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ZITTERN (TREMOR)

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Zittern (Fachbegriff: Tremor) kennt jeder, z. B. Kälte-Zittern, Angst-Zittern, Erregungs-Zittern, Stress-Zittern u. a. Das ist normal und geht wieder vorbei. Doch es gibt eine große Zahl von krankhaften Tremor-Formen, und die können therapeutisch schon mehr Probleme aufwerfen.

Das Wichtigste ist deshalb das rechtzeitige Erkennen, Akzeptieren und - konsequenterweise - die Konsultation von Hausarzt, später Nervenarzt, Neurologe und - je nach Ursachen - auch Psychiater oder Arzt für Psychotherapeutische Medizin sowie Psychologe.

Nachfolgend deshalb eine komprimierte Übersicht (mit leider vielen Fachbegriffen) zur Frage: Tremor, was ist das? Welche Tremor-Formen gibt es? Wie äußern sie sich? Und: Was kann man ggf. tun?


Erwähnte Fachbegriffe:

Tremor - Zittern - Ruhetremor - Aktionstremor - Haltetremor - Bewegungstremor - Intentionstremor - isometrischer Tremor - aufgabenspezifischer Tremor - Tremorfrequenz - Tremor-Ort (Kopf, Rumpf, Arme, Beine, Stimme u. a.) - Tremorarten - erbliche Tremorformen - idiopathische Tremorformen - zerebrale (Gehirn)-Ursachen - metabolische (Stoffwechsel-)Ursachen - Neuropathie - toxische (Vergiftungs-)Ursachen - medikamentöse Ursachen - physiologischer Tremor - Angst-Tremor - Kälte-Tremor - Stress-Tremor - Anspannungs-Tremor - essentieller Tremor - orthostatischer Tremor - Dystonie-Tremor - Parkinson-Tremor - "Pillen-Drehen-Tremor" - "Geldschein-Zählen-Tremor" - zerebellärer Tremor - Mittelhirn-Tremor - Ruber-Tremor - psychogener Tremor - seelischer Tremor - Ganz-Körper-Tremor - Zitter-Attacken - "Flügelschlagen" - Asterixis - Flattertremor - Tremor-Ursachen - Tremor-Therapie - Tremor-Medikamente - nicht-medikamentöse Tremor-Behandlung - Krankengymnastik - Psychotherapie - u. a.m.

Zittern - was ist das eigentlich? Jeder kennt es, keiner kann es so recht einordnen, vor allem wenn es krankhaft sein soll.

Zittern vor Kälte, das ist in unseren Breiten jedem bekannt. Zittern vor Angst, dass ist auch nicht gerade selten, auch wenn es ungern zugegeben wird. Zittern, oder treffender: eine Art inneres Beben vor Zorn, insbesondere vor ohnmächtiger Wut, auch das dürfte die meisten schon einmal getroffen haben. Zittern vor Freude, selbst dies mag es geben, wenngleich schon seltener.

Und krankhaftes Zittern? Auch da kennt jeder Beispiele: "Die Oma hat immer so komisch mit dem Kopf gezittert". Oder: "Der Opa hat die Suppe verschüttet, vor lauter Zittern mit den Händen". Oder: "Der Nachbar, man weiß es, er trinkt zu viel, er versucht zwar sein Zittern zu verbergen, aber das ist schon lange nicht mehr möglich".

Kurz: Zittern kennt jeder, Zittern ist etwas Normales, wenngleich auch immer ein wenig übersteigertes, sei es Kälte, Angst oder Freude. Und Zittern ist ein Symptom, ein Krankheitszeichen. Darüber nachfolgend eine kurz gefasste Übersicht, denn das Zittern soll zunehmen, vor allem als krankhafte Form. Und da ist es gut, wenn man etwas darüber Bescheid weiß, denn je früher erkannt, desto eher dem Arzt vorgestellt, insbesondere dem Neurologen - und damit möglichst schnell und hoffentlich auch wirkungsvoll behandelbar. Im Einzelnen (nach D. Deuschl und B. Koester):

Der Tremor

Dabei ist der Tremor (wie der Fachbegriff heißt, vom lateinischen: tremere = zittern, beben, zucken), ein nicht nur oft schwer einzuordnendes, sondern ein noch schwieriger zu behandelndes Symptom. Aber - wie erwähnt - nicht jede Art von Zittern ist krankhaft. Und der so genannte physiologische (also normale) Tremor ist sogar ein unvermeidbares Begleit-Phänomen jeder Muskel-Aktivität.

In der Tat gibt es Hinweise, dass der Tremor des Gesunden bei der Bewegungssteuerung nützlich eingesetzt wird. Offenbar kann mit seiner Funktion die so genannte Willkürbewegung (das, was man bewegen will) rascher als ohne Tremor umgesetzt werden. Damit wäre der physiologische Tremor sogar ein Bewegungsvorteil.

Der krankhafte Tremor hingegen schafft so genannte unphysiologische Aktivierungsbedingungen, d. h. er stört den normalen Bewegungsablauf.

DEFINITION UND KLASSIFIKATION

Zittern wird wissenschaftlich wie folgt definiert:

Der Tremor ist eine unwillkürliche, rhythmische, oszillierende (annähernd gleich schwingende) Bewegung in mindestens einer funktionellen Region (d. h. Finger, Hand, Kopf, Kiefer).

Die verschiedenen Tremorformen werden anhand medizinischer Charakteristika getrennt, wobei noch neurologische Zusatzsymptome beeinträchtigen können (z. B. Bewegungslosigkeit, Krampf).

Die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale beziehen sich auf die Frage:

1. Unter welchen Bedingungen tritt der Tremor auf,
2. wie hoch ist seine Frequenz (die Häufigkeit des Ausschlags bzw. die Schwingungszahl) und
3. in welcher Körperregion belastet er?

Zur Frage der Einteilung (Fachbegriff: Aktivierungs- bzw. Untersuchungsbedingungen) unterscheidet man:

- Ruhetremor: Tritt bei fehlender Willküraktivität auf (d. h. ohne gezielte und gewünschte Bewegung, also in Ruhe). Bei Belastung (seelisch, geistig und gelegentlich auch körperlich) kann er sich verstärken, bei Beginn einer gezielten Bewegung verschwindet er.

- Beim Aktionstremor unterscheidet man einen Haltetremor, Bewegungstremor und Intentionstremor, also Tremorformen, die bei verschiedenen Arten willkürlicher Muskeltätigkeit auftreten können Einzelheiten siehe später.

Wie kann man nun aber in der Untersuchungssituation solche Tremor-Formen besonders sicher auslösen und damit diagnostizieren?

- Der Haltetremor findet sich dann, wenn beispielsweise ein Arm oder Bein gegen die Schwerkraft aktiviert wird (also Arm vorhalten, Beine im Sitzen strecken u. a.).

- Ein Bewegungstremor tritt bei jeder Art von Bewegung auf, z. B. Arme beugen und strecken, Handflächen nach oben und unten drehen.

- Der Intentionstremor nimmt vor allem dann zu, denn man sich einem Ziel nähert, z. B. man greift zur Tasse, zur Türklinke, gibt die Hand.

In neurologischen Fachkreisen werden noch weitere Tremorformen diskutiert. Dazu gehören beispielsweise

- der isometrische Tremor, wenn ein schweres Objekt gehalten werden muss (z. B. ein Tisch oder Sessel).

- Bei den aufgabenspezifischen Tremorformen handelt es sich um ein Zittern bei konkreten Tätigkeiten wie Schreiben, Spielen von Musikinstrumenten oder Bedienen eines Handwerks.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal für den Arzt ist

- die Tremorfrequenz, also die Schwingungshäufigkeit. Dabei wurde unterschieden in

- niederfrequenten grobschlägigen Tremor (seltener, aber ausfahrender),
- mittelfrequenten Tremor und
- hochfrequenten (dabei oft feinschlägigen) Tremor, d. h. eine Art feines Zittern.

Schließlich geht es noch um die Beschreibung des Tremor-Ortes (Fachbegriff: topographische Zuordnung), also welcher Körperabschnitt beteiligt ist: Kopf, Rumpf, Arme, Beine, ja Stimme u. a. Einzelheiten dazu siehe die speziellen Tremorformen.

WAS KANN EINEN TREMOR AUSLÖSEN?

Der Tremor ist ein Symptom, das verschiedene Krankheiten begleitet. So ist er einerseits unspezifisch, kann aber bei besonderen Symptom-Zusammensetzungen ein wichtiges Kennzeichen sein. Eine exakte Klassifikation ist offenbar unmöglich, zu viel kann hier - sich wechselseitig beeinflussend - hereinspielen. Außerdem gibt es eine Tremor-Ursache, die schier unerschöpflich ist, nämlich Medikamente. Da ständig neue Arzneimittel entwickelt werden (und das durchaus zu unserem gesundheitlichen Vorteil, man sollte nicht immer nur die Nachteile diskutieren), bei denen aber auch der Tremor als Nebenwirkung auftreten kann, ist schon von dieser Seite kein abschließendes Urteil möglich.

Was übrig bleibt, sind einige neurologische Erkrankungen, bei denen der Tremor häufig oder regelmäßig auftritt.

Nachfolgend eine Tabelle nach D. Deuschl und B. Koester, in der zumindest eine Reihe von Krankheiten oder Syndromen (konkrete Symptom-Kombinationen) aufgelistet wird, bei denen ein Tremor vorkommen kann.

Dem Laien wird es allerdings wenig sagen, denn wir müssen uns hier auf Fachbegriffe beschränken, die im Weiteren nicht alle erläutert werden können. Schon deshalb ist es unabdingbar, dass man sich an den zuständigen Facharzt, nämlich den Neurologen wendet, wenn man bei sich oder bei Angehörigen bzw. Freunden ein Zittern entdeckt, das ganz offensichtlich der Abklärung bedarf.

KRANKHEITEN, BEI DENEN EIN TREMOR AUFTRETEN KANN (FACHBEGRIFFE)

  • Hereditäre (erbliche), degenerative (Verfall, Rückbildung oder Entartung) oder idiopathische (ursächlich bisher unbekannte) Erkrankungen

Parkinson'sche Krankheit, pallido-nigrale Degeneration, olivo-ponto-zerebellare Atrophien, striato-nigrale Degeneration, Morbus Wilson, progressive Pallidumatrophie, Huntington-Krankheit, benigne hereditäre Chorea, Morbus Fahr (familiäre Form), paroxysmale dystone Choreoathetose, familiärer Intentionstremor, Lipofuszinose, Dyssynergia cerebellaris myoclonia, Ataxia teleangiectasia, Dystonia musculorum deformans, Dystonie mit Tagesschwankungen, Torticollis spasmodicus, Meige-Syndrom, essentieller Myoklonus und Tremor, essentieller Tremor, hereditärer Kinn-Tremor, aktionsinduzierter Tremor wie Schreibtremor, Stimm-Tremor, Golfer-Tremor ("yips") sowie Tremor der Lachmuskulatur, Klinefelter-Syndrom.

  • Zerebrale (Gehirn-)Erkrankungen unterschiedlicher Ursache

Entzündungen und Infektionen wie Multiple Sklerose, Neurolues, HIV-Infektion, FSME, Windpocken, Masern, Pocken, Typhus sowie Raumforderungen: Tumore, Zysten, Hämatome, AV-Malformationen, Insulte, Hirntrauma

  • Metabolische (Stoffwechsel-)Erkrankungen

Hyperthyreose, Hyperparathyreoidismus, Magnesium-Mangel, Hypokalzämie, Hypokalämie, Hypoglykämie, Leberfunktionsstörungen (chronische hepatozerebrale Degeneration), portosystemische Enzephalopathie, Nierenfunktionsstörungen, Vitamin-B12-Mangel

  • Periphere Neuropathien

Charcot-Marie-Tooth, Roussy-Levy-Syndrom, chronisch entzündliche Neuropathie, Guillain-Barré-Syndrom, Gammopathie, Malabsorptions-PNP, sympathische Reflexdystrophie, PNP bei Diabetes mellitus, Urämie, Porphyrie, spinale Muskelatrophie

  • Toxine

Nikotin, Quecksilber, Blei, Kohlenmonoxid, Mangan, Arsen, Cyanid, Naphthalene, Alkohol, Phosphor, Toluene, DDT, Lindan, Kepon, Dioxin

  • Medikamente

Sympathomimetika (z. B. Adrenalin), Bronchodilatoren, Theophyllin, Koffein, Tein, Dopaminergika sowie zentralwirksame Substanzen wie Neuroleptika, Reserpin, Tetrabenazin, Metoclopramid, Antidepressiva (besonders trizyklische), Lithium, Kokain, Alkohol. Ferner Steroide wie Progesteron, Antioestrogen, Adrenocorticosteroide. Außerdem: Valproat, Antiarrhythmika, Schilddrüsenhormone, Zytostatika, Immundepressiva u. a.

  • Sonstige Ursachen

Emotionen wie Angst und Stress, Muskelermüdung, Unterkühlung, Trauma in der Peripherie (Hände, Füße), sympathische Reflexdystrophie, Medikamentenentzug, Alkoholentzug, Kokainentzug, psychogener Tremor u. a.

Nach D. Deuschl und B. Koester

WELCHE TREMORFORMEN GIBT ES?

Unter den zahlreichen Tremorformen, die bisher beschrieben worden sind, ob mit oder ohne nachweisbarer Ursache, werden nachfolgend die häufigsten kurz dargestellt. Im Einzelnen (nach D. Deuschl und B. Koester):

  • Verstärkter physiologischer Tremor

Unter Physiologie versteht man die Wissenschaft von den normalen Lebensvorgängen und Funktionen des menschlichen Körpers. Physiologisch heißt also letztlich soviel wie "normal".

Einige Tremorformen bezeichnet man deshalb als physiologischen Tremor oder treffender als verstärkten physiologischen Tremor. Die Ursachen sind nur teilweise bekannt und meist auch nicht einheitlich. Kennzeichnend sind folgende Aspekte:

1. Der Tremor hat eine hohe Frequenz (Schwingung) und tritt unter Haltebedingungen auf.

2. Der Tremor besteht erst kürzere Zeit und lässt keine neurologische Erkrankung erkennen.

Solche Tremorformen sind
- Zittern durch Frieren
- Zittern durch Angst
- Zittern durch emotionale (gemütsmäßige) Anspannung/Erregung was bei jedermann vorkommen kann.

3. Weiterhin können aber auch einige Medikamente einen Tremor als unerwünschte Begleiterscheinung (Nebenwirkung) auslösen.

4. Und schließlich können auch hormonelle Dysfunktionen oder endokrine bzw. metabolische Funktionsstörungen einen Tremor verursachen. Das bekannteste Beispiel ist die Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose).

Alle diese Tremorformen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich wieder zurückbilden, der eine früher, der andere später, je nach Ursache (ein Angst-Tremor relativ rasch, bei der Schilddrüse je nach Behandlungserfolg).

  • Essentieller Tremor

Früher sprach man von einem essentiellen Tremor, wenn es sich einzig und allein um einen Haltetremor handelte, wenn also beispielsweise ein Arm vorgehalten werden musste und zu zittern begann. Dabei fand sich nicht selten eine familiäre, also erbliche Belastung.

Nach neuen Erkenntnissen beinhaltet der essentielle Tremor aber inzwischen mehr, wobei man sogar noch unterteilt in einen "sicheren", einen "wahrscheinlichen" und einen "möglichen" essentiellen Tremor.

- Zum sicheren bzw. wenigstens wahrscheinlichen essentiellen Tremor gehört der schon früher entscheidende Haltetremor (s. o.) und ggf. ein Bewegungstremor, der immer deutlicher wird (man erinnere sich: ein Bewegungstremor tritt bei jeder Art von Bewegung auf, z. B. Arme beugen und strecken, Handflächen nach oben und unten drehen). Was den zeitlichen Aspekt anbelangt, muss er mindestens fünf Jahre (sicherer essentieller Tremor) bzw. drei Jahre (wahrscheinlicher essentieller Tremor) beeinträchtigt haben. Außerdem darf natürlich auch keine medikamentöse, endokrine (z. B. Überfunktion der Schilddrüse) oder sonstige Ursache dafür verantwortlich sein.

- Beim möglichen essentiellen Tremor handelt es sich einerseits um den erwähnten Haltetremor, allerdings bei bestimmten Erkrankungen (z. B. Morbus Parkinson oder Dystonie - siehe diese), andererseits um unbekannte Ursachen.

Vererbung - Verteilungsmuster - Besonderheiten

Wie bereits erwähnt handelt es sich um ein ernstes Leiden, jedenfalls in etwa zwei Drittel der Fälle. Diese genetische Anlage muss allerdings nicht bei jedem Betroffenen "durchschlagen". Interessant ist der Ausbruch nach Lebensalter, nämlich entweder in jungen Jahren (juveniler Tremor) oder im höheren Lebensalter (seniler Tremor), oder konkret: Zwei Häufigkeitsgipfel im 2. und 6. Lebensjahrzehnt.

Geschlechtsspezifisch gibt es scheinbar keine Unterschiede.

Bedeutsam ist auch die so genannte topographische Verteilung, d. h. in welchem Körperbereich äußert sich der essentielle Tremor am häufigsten? Danach sind die Hände am ehesten betroffen (zwischen 80 und 100 %, Mittelwert: 94 %), gefolgt vom Kopf (20 bis 41 % : 33 %), der Stimme, was eine besonders problematische Belastung ist (9 % bis 20 % : 16 %), des Kinns (0 % bis 9 % : 8 %), ja des ganzen Gesichts (3 %) und des Rumpfes (3,5 %).

Oder noch einmal zusammengefasst: Mit Abstand am häufigsten findet sich das Zittern beim essentiellen Tremor an den Händen, in mittlerer Häufigkeit am Kopf, seltener am Kinn und ganz selten im Bereich von Gesicht oder gesamtem Rumpf.

Korrekturbedürftig ist die früher allzu günstige Beurteilung des essentiellen Tremors, die sich ja auch in dem Fachbegriff "benigner" Tremor (gutartiges Zittern) äußerte. Das ist falsch, wenn man allein die ggf. unangenehmen Konsequenzen im psychosozialen Bereich berücksichtigt, d. h. in Familie, Nachbarschaft und Freundeskreis, vom Beruf ganz zu schweigen. Denn es ist nicht nur eine erhebliche zwischenmenschliche Belastung, es kann sogar soweit gehen, dass nicht wenige (die Hälfte?) der Betroffenen mit erheblichen funktionellen Einbußen im Alltag zu rechnen haben und rund 15 % sogar vorzeitig berentet werden müssen.

Etwa jeder Zehnte kann offenbar damit rechnen, dass sein essentieller Tremor unter Ruhebedingungen zurück geht, wobei dann allerdings noch eine gewisse Muskel-Anspannung fühlbar ist. Auch bessert sich das Zittern bei zwei Drittel der Patienten unter Alkoholeinfluss, was aber eine zwiespältige Erkenntnis und vor allem "Selbst-Therapie" bedeutet.

Ein besonderes Problem ist hingegen ein ausgeprägter Intentionstremor, der vor allem dann zunimmt, wenn man sich einem Ziel nähert, z. B. - wie erwähnt - zur Tasse greift, die Türklinke in die Hand nimmt u. a. Das kann sich zu einer schweren, vor allem psychosozialen Behinderung auswachsen. Man stelle sich nur einmal die verschiedenen Bewegungsmuster vor, die pro Tag dutzende Male mehr oder weniger gedankenlos bis automatisch absolviert werden müssen - aber nicht "unter der Knute eines auffälligen Zitterns" (Zitat). Dazu kommt in solchen Fällen auch noch überdurchschnittlich häufig ein Kopf-Tremor, ja sogar ein Stimm-Tremor. Die Folgen dieses erweiterten "Zitter-Befalls" kann man sich denken.

  • Orthostatischer Tremor

Der orthostatische Tremor gehört eigentlich zum essentiellen Tremor, ist aber auf Grund seines Beschwerdebildes und elektrophysiologischer Zusatzbefunde (siehe später) in einigen Punkten von diesem abgrenzbar.

Orthostatisch heißt soviel wie "die aufrechte Körperhaltung betreffend", z. B. Kreislaufdysregulation oder auf deutsch: eine vor allem im Stehen auftretende Störung des Blutkreislaufs durch Hypotonie (erniedrigter Blutdruck) mit Schwindelzuständen, Ohrensausen, herabgesetzter körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit, vor allem aber Gang- und sogar Stand-Unsicherheit bis hin zur Sturzgefahr, evtl. sogar Bewusstseinsstörung. Deshalb auch der Begriff "orthostatischer Tremor".

Denn der orthostatische Tremor tritt ebenfalls im Stehen auf. Die Betroffenen klagen vor allem über eine Stand-Unsicherheit. Das kann in schweren Fällen soweit gehen, dass sie plötzlich zusammenfallen, ja regelrecht hinstürzen. Sitzen, Gehen und Liegen dagegen sind ungestört möglich. Nur bei älteren Menschen und in extremer Ausprägung kann eine leichte Gang-Unsicherheit dazu kommen, die dann auch nebenbei gesehen nur schwer zu verheimlichen ist.

Die lästige bis psychosozial erheblich beeinträchtigende Stand-Unsicherheit (Rückzug und damit Isolationsgefahr!) versuchen die Patienten dadurch zu kompensieren, dass sie sich möglichst oft anlehnen oder umher gehen, um "ihren Kreislauf zu stützen".

In der neurologischen Untersuchung findet sich jedoch wenig, meist nur eine mehr oder weniger ausgeprägte Bewegungsunruhe der Beinmuskulatur. Die gezielte Diagnose ist vor allem mit Hilfe des so genannten Oberflächen-Elektromyogramms (EMG's) bei bestimmten Muskeln möglich.

Die oft als kurios anmutende Beschwerde-Schilderung der Betroffenen hat lange Zeit dazu geführt, den orthostatischen Tremor als psychogen (rein seelisch bedingt) zu verkennen! (G.D. Deuschl und B.K. Koester)

  • Tremor bei Dystonien

Dystone Erkrankungen sind Störungen des natürlichen Spannungszustandes der Muskulatur. Das kann alle Muskeln betreffen, seien es Arme oder Beine, die Gebärmutter, der Herzmuskel u. a. Im neurologischen Bereich sind es beispielsweise der Schreibkrampf oder das krampfhafte Zusammenziehen der Augenmuskulatur (Fachbegriff: Blepharospasmus), aber auch der Schiefhals u. a.

Dystone Störungen sind häufig mit einem Tremor verbunden. Um was es sich konkret dabei handelt, bleibt wissenschaftlich noch offen (Teil des essentiellen Tremors oder eigenständige Tremorform?).

Meist handelt es sich um ein Zittern in jenen Körperregionen, in denen ohnehin Dystonien, also Bewegungsstörungen auftreten. In der Regel handelt es sich um einen Haltetremor, also Armvorhalten, Beine im Sitzen strecken u. a.

Am häufigsten und am besten untersucht ist offenbar der isolierte dystone Schreibtremor. Etwa die Hälfte aller Patienten mit einem Schreibkrampf klagen auch über ein Zittern ihrer Hände. Auch der Schiefhals (Fachbegriff: Torticollis spasmodicus) ist oft mit einem Kopftremor verbunden. Die so genannten spasmodische Dysphonie ist meist eine Kombination aus Stottern oder zumindest gepresster, ggf. sogar flüsternder bis hauchender und zitternder Stimme (Stimm-Tremor).

  • Weitere Tremorformen

Nur der Vollständigkeit halber erwähnt seien noch weitere, allerdings seltene und örtlich begrenzte Zitter-Formen, die man meist unter den essentiellen Tremor einordnet. Dazu gehören der hereditäre (vererbte) Kinn-Tremor, der Zungen-Tremor und der sonderbare Tremor beim Lächeln.

  • Tremor beim Parkinson-Syndrom

Ein häufiges, heftiges bis quälendes und damit sogar charakteristisches Krankheitszeichen beim Parkinson-Syndrom ("Schüttellähmung" - siehe das spezielle und sehr ausführliche Parkinson-Kapitel) sind neben Rigor (erhöhter Spannungszustand der Muskulatur) und Akinese (Bewegungseinschränkung) ein typischer Tremor.

Dabei belästigt vor allem der Ruhe-Tremor, was drei Viertel der an Parkinson Erkrankten beeinträchtigt. Meist beginnt er einseitig und tritt anfangs oft nur unter besonderen Stress-Bedingungen auf (seelische Erregung, Erschöpfung, Belastung u. a.).

Seine typische Form hat ihm den Namen "Pillen-Drehen"-Tremor eingebracht. Etwas moderner (wer "dreht" heute noch seine Pillen selber?) ist der Begriff "Geldschein-Zählen-Tremor". Einzelheiten dazu siehe das spezielle Kapitel.

Diagnostisch entscheidend ist auf jeden Fall die Erkenntnis: Es handelt sich um einen Ruhe-Tremor (d.h. ohne gezielte und gewünschte Bewegung, also in Ruhe), der bei Bewegungs-Beginn verschwindet und durch geistige Konzentration verstärkt wird. Häufig aber auch beim Gehen.

Die Beeinträchtigung der Bewegungs-Funktionen ist an sich nicht so nachteilig; viel wichtiger ist die psychosoziale Behinderung durch den persönlichen Eindruck einer Stigmatisierung oder gar Diskriminierung, die mit solch einer Bewegungsstörung verbunden ist. Und natürlich die reale Belästigung im Alltag durch diese ungewollte und oft wenig beeinflussbare Art dieser Störung.

Neben dem Ruhe-Tremor kommt bei der Parkinson-Krankheit bei 40 bis 60 % der Fälle noch ein Halte-Tremor vor, also beispielsweise wenn der Arm hochgehalten oder die Beine gestreckt werden sollen. Es findet sich vor allem in der Frühphase der Parkinson'schen Erkrankung.

Der Ruhe-Tremor bei der Parkinson-Krankheit kann im Übrigen auch zur Unterscheidung der verschiedenen Parkinson-Formen beitragen. Einzelheiten dazu siehe das spezielle Kapitel, doch sei schon hier vorweg genommen:

- Bei der eigentlichen Parkinson-Krankheit (Fachbegriffe: idiopathisches Parkinson-Syndrom, Morbus Parkinson), der häufigsten Form, findet sich der Ruhe-Tremor in 75 % aller Fälle (s. o.).

- Bei den anderen Parkinson-Krankheitsbildern (Fachbegriff: neurodegenerative, symptomatische (sekundäre) und heredodegenerative Parkinson-Syndrome) ist er viel seltener, nämlich in etwa einem Viertel aller Betroffenen festzustellen.

Deshalb denkt der Arzt beim Ruhetremor erst einmal an die eigentliche Parkinson-Krankheit (die nach einigen Untersuchungen sogar im Verhältnis 4 : 1 häufiger als bei den anderen Erkrankungsformen vorkommen soll).

Auf jeden Fall hat keines der wichtigsten Symptome des Parkinson-Syndroms ein so starkes diagnostisches Gewicht wie das parkinson-typische Zittern.

