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AUSGEBRANNT - WIE KANN ES DAZU KOMMEN(1)?

Das Burnout-Syndrom erkennen und verstehen lernen

Es sind nicht die Schlechtesten, die vom Ausbrennen bedroht sind. Es gilt sogar die Regel: Wer ausgebrannt ist, hat zuvor gelodert - war also für seine Aufgabe zuerst Feuer und Flamme und damit aber offensichtlich auch zu unökonomisch entbrannt. Auch ist Burnout längst nicht mehr das "Stress-Syndrom der helfenden Berufe". Und neu ist es schon gar nicht, auch wenn es erst seit zwei Jahrzehnten wieder zum Thema wurde.

Burnout ist zwar in aller Munde, wird inzwischen auch als ernsthafte Gefahr erkannt ("Schwelbrand, gefährlicher als ein offenes Feuer, das man wenigstens rasch erkennt und gezielt bekämpft"), aber neu ist es nicht, im Gegenteil. Schon das Alte Testament berichtete vom Propheten Elias und seiner "Elias-Müdigkeit", einem klassischen Burnout-Syndrom im heutigen Sinne. Und auch J. W. v. Goethe verließ seinen schon in jungen Jahren erworbenen Ministersessel in Weimar und floh nach Italien, weil er dichterisch auszutrocknen drohte. Glücklicherweise nahm ihm das sein Arbeitgeber, Herzog Karl-August von Weimar nicht übel. Er ermunterte ihn sogar, sich ausgiebig zu erholen und dichterisch zu reaktivieren und dann regeneriert wieder zurückzukommen. Goethe hatte eben oftmals auch Glück in seinem Leben.

Selbst in der Belletristik fehlt es nicht an Beispielen. Die bekanntesten sind der Senator Thomas Buddenbrook in Thomas Mann´s gleichnamigen Roman. Oder der Begriff Burnout in Graham Green´s Erzählung "A Burn Out Case".

Auch im deutschen Schrifttum der Sozialpsychologie und -psychiatrie gab es schon früher Begriffe, die auf ein entsprechendes Beschwerdebild hinwiesen. Dazu gehören die "Betriebsneurose" und das "Helfer-Syndrom", die beide klassische Merkmale des "Ausgebranntseins" aufweisen (und übrigens erst populär wurden, nachdem sie aus dem englischsprachigen Schrifttum "rückimportiert" wurden). Im Weiteren die mehr oder weniger verwandten und hinreichend definierbaren Fachbegriffe psycho-physischer Erschöpfungszustand, chronische nervöse Erschöpfung, melancholische Erschöpfung, Erschöpfungsreaktion, die Psychasthenie, die Neurasthenie sowie die später etwas konkreter gefasste Erschöpfungsdepression.

Bei allen diesen Störungen kommt es zu einem vergleichbaren Beschwerdebild, und zwar durch ein kompliziertes Wechselspiel von Persönlichkeitseigenschaften sowie Umweltfaktoren, wobei die Gewichtung recht unterschiedlich ausfallen kann, je nach Blickwinkel des Beschreibers. Auf jeden Fall führt es in eine verhängnisvolle seelische, körperliche, psychosoziale und hier vor allem berufliche Sackgasse.

Selbstverbrenner - Verschlissene - Trittbrettfahrer

Nach und nach versuchte man sogar das Burnout-Syndrom etwas genauer zu differenzieren. So sprach man von "echten Ausbrennern", also den ursprünglich dynamischen und zielstrebigen Männern und Frauen, die an schlechten Bedingungen zugrunde gehen, sich aber letztlich ihren Stress weitgehend selber verschafft haben, vor allem nicht Nein zu sich selber sagen können und von den Experten deshalb auch als "Selbstverbrenner" bezeichnet werden.

Zum anderen die "Verschlissenen", die wenig durchsetzungsfähig und passiv sind, nicht Nein zu anderen sagen können und damit tatsächlich die Opfer äußerer Umstände werden.

Und schließlich spricht man inzwischen auch von "Eingerosteten" oder "Durchgerosteten", die zwar von der positiven Seite der Burnout-Ursachen Nutzen ziehen, in Wirklichkeit aber überhaupt nie "gebrannt", geschweige denn "gelodert" haben. Das sind die "Trittbrettfahrer", die sich nur ein edles Selbstbild zimmern, Misserfolge aber auf andere oder ungünstige Bedingungen abladen. So eine gängige Einteilung.

Welche Berufe sind am häufigsten betroffen?

Früher war vor allem von "helfenden Berufen" die Rede. Später von "Menschen, die mit anderen Menschen zu tun haben". Heute wird gleichsam niemand mehr ausgespart, das Berufsspektrum erstreckt sich von Anwalt bis Zahnarzt. Eine Auswahl der Berufe, von denen immer wieder die Rede ist, siehe Kasten.

Anwälte, Ärzte, Beschäftigungstherapeuten, Bibliothekare, Drogenberater, Eltern autistischer oder sonstig behinderter Kinder, Erwachsenenbildner, Erzieher, Fürsorgeleistende im weitesten Sinne, Personal von Vollzugsanstalten, Hauseltern in Kinderdörfern, Hauswirtschaftsleiterinnen, Jugendbetreuer, Kindergärtnerