missgestimmt, neidisch.

Dies gilt auch für die sexuelle Erfüllung. Wenn sich ein Mensch mit dem überzogenen Lustgewinn der pornografischen Akteure vergleicht, dann muss er zwangsläufig unsicher werden, auch wenn er mit seinen eigenen sexuellen Kontakten durchaus zufrieden ist. Und wer in dieser Hinsicht unter einem Defizit zu leiden hat, dem muss die permanente erotische und sexuelle Ekstase anderer schließlich völlig verunsichern und mit Enttäuschung, Missgunst oder gar verzweifeltem Hass erfüllen.

Die Konsequenzen können in alle Richtungen gehen: völlige Resignation, Rückzug, Abkehr von sexuellen Wünschen. Oder überschießende Kompensationsversuche, bei denen auch „grenzwertige“ oder gar eindeutig abzulehnende Handlungen versucht werden (siehe sexuelle Nötigung oder Gewalt). Auf jeden Fall droht sich die Unzufriedenheit noch zu verstärken. Denn was die pornografischen Anregungen versprechen, pflegt sich im Alltag als nicht real zu erweisen.

Fazit: Der Vergleich eigener und fremder sexueller Aktivitäten auf der Ebene pornografischer Anregungen kann also in der Tat bedenkliche Folgen haben.

Was sagt die Medien-Psychologie zur Pornografie?

Es ist keine Frage: Psychologische Untersuchungen haben ihre eigenen Schwierigkeiten. In medien-psychologischer Hinsicht hat dies nicht zuletzt mit ihrer Zielgruppe zu tun, d. h. dem Menschen im Allgemeinen und seinen sexuellen Empfindungen, Wünschen, Abneigungen oder gar „ungewöhnlichen Begierden“ im Speziellen. Hier gibt es viele Fußangeln, die zu erkennen, zu vermeiden, zumindest zu neutralisieren sind. Einzelheiten dazu siehe die Fachliteratur (z. B. in dem vorliegenden Lehrbuch der Medienpsychologie).

Was aber kann man nach dem bisherigen Forschungsstand diskutieren?

Die unmittelbaren Reaktionen auf Pornografie lassen sich wie folgt zusammenfassen (nach D. Zillmann):

  • Anfängliche unangenehme Gefühle (z. B. angewidert oder abgestoßen sein) gehen nach wiederholtem pornografischen Medien-Konsum schnell zurück und verschwinden schließlich ganz.
  • Anfängliches Zögern, diese pornografischen Medien-Angebote zu genießen, wird bei wiederholtem Konsum schnell aufgegeben und abgelöst durch Reaktionen reinen Vergnügens.
  • Die spezifische sexuelle Erregung (z. B. im Genitalbereich) tritt zu Beginn stark ein, geht aber mit wiederholtem Medien-Konsum zurück, um sich letztlich nur noch schwach zu äußern.
  • Das Gleiche gilt für die allgemeine sexuelle Erregung.
  • Wird Pornografie über einen längeren Zeitraum rezipiert (aufgenommen), produziert sie letztendlich nur noch Langeweile.
  • Über die Konsequenzen einer solchen Erkenntnis siehe später.
  • Die Einstellung zur Sexualität lässt sich ebenfalls in folgenden Ergebnissen der empirischen Sexualitäts- und Medienforschung zusammenfassen (nach D. Zillmann):
  • Die intensive Nutzung pornografischer Medien-Angebote führt dazu, dass die meisten Konsumenten die Häufigkeit solcher sexuellen Praktiken überschätzen. Dies betrifft vor allem Analverkehr, Gruppensex, sadomasochistische Praktiken und sexuellen Kontakt mit Tieren. Eine Ausnahme sind orale Sexual-Praktiken.
  • Die intensive Nutzung pornografischer Medien-Angebote führt auch zu einer Überschätzung, was die Verbreitung von vor- und außerehelichen sexuellen Aktivitäten sowie männlicher und weiblicher Promiskuität (Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern) anbelangt.
  • Das Gleiche gilt für die Einschätzung, was heimliche Sexualkontakte betrifft.
  • Und schließlich fördert die intensive Nutzung pornografischer Medien-Angebote tatsächlich die Überzeugung, promiskuitives Verhalten sei gesund, während die Verdrängung sexueller Bedürfnisse ein Gesundheitsrisiko darstelle.

Ein nicht zu unterschätzendes Phänomen ist die sexuelle Gefühllosigkeit bei Männern gegenüber Frauen durch pornografischen Medien-Konsum. Im Einzelnen (nach D. Zillmann):

  • Das Phänomen der sexuellen Gefühllosigkeit gegenüber Frauen wurde durch eine Reihe von Untersuchungen bestätigt, die sogar einen überdauernden Anstieg dieser durchaus riskanten Entwicklung beweisen konnten.
  • Das Gleiche gilt für die Trivialisierung von Vergewaltigung als krimineller Akt. Oder auf Deutsch: Das ist alles nicht zu schlimm, das wird nur übertrieben dargestellt oder gar kriminalisiert (Trivialität = Alltäglichkeit).

Dabei zeigt sich ein interessantes Phänomen: Nach der intensiven Nutzung von Pornografie hielten nicht nur Männer, sondern – unerwarteterweise – auch Frauen Vergewaltigung für ein weniger schweres Vergehen.

  • Und schließlich ein Phänomen, dass die Medien und die Öffentlichkeit in letzter Zeit besonders beunruhigend: sexueller Missbrauch von Kindern.

Wiederum mussten die Psychologen in ihren Untersuchungen erfahren, dass eine zu intensive Nutzung pornografischer Medien-Angebote sogar zur Trivialisierung gewaltfreier Formen des sexuellen Missbrauchs von Kindern führt. Dies allerdings bezieht sich – wohlgemerkt – auf gewaltfreie Eingriffe, bei denen kein heftiger Widerstand geleistet wurde. Brutale Vergewaltigung von Kindern ist für die meisten Menschen ein abscheuliches Verbrechen – selbst nach der Verbildung durch exzessiven pornografischen Medien-Konsum.

  • Wie steht es aber nun mit der Neigung zu sexueller Gewalt, wenn nach der hypothetischen Vergewaltigungsbereitschaft von Männern gefragt wird (denen man in diesen Untersuchungen trotz dieses Geständnisses Straffreiheit zugesichert hatte)? Das bedenkliche Ergebnis:

Die intensive Nutzung pornografischer Medien-Angebote steigert offenbar die Vergewaltigungsbereitschaft von Männern. Dabei haben sowohl zwangs-ausübende als auch nicht-zwangsausübende sexuelle Darstellungen scheinbar die gleiche Wirkung.

Natürlich lösen solche wissenschaftlichen Untersuchungen immer wieder kontroverse Diskussionen aus. Das hat ethische, methoden-psychologische und eine Vielzahl anderer Gründe. Wie immer man die Bedeutung dieser Ergebnisse für den Alltag einschätzen mag, eines wird auf jeden Fall deutlich: Pornografische Medien-Angebote können offenbar auch in der Frage sexueller Gewalt bzw. Vergewaltigungsbereitschaft nicht ohne Wirkung bleiben. Ob, wie, bei wem und unter welchen Umständen, das allerdings hängt von vielerlei Faktoren ab.

  • In einem Nebenbefund solcher Untersuchungen wurde übrigens auch festgestellt, dass „psychotische Männer“ in dieser Hinsicht möglicherweise besonders stark beeinflusst werden können, stärker jedenfalls als Menschen ohne solche Störungen. Dieses Ergebnis bedarf allerdings einer fachärztlichen, d. h. psychiatrischen Nachprüfung.
  • Interessant und nicht unwidersprochen geblieben sind auch Ergebnisse von Studien, die besagen: Es gäbe keinen wesentlichen Unterschied in der Wirkung zwangsausübender, gewalttätiger sowie zwangs- und gewaltfreier Pornografie, was die Neigung zu sexueller Gewalt in der Realität anbelangt. Häufiger sind die Behauptungen über die stärkere Wirkung gewalttätiger Pornografie, wobei aber – rein methoden-psychologisch gesehen – keine Vergleiche zwischen den einzelnen Studien möglich sind.

Man darf aber gerade in solchen Untersuchungen die überaus komplexe Fragestellung, die schwierige Untersuchungssituation und die Notwendigkeit einer möglichst fundierten fachlichen Diskussion und damit Schlussfolgerung nicht übersehen. Eigene Emotionen haben in der Wissenschaft nichts zu suchen, sie drohen nur die Interpretationen zu verfälschen; hier entscheiden vor allem die gewonnenen Befunde, auch wenn sie mitunter einander widersprechen und damit für Verwirrung und bei Nicht-Experten auch für abschätzige Bemerkungen sorgen.

  • Die intensive Nutzung von Pornografie führt zu einer ablehnenden Hal­tung gegenüber Familiengründung und Kinderwunsch. Diese wissen­schaftliche Erkenntnis ist nicht verwunderlich. Pornografie (ver-)führt zu der (unhaltbaren) Erkenntnis, Promiskuität sei nicht nur ein permanentes Vergnü­gen, sondern auch natürlich und normal und wer dem nicht nachgebe, riskiere sogar seine Gesundheit. Wer also auf sexuellen Spaß ohne emotionale Zu­neigung aus ist, kurz: die sexuelle Freiheit wünsche oder fordere, muss zwangsläufig soziale Einschränkungen ablehnen. Und damit auch jede Lang­zeit-Bindung an einen Partner, eine Familie und Nachwuchs.

Eine familienbezogene Werthaltung mit Kinderwunsch ist also mit intensiver Pornografie-Nutzung offenbar nicht vereinbar. Interessant übrigens ein Neben-Ergebnis: Am stärksten unterdrückt wurde der Wunsch, Töchter zu haben. Vielleicht kommen hier jetzt gewisse Bedenken und damit Hemmungen zum Ausdruck. Bei Söhnen hingegen unterstellt man scheinbar die theoretische Möglichkeit, in diesem Falle einen späteren „Komplizen“ heranzuziehen. Das sind allerdings gewagte Interpretationen, die noch einer sorgfältigen Nachprüfung harren.

  • Am eindrucksvollsten aber erscheint jenes schon mehrfach angedeutete Ergebnis, dass auch den fanatischsten Pornografie-Nutzern zu denken geben müsste, nämlich: Die intensive Nutzung pornografischer Medien-Angebote fördert die sexuelle Unzufriedenheit.

Die Pornografie führt in mehrerer Hinsicht auf einen „Holzweg“, in eine Sackgasse. Dies betrifft vor allem die Unzufriedenheit mit der Realität, wenn man sie an pornografischen Versprechungen misst – naiverweise.

Die sexuelle Unzufriedenheit überträgt sich aber auch auf einen weiteren Bereich, nämlich die Fähigkeit zur intimen Zuwendung generell, wenn nicht gar zur Liebe, die man geben und empfangen will (auf jeden Fall aber wohl erhofft).

Fördert Pornografie deviante Sexualpraktiken?

Es ist bekannt, dass deviante (abweichende) Sexualpraktiken bis hin zur Vergewaltigung entsprechend fantasierte Vorstufen enthalten (können), die wiederum nicht selten durch pornografische Medien-Angebote stimuliert werden (können). Damit würde „abnormes“ Sexualverhalten gefördert, zumindest theoretisch. D. h. zuerst sexuelle Fantasien, die von pornografischem Material inspiriert wurden, dann Schwund aller Hemmungen und schließlich die Ausführung (oder gar kriminelle Tat).

Zu dieser Theorie liegen aber keine fundierten Studien vor, jedenfalls bislang nicht. Deshalb kann man eine solche Schlussfolgerung nur diskutieren.

Dazu gibt es allerdings theoretische Überlegungen, wie sich so etwas ontogenetisch erklären lassen könnte (Ontogenese = Lehre von der Entwicklung des Individuums von der Eizelle bis zum geschlechtsreifen Zustand). Die Entwicklung der sexuellen Orientierung – so D. Zillmann – hängt nicht zuletzt von endokrinen Faktoren ab (endokrin = die so genannten „inneren Drüsen“ betreffend, was nicht zuletzt die Hormone und damit die sexuelle Reifung umfasst). Allerdings ist dieser Einfluss nicht völlig deterministisch (beispielsweise biologisch vorherbestimmt). Es bleibt auch Raum für individuelle Entwicklungen und damit die Änderung von entsprechenden Verhaltensweisen. Dies betrifft auch die Formbarkeit sexuellen Verhaltens.