  • Zerebellärer Tremor

Das Cerebellum ist das Kleinhirn in der hinteren Schädelgrube, zuständig beispielsweise für willentliche und unwillkürliche Bewegungen einschließlich Körperstellung u. a.

Interessant die Erkenntnis, dass nur wenige Tremor-Formen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Funktionsstörung einer bestimmten Hirn-Region schließen lassen. Der zerebelläre Tremor gehört dazu.

Typisch ist dafür die Form des Intentionstremors, der vor allem dann zunimmt, wenn man sich einem Ziel nähert (Türklinke, Tasse, Kugelschreiber).

Der Intentionstremor ist eine besonders belastende, ja behindernde Form des Zitterns und kann soweit gehen, das er den Arm und vor allem die Hand für den Alltagsgebrauch praktisch unfähig macht.

Darüber hinaus aber weist er auf eine konkrete Schädigung des Kleinhirns hin (Fachbegriff: symptomatische Tremorform) und verpflichtet zur gezielten Abklärung dieses Verdachts, was wenigstens in Bezug auf den Schädigungsort leichter fällt. Ursächlich am häufigsten handelt es sich wohl um eine Multiple Sklerose oder bestimmte Atrophien (Hirnschwund) nach Schädel-Hirn-Unfällen mit konkreter Beeinträchtigung bestimmter Kleinhirn-Regionen. Auch an chronischen Alkoholismus ist zu denken (wenn noch zusätzlich Hände, Kopf und sogar Rumpf zu zittern beginnen).

  • Mittelhirn- oder Ruber-Tremor

Der so genannte Mittelhirn-Tremor oder Ruber-Tremor (weitere Fachbezeichnungen: pedunkulärer, Bindearm- oder Brachium-conjunctivum-Tremor, auch Myorhythmie genannt) ist ein seltenes krankhaftes Zittern, dafür aber eindeutig definiert: Schädigung im Bereich von Hirnstamm und Kleinhirn.

Er ist eine Kombination aus Ruhe-, Halte- und Intentionstremor mit niedriger Tremor-Frequenz (geringer Schwingungshäufigkeit). Außerdem gibt es einen mehr oder weniger typischen Zeitraum (der aber Tage bis Jahre betragen kann) zwischen der Schädigung von Hirnstamm und Kleinhirn und dem Auftreten eines solchen Tremors - sofern man dies zeitlich zu überblicken vermag (z. B. Hirnschlag in dieser Region, Hirnstamm-Insult genannt).

Häufig finden sich dabei weitere typische Symptome einer Hirnstamm- und Kleinhirnschädigung (siehe Fachliteratur). Betroffen sind vor allem die körpernahen Abschnitte der Arme. Diese Art von Tremor beeinträchtigt massiv und führt in der Regel zu einer völligen Unbrauchbarkeit der betroffenen Körperteile, teils einseitig, manchmal sogar beidseitig.

Ursächlich handelt es sich am häufigsten um eine Multiple Sklerose, um so genannte olivo-ponto-zerebelläre Atrophien (also Hirnschwund in bestimmten Gehirnregionen, z. B. Kleinhirn), um den erwähnten Hirnschlag (Hirnstamm-, Kleinhirn-Insulte), um Tumoren im Hirnstamm, im Mittelhirn und angrenzenden Bereichen sowie um die Parkinson-Krankheit (wenn zusätzliche Hirnstamm-Veränderungen zu ertragen sind).

  • Psychogener (seelischer) Tremor

Zittern vor Angst, das ist jedem bekannt. Der Extremzustand, und zwar in beunruhigendem Ausmaß, wurde aber erst durch die so genannten "Kriegszitterer" im ersten Weltkrieg deutlich.

Damals erstarrten die Fronten nach und nach im lähmenden Stellungskrieg, wobei die Armeeführungen immer wieder versuchten durch heftige Artillerie-Angriffe die gegnerischen Schützengräben aufzubrechen - in der Regel vergeblich oder nur von kurzer Dauer. Doch für die Soldaten, die dort in jeder Jahreszeit und unter schrecklichen Bedingungen ausharren mussten, wurde es zum furchtbaren Erlebnis. Eine Folge waren die erwähnten "Kriegs-Zitterer", gestandene Männer in den besten Jahren, die plötzlich die groteskesten Krankheitsbilder boten, was auch unfassbare Bewegungsstörungen anbelangt (von den Zitter-Anfällen bis zu den Lähmungen - alles ohne organischen Grund, rein seelisch, d. h. kriegs-stress bedingt).

Später ist dieses Krankheitsbild seltener geworden und hat auch nicht mehr die nachfolgenden Kriege dominiert (in denen es dann zu anderen kampfbedingten Leidensfolgen ohne Verwundung kam). Heute werden solche Patienten aber manchmal wieder notfallmäßig wegen solcher plötzlich auftretender Zitter-Attacken bei niedergelassenen Ärzten und in den Polikliniken und Ambulanzen vorstellig. Dabei kann das Beschwerdebild ausgesprochen unterschiedlich ausfallen.

Die wenigsten diagnostischen Schwierigkeiten bereitet der so genannte "Ganz-Körper-Tremor", der also den gesamten Menschen betrifft - und dies auch noch mit unterschiedlicher Tremorfrequenz, also Schwingungshäufigkeit (von fein- bis grobschlägig oder gar ausfahrend). Meist hält es der Organismus auch nur wenige Minuten durch, dann kommt er wieder zur Ruhe, um aber nach einiger Zeit erneut zu irritieren.

Schwieriger wird es bei den so genannten unilateralen, d. h. einseitigen und dazu meist rechtsseitigen Zitter-Attacken von Armen und sogar Beinen. Dennoch gibt es einige Kriterien, die die Diagnose eines psychogenen (rein seelisch bedingten) Tremors relativ zuverlässig sichern lassen. Dazu gehören:

- anamnestische Hinweise, d. h. was wurde in der (Kranken-) Vorgeschichte des Betreffenden bereits früher registriert. Und hier insbesondere so genannte Somatisierungen ("Verkörperlichungen" seelischer oder psychosozialer Probleme, früher auch als psychosomatische Störungen bezeichnet). Oder

- "Erkrankungen", die von einem Facharzt zum anderen geschoben und letztlich doch nicht definitiv diagnostiziert werden konnten ("unklares Beschwerdebild, Verlaufskontrolle empfohlen").

- Auch das plötzliche Auftreten des Tremors und vor allem sein genau so plötzliches Verschwinden (Fachbegriff: Spontanremission) sind typisch, d. h. fast immer anzutreffen.

- Zuletzt fallen bei der fachärztlichen Untersuchung oft ausgesprochen variable und vor allem unübliche Konstellationen des Leidens auf, oder auf Deutsch: da passt nichts in das an sich bewährte diagnostische Schema. Beispielsweise die Erfahrung, dass der psychogene Tremor bei dieser oder jener Situation ausbricht, bei vergleichbaren Belastungen oder Beschäftigungen hingegen auch mal wieder nicht (z. B. beim Schreiben, aber nicht beim Essen mit Messer und Gabel).

- Verdächtig ist auch die bereits erwähnte öfter wechselnde Tremor-Frequenz, also Schwingungshäufigkeit: mal fein, mal mittel, mal grob.

- Hinweischarakter hat auch das Verschwinden des Tremors bei geistiger Belastung oder auch nur im beiläufigen Gespräch.

- Sehr selten ist beim psychogenen Tremor auch ein Zittern der Finger (das bei nicht wenigen Tremor-Formen am meisten auffällt und so gut wie nicht unterdrückt werden kann).

- Wichtigstes Charakteristikum aber ist die fühlbare muskuläre Vorspannung von Armen oder Beinen, also die angespannte Muskulatur, die tonisch (durchgehend angespannt) oder zahnradartig sein kann (als ob beispielsweise im Ellenbogen oder Kniegelenk ein Zahnrad eingebaut wäre, das nur in leicht ruckartiger Bewegung durchgebeugt werden kann). Wird diese Vorspannung überwunden oder der Patient durch Ablenkung entspannt, verschwindet auch der Tremor. Natürlich ist dies vor allem ein ärztliches Diagnose-Hilfsmittel, kann aber auch dem Laien (Angehörige) nützlich sein. Ohne diese Muskel-Vorspannung ist es jedenfalls ohne krankhaften Tremor kaum möglich, ein solches Zittern auszulösen und eine gewisse Zeit durchzuhalten.

Aus all dem geht hervor, was die Betroffenen ungern hören oder gar brüsk ablehnen:

Es wäre gut, einen Psychiater oder Nervenarzt zu konsultieren, der nach gezielter Erhebung der Lebensgeschichte, vor allem möglicher auslösender Krisen-Situationen relativ rasch herausfinden kann, auf was der psychogene Tremor zurück geht. Und wie man ihn am besten durch psycho- und soziotherapeutische Maßnahmen beheben kann.

Leider sperren sich - wie erwähnt - die meisten Patienten erst einmal gegen eine solche Untersuchung und vor allem Behandlung. Deshalb sind die Heilungsaussichten des psychogenen Tremors oftmals ungünstig. Dafür werden manche Patienten nach vor allem längeren Auseinandersetzungen mit den Renten-Institutionen nicht nur unglücklich, sondern irgendwann auch arbeitsunfähig - was dann aber auch kein Vorteil ist, denn selbst danach pflegt der psychogene Tremor nicht "loszulassen".

Deshalb der Rat: Seelisch bedingtes Zittern gehört in die Hand des zuständigen Facharztes, und das ist nach neurologischer Abklärung der Nervenarzt, Psychiater, Arzt für Psychotherapeutische Medizin oder auch in Zusammenarbeit mit dem Arzt der psychotherapeutisch tätige Psychologe.

  • Weitere Tremorformen

- Der Tremor bei Neuropathie, also bei peripheren Nervenschädigungen außerhalb des Zentralen Nervensystems von Gehirn und Rückenmerk bietet zwar kein einheitliches Bild, kann aber trotzdem in Ruhe, unter Haltebedingungen und bei zielgerichteten Bewegungen auftreten. Die Ursachen sind ungeklärt, denn eigentlich sind gerade diese Erkrankungen nicht tremor-verstärkend, sondern -abschwächend. Wahrscheinlich handelt es sich um mehrschichtige "Nerven-Einflüsse".

- Der Tremor bei Traumen (Verletzungen) vor allem von Armen oder Beinen tritt meist in Form eines Haltetremors auf und hat und offensichtlich ursächliche Beziehungen zur so genannten Reflexdystrophie, einem neurologischen Leiden mit bestimmten Bewegungsstörungen, Fehlstellungen und Krämpfen.

- Der Gaumensegel-Tremor (früher auch irrtümlich als Gaumensegel-Myoklonus oder -Nystagmus bezeichnet) kann in zweifacher Form auftreten:

Zum einen durch Schädigung bestimmter Gehirn-Strukturen, die dann entsprechende Muskeln im Gaumen krankhaft aktivieren (und eigentlich nur auffallen, wenn auch noch andere Muskeln des Körpers betroffen sind und zu entsprechenden Tremor-Beeinträchtigungen führen).

- Zum anderen der eigentliche (essentielle) Gaumensegel-Tremor, ebenfalls auf eine Störung bestimmter Gehirnstrukturen zurückgehend, der als einzige und höchst lästige Beschwerde ein zum Zittern zeitgleiches und sogar objektiv hörbares, nämlich klickendes Ohrgeräusch verursacht (rhythmische Aktivität eines Gaumensegel-Muskels).

WIE KANN MAN DIE EINZELNEN TREMOR-FORMEN AUSEINANDER HALTEN?

Nach all dem wird vor allem eines deutlich: Das Zittern ist an sich leicht zu erkennen, aber welche Ursache steckt dahinter? Das kann zu einer schwierigen Frage werden (Fachbegriff: Differentialdiagnose: Was könnte es sonst noch sein?).

Einzelheiten dazu siehe die entsprechende Fachliteratur, wozu es auch sehr hilfreiche Tabellen mit entsprechenden Übersichten gibt. Dies betrifft vor allem die Frage: essentieller oder Parkinson-Tremor (die häufigsten Tremor-Formen im Alltag des Arztes).

Fast noch wichtiger aber sind jene Krankheitsbilder, die einen Tremor vortäuschen können. Denn auch das gibt es. Dazu gehören beispielsweise (nach Deuschl und Koester):

- Die Asterixis (auf deutsch: Flattertremor), benannt nach dem auffälligen Verhaltensmuster des Comic-Helden Asterix mit seinen unrhythmischen Bewegungsstörungen im Sinne des "Flügelschlagens".

Meist gibt es da keine Verwechslungsmöglichkeiten, das Krankheitsbild ist eindeutig. Handelt es sich jedoch um ein sehr kurzes "Flügelschlagen", so entsteht allein durch die mechanischen Schwingungen des Armes oder der Hand eine rhythmische Bewegung, die mit einem Tremor verwechselt werden kann. Hier gilt es dieses Beschwerdebild ursächlich abzuklären. Möglich sind beispielsweise Überdosierung (z. B. Vergiftung durch Antiepileptika, selbst in geringer Über-Dosierung), ferner bei bestimmte Stoffwechsel-Störungen oder umschriebene Schäden bestimmter Gehirn-Strukturen.

Die seltene Epilepsia partialis continua kann ebenfalls rhythmisch auftreten und wird dann gelegentlich mit einem Tremor verwechselt. Bei näherer Untersuchung findet sich aber kein Hinweis auf eine Tremor-Ursache und - noch wichtiger - das Ganze läuft auch im Schlaf ab und kann insgesamt im Elektroenzephalogramm (EEG) gut objektiviert werden.