So führt entsprechend lustbezogene Neugier in der Pubertät naturgemäß zu einem wachsenden Interesse an sexuellen Darstellungen. Eine anfängliche Abscheu geht schnell zurück, stattdessen wächst sexuelles Interesse und damit auch sexuelle Erregung bzw. sexuelle Aktivität, stimuliert von entsprechenden Abbildungen. Diese Erregung wird als angenehm erlebt. Bei ständiger Wiederholung aber nimmt diese Anregung ab, der Gewöhnungseffekt tritt ein, auch in diesem Alter. Dies betrifft den seelischen, geistigen und körperlichen Anteil.

Um diesen Schwund an Erregungs-Potential aufzufangen, werden neuartige Stimuli nötig – und ggf. gesucht. So kann sich das Interesse an erotischem Material auch auf ungewöhnliche Formen ausweiten. Beispielsweise die Darstellung außergewöhnlicher oder möglicherweise devianter Aktivitäten. Vielleicht sogar bis hin zu zwangs-ausübenden, wenn nicht gar gewalttätigen Sexualpraktiken.

So gesehen kann (bzw. könnte, bewiesen ist offenbar noch nichts) ein früher medien-abhängiger Pornografie-Konsum auch die sexuelle Entwicklung eines jungen Menschen steuern – ggf. in grenzwertige Richtungen.

Pornografie, Medien, Gesellschaft, Politik

Wenn man alle diese wissenschaftlichen Ergebnisse und damit Erkenntnisse zusammenfasst, kommt man ggf. zu der Schlussfolgerung (schlicht, aber damit weit verbreitet): Pornografie ist von Übel und sollte verboten werden.

Dies hört sich erst einmal folgerichtig an („zum Schutz von Gesellschaft, Kultur, Gesundheit und vor allem Jugend“), wird auch von entsprechenden Kreisen vehement postuliert und führt zu immerwährenden Diskussionen, die leider mehr emotional, als fachlich fundiert geleitet scheinen. Nachfolgend deshalb einige Überlegungen nach D. Zillmann zur Frage: Pornografie und Medienpolitik.

Die bisher vorliegenden Forschungsergebnisse besagen, dass die intensive Nutzung pornografischer Medien-Angebote negative Konsequenzen auslösen kann. Damit lässt sich aber nicht gleichzeitig unterstellen, dass diese Effekte die einzigen sind, die hier eine möglicherweise unselige Wirkung entfalten. Gerade im Bereich von Erotik und Sexualität spielt das gesamte „Menschsein“ eine Rolle, wozu praktisch alles gehört, was unsere Wahrnehmungen, Einstellungen und Verhaltensweise beeinflusst.

Gerade aber weil es so viele Faktoren sind, die hier den Entwicklungsgang eines Menschen mitbestimmen, ist es kaum möglich, alles in einen einzigen Zusammenhang zu bringen und daraus konstruktive Schlussfolgerungen zu ziehen (was ist gut, was ist böse?). Spekulationen allein helfen nicht weiter (oder nur in jenen Kreisen, die ihre eigene Meinung durchsetzen wollen, ohne Rücksicht auf wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zu nehmen).

So geht aus der Forschung über Pornografie nach Ansicht der Experten lediglich hervor, dass deren intensive Nutzung für einen beweisbaren Anteil der beobachteten kognitiven (geistigen), emotionalen (gefühlsmäßigen) und verhaltensbezogenen Wirkungen im Bereich der Sexualität verantwortlich ist. Einen Anteil, wohl gemerkt, nicht den Gesamt-Einfluss. Zwar nimmt die Pornografie einen durchaus gewichtigen Stellenwert ein, aber eben nur im Zusammenhang mit anderen Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt (auch wenn die Pornografie letztlich mit einer „Vorverurteilung“ leben muss).

Trotzdem sollte mit folgender Möglichkeit gerechnet werden: Pornografie kann in der Sexual-Erziehung für Jugendliche (und sogar für Erwachsene) einen starken Einfluss nehmen, und zwar sowohl auf die Bildung sexueller Einstel­lungen als auch auf eine mögliche sexuelle Zwangsausübung.

Und: Pornografische Medien-Angebote werden immer häufiger genutzt (die Technik wird immer perfekter, der Nutzungsgrad immer mehr ausgeweitet). Und damit entfalten sie auch eine immer breitflächigere Wirkung.