- Zuletzt können auch noch rhythmische Myoklonien (Muskelzuckungen) und ein Klonus, eine rhythmische Muskel-Kontraktion (Zusammenziehung) einen (grobschlägigen) Tremor vortäuschen. Doch auch dies lässt sich relativ rasch klären.

WIE KOMMT ES ZU EINEM TREMOR?

Es gibt also ganz unterschiedliche Formen des krankhaften Zitterns und deshalb auch verschiedene Ursachen. Manchmal sind es sogar mehrere auf einmal. Einzelheiten dazu siehe die entsprechende Fachliteratur. Stichworte dazu sind (nach G. Deuschl und B. Koster):

- Abnorme Reflexe: Ein Reflex ist die physiologische, d. h. automatische, unmittelbare und unwillkürliche Antwort eines Organgewebes (z. B. Muskel oder Drüse) auf einen Reiz, um eine schnelle und optimale Einstellung des Organismus auf die Umwelt und ein reibungsloses Zusammenspiel der Körperteile zu gewährleisten. Beispiel: Muskel-Reaktion für Flucht oder Angriff. Dabei unterscheidet man Eigen- und Fremdreflexe. Und abnorme Reflexe als mögliche Ursache eines krankhaften Zitterns.

- Funktionsstörungen in bestimmten Gehirnstrukturen: Hier ist das schon öfter erwähnte Kleinhirn ein gutes Beispiel. Gerade der Funktionsausfall des Kleinhirns (Cerebellum) führt zu typischen, d. h. überschießenden Bewegungsstörungen, nicht zuletzt zu bestimmten Zitter-Formen.

- Biochemische und pathophysiologische Veränderungen im "chemischen System" des Organismus.

Bei einer Reihe von Tremor-Formen weiß man inzwischen recht gut Bescheid, was die eigentliche Ursache des Leidens ist (s. o.), in der Mehrzahl allerdings noch nicht so eindeutig, wie man sich das wünscht, um vor allem dann auch gezielter therapeutisch vorgehen zu können. Denn für die Betroffenen ist besonders ein Aspekt wichtig, nämlich:

WAS KANN MAN TUN?

Dieser Beitrag beschäftigt sich vor allem mit dem Erkennen, also dem Beschwerdebild und ggf. den Ursachen eines Tremors. Die Therapie hingegen ist Aufgabe des zuständigen Arztes, d. h. Hausarzt, Neurologe, Nervenarzt und mit ihnen Physiotherapeuten u. a.

Nachfolgend deshalb nur eine kurz gefasste Übersicht (nach G. Deuschl und B. Koester):

Als Erstes muss man eingestehen: Der Behandlungserfolg bei einem Tremor ist selbst heute in vielerlei Hinsicht unbefriedigend, und dies, obgleich in den letzten Jahren entscheidende Fortschritte in Diagnose und Therapie gemacht werden konnten. Gerade Letzteres lässt aufhorchen. Denn besonders die Pharmakotherapie, also "Anti-Tremor-Medikamente" sind eigentlich im Kommen.

Leider wirken sie in der Mehrzahl der Fälle noch immer unzureichend gegen das eigentliche Haupt-Symptom, nämlich das Zittern. Oder es spricht nur ein Teil der Betroffenen auf ihren Wirk-Mechanismus an. Manche Tremor-Formen scheinen nach dem derzeitigen Kenntnisstand der Wissenschaft fast therapieresistent zu sein, wie der Fachbegriff lautet, d. h. sie sprechen zumindest medikamentös auf bisher praktisch nichts an.

Das könnte - vor allem für einige Tremor-Formen - auch in naher Zukunft so bleiben, befürchten die Experten. Denn vor allem die entscheidenden Erkenntnisse über die Funktionen und Strukturen der zuständigen Gehirn-Bereiche sind bisher noch ziemlich unzureichend. Es gibt - so die zuständigen Wissenschaftler - angesichts einer unzureichenden Grundlagenforschung (finanzielle Unterstützung?) keine bisher spektakulär erfolgreiche pharmakologische Tremor-Forschung. Deshalb sind auch die meisten der heute verwendeten Tremor-Medikamente eher zufällig gefunden worden.

Deshalb gewinnen (wieder) operative Verfahren an Bedeutung, und zwar neben den klassischen die so genannten stereotaktischen Läsions-Methoden und zunehmend auch intrazerebrale Stimulationsverfahren (siehe später).

Allgemeine Hinweise

Einige Grundsätze einer gezielten Tremor-Behandlung lassen sich aber auf jeden Fall nutzen, und zwar:

- Wird ein Zittern festgestellt, muss auf jeden Fall zuerst der Hausarzt und schließlich der Neurologe oder Nervenarzt (also Psychiater und Neurologe zugleich) aufgesucht werden. Eine fachärztliche Abklärung ist unerlässlich.

- Diese wird sich vor allem um die Frage bemühen: welche Art von Tremor liegt vor? Denn eine, wenn auch begrenzte Zahl von Zitter-Erkrankungen kann durchaus ursächlich (kausal) behandelt werden. Dies betrifft dann - trotz der erwähnten Einschränkungen - vor allem bestimmte Tremor-Medikamente.

Medikamente pro und contra

Die meisten Arzneimittel aber wirken nicht kausal, sondern symptomatisch, d. h. versuchen nur das Beschwerdebild zu lindern oder zu beheben, solange das Medikament eben eingenommen wird. Deshalb müssen Arzt und Patient gemeinsam die Aufwand-Nutzen-Relation abwägen, was in diesem Falle auch Neben- und Wechselwirkungen (mit anderen Medikamenten) heißt. Notfalls muss der Patient auf ein an sich erfolgreiches Arzneimittel verzichten und mit dem Tremor so gut es geht ohne medikamentöse Unterstützung fertig werden. Letzteres wird vor allem dann in Erwägung gezogen, wenn ggf. höhere Arzneimittel-Dosen notwendig werden könnten - und damit auch mehr Nebenwirkungen, die ja meist dosis-abhängig sind.

Die Frage, ob eine (medikamentöse) Behandlung zwingend ist oder nicht, ergibt sich allerdings meist aus dem zwischenmenschlichen bzw. konkreter dem beruflichen Umfeld. Wem man ständig auf die Hände schaut (Angestellter im Publikumsverkehr, also am Kassenschalter, im Verkauf, Bedienungen im Restaurant, Friseur u. a.), der muss ggf. schon bei einem geringfügigen Tremor Hilfe in Anspruch nehmen, was anderen Patienten in nicht so exponierter Lage weniger zwingend erscheint. Ähnliches gilt für den Kopf-Tremor, der als gesellschaftlich besonders stigmatisierend gilt (Verdacht auf fortgeschrittenen Alterungsprozess, vielleicht sogar Alkoholmissbrauch u. a.).

Die Frage, ob und welches Medikament und vor allem in welcher Dosierung genutzt werden soll, ist also gemeinsam zu klären - und zwar über einen Mindest-Zeitraum hinweg, da sich manche Nebenwirkungen verflüchtigen und andere Begleiterscheinungen erst nach einiger Zeit hinderlicher werden (von den Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln ganz zu schweigen).

Wurde allerdings ein Medikament über längere Zeit eingenommen, dann muss man es - sofern man sich schließlich für sein Absetzen entscheidet - langsam ausschleichen. Eine plötzliche Einnahme-Unterbrechung führt fast immer zu so genannten Absetz-Erscheinungen, die nichts mit den Entzugssymptomen eines Suchtmittels zu tun haben. Hier geht es einfach um den Aspekt: Mittel- bis langfristig eingenommene Arzneimittel wurden in den Stoffwechsel (z. B. des Gehirns) eingebaut - und fehlen plötzlich. Das führt zu Irritationen, die beim langsamen Ausschleichen vermieden werden können.

Welche Arzneimittel stehen zur Diskussion?

Nur kurz gestreift wird die Frage, welche Arzneimittel nun eigentlich konkret zur Diskussion stehen. Dies ist ausschließlich Aufgabe des behandelnden Arztes, der seine Wahl unter den so genannten Beta-Blockern, unter Primidon, den Benzodiazepinen (Beruhigungsmittel, früher auch als Schlafmittel genutzt), den Anticholinergika, dopaminergen Substanzen, Clozapin u. a.) trifft. Einzelheiten siehe Fachliteratur.

Nicht-medikamentöse Tremor-Behandlung

Wie bereits erwähnt werden bei einer Reihe von Tremor-Formen auch stereotaktische Eingriffe diskutiert. Das betrifft vor allem die stereotaktische Thermokoagulation.

Stereotaktische Hirnoperationen sind gezielte, über kleine Knochenöffnungen ausführbare Ausschaltungen jener Strukturen unter der Hirnrinde, die für bestimmte Aufgaben zuständig bzw. für den normalen Ablauf nicht mehr voll funktionstüchtig verfügbar sind (z. B. Nerven-Kerngebiete und -Bahnen). Dabei wird unter Einsatz eines speziellen Zielgerätes (mit Hilfe von koordinierten röntgenologisch-computertomographisch-neurochirurgischen Methoden) Einfluss auf diese Nerven-Strukturen genommen, z. B. in Form der Thermokoagulation, auch Elektrokoagulation genannt (operative Zerstörung umschriebener Gewebsbezirke durch Hochfrequenzstrom mit örtlicher Wärmeentwicklung).

Das hört sich erst einmal "schaurig" an, ist aber eine hoch-effiziente Methode. Sie wurde gerade in den letzten Jahren deutlich verbessert und wird im Übrigen schon seit Jahrzehnten beim Parkinson-Tremor, beim essentiellen Tremor, beim zerebellären und bei anderen Tremor-Formen mit Erfolg eingesetzt. Die Erfolge liegen vor allem beim Morbus Parkinson und dem essentiellen Tremor zwischen 60 und 90 % (nach G. Deuschl und B. Koester). Selbst die Langzeitergebnisse nach drei bis zehn Jahren zeigen noch Besserungs-Möglichkeiten (obgleich es natürlich auch Rückfälle gibt).

Solche Gehirn-Eingriffe werden aber nur nach sorgfältiger Vorauswahl, Planung und Aufklärung aller Beteiligten in Angriff genommen. Letztlich geht es wohl nur um jene Patienten, die - wie der Fachausdruck heißt - medikamentös "ausbehandelt" sind, d. h. bei denen man mit entsprechenden Arzneimitteln nichts mehr erreichen kann. Und natürlich nur bei jenen, bei denen der Tremor massiv in das Leben des Betreffenden eingreift - negativ.

Günstig für solche stereotaktischen Operationen sind die Faktoren: jüngeres Alter, einseitiger Tremor und das Fehlen einer seelischen Beeinträchtigung, wie sie beispielsweise durch organische (Gehirn-)Funktionsstörungen möglich sind.

Natürlich gibt es auch Nebenwirkungen, die sich aber offensichtlich in Grenzen halten (Einzelheiten siehe Fachliteratur). Auch neue Verfahren werden inzwischen diskutiert (z. B. die lokale Hochfrequenzstimulation).

Krankengymnastik

Obgleich die physiotherapeutischen Möglichkeiten bei vielen neurologischen Krankheiten eine große Hilfe und damit unerlässlich sind, muss beim Tremor eingestanden werden: Krankengymnastik vermag die meisten Tremor-Formen kaum zu mildern, so die Experten. Die Entscheidung trifft allerdings der Arzt zusammen mit den entsprechenden Fachkräften und dem Patienten selber.

Psychotherapie

Fast alle organischen Tremorformen werden dann heftiger, wenn die Betroffenen unter Druck geraten (Fachbegriff: stress-induzierte Amplituden-Zunahme des Tremors). Sollte dies besonders ausgeprägt sein, muss man im Einzelfall eine psychotherapeutische Behandlung erwägen, die sich um einen Stress-Abbau im Alltag bemüht (z. B. durch gezielte Entspannungsübungen wie Autogenes Training, Yoga, progressive Muskelrelaxation nach Jacobson). Auch die Hypnose wird immer wieder in die Diskussion gebracht.

Noch wichtiger wird eine Psychotherapie, d. h. die Behandlung mit seelischen Mitteln dann, wenn die Betroffenen ungewöhnlich stark unter der (scheinbar, d. h. vor allem subjektiv empfundenen) sozialen Stigmatisierung durch ihren Tremors leiden. Wie bereits erwähnt, wird ein Tremor von der Allgemeinheit leider meist auf fortgeschrittenes oder vorzeitiges Altern, auf Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit bzw. einen hirnorganischen Schaden zurückgeführt (und alles zugleich mit der vorschnellen Kombination: geistiger Abbau).

Dies auszuhalten oder vielleicht sogar im zwischenmenschlichen Kontakt gezielt zu korrigieren ist vor allem Aufgabe einer verhaltenstherapeutisch orientierten Psychotherapie.

LITERATUR

Wichtiges Thema, das vor allem in der Fachliteratur seinen Niederschlag findet, und hier speziell in neurologischen Fachbüchern, weniger oder nur selten gestreift in allgemein verständlichen Sachbüchern.

Grundlage vorliegender Ausführungen ist das Kapitel

G. Deuschl, B. Koester: Diagnose und Behandlung des Tremors. In: Bastian Conrad u. Andres O. Ceballos-Baumann (Hrsg.): Bewegungsstörungen in der Neurologie. Thieme-Verlag, Stuttgart-New York 1996 (dort auch ausführliche Hinweise auf weitere Fachartikel und -bücher, meist englischsprachig).

Daneben finden sich nützliche Hinweise in praktisch allen neurologischen Lehrbüchern, allerdings dann für Medizin-Studenten und (Fach-)Ärzte konzipiert.

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
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