Es gibt aber auch Problemkreise, die in den entsprechenden Diskussionen berücksichtigt werden sollten, aber nur schwierig zu konkretisieren sind, weshalb man sie gerne übergeht. Dazu gehört beispielsweise der Wandel der Wertvorstellungen über Sexualität. Was einige als „fundamentalen“ (im wörtlichen und inzwischen übertragen negativen Sinne) Angriff auf die Moral betrachten, halten andere für die verbriefte Ausübung grundlegender Freiheitsrechte.

Dazu D. Zillmann: „So verstehen beispielsweise die einen die Forschungsergebnisse, dass Pornografie die Promiskuität sowie die Ablehnung von familiären Bindungen und von Nachwuchs fördert, als eine kulturelle Katastrophe. Dagegen bejubeln andere den Anbruch einer neuen Ära der individuellen Unabhängigkeit und Freiheit von einschränkenden sozialen Verpflichtungen. Manche Menschen setzen sich für das Recht von Kindern ein, an sexuellen Vergnügungen teilzuhaben, andere wiederum bestehen auf der Strafverfolgung derartiger Verhaltensweisen“.

Dabei gibt es z. T. erstaunliche Meinungs-Verschiedenheiten. Die unterschiedlichen Positionen gegenüber „Sex“ sind inzwischen soweit auseinandergedriftet, dass eine rationale und sachliche Debatte bisweilen nicht mehr möglich scheint.

Eine solche Diskussion wäre jedoch durchaus wünschenswert, wenn nur die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse Berücksichtigung finden würden. Doch es fehlt – nach D. Zillmann – ein wesentlicher Schluss-Stein, der gleichsam als wissenschaftlich ungelöste Frage über allen Diskussionen schwebt und auch die liberaleren Kreise letztlich verunsichert. Das ist die Frage: Gibt es einen wissenschaftlich gesicherten Zusammenhang zwischen Pornografie und Vergewaltigung?

Und den gibt es wissenschaftlich gesehen offenbar noch nicht – nachvollziehbarerweise. So etwas ist forschungsmäßig undiskutabel. Will man sich also letztlich dieser Kernfrage nähern (fördert Pornografie die Vergewaltigungsbereitschaft?), ist man auf die erwähnten (theoretischen) Befragungen angewiesen, bei denen sich Männer – anonym und ohne Konsequenzen – über ihre Vergewaltigungsbereitschaft äußern. Das aber ist nicht ausreichend – wissenschaftlich gesehen. Es fehlt das „Experiment“, und das ist nicht möglich.

Dass ein zwingender Nachweis der Pornografie-Wirkung auf die Vergewaltigungsbereitschaft nicht existiert, darf aber nicht als Hinweis darauf interpretiert werden, dass es sie nicht gibt. Es darf aber auch nicht in dem Sinn missbraucht werden, dass es überhaupt keinen Nachweis auf die sexuellen und sozio-sexuellen Wahrnehmungen, Einstellungen und Verhaltensweisen geben würde. Das beweisen die vorliegenden Untersuchungen, die hier nach D. Zillmann aus dem Lehrbuch der Medienpsychologie in verkürzter Form referiert wurden.

Literatur

Über die Pornografie im Allgemeinen und als Medien-Angebot im Speziellen gibt es eine Vielzahl von Hinweisen in den Medien selber sowie lebhafte Diskussionen in der Bevölkerung, deren Polarisierung eher zu- als abnimmt.

Im Gegensatz dazu aber erstaunt das relativ geringe Angebot deutschsprachiger(!) Forschung, was sich auch im Literatur-Angebot widerspiegelt. Wir beschränken uns deshalb auf die Zitation des in diesem Zusammenhang genutzten Beitrags, in dem ausführliche weiterführende und spezialisierte englischsprachige Literatur angeführt wird.

Außerdem im gleichen Lehrbuch noch eine Reihe weiterer interessanter Aspekte zu diesem Thema nebst konkreten Literaturhinweisen.

D. Zillmann: Pornografie (aus dem englischen übersetzt von C. Klimmt). Aus: R. Mangold, P. Forderer, G. Bente (Hrsg.): Lehrbuch der Medienpsychologie. Hogrefe-Verlag für Psychologie, Göttingen-Bern-Toronto-Seattle 2004

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
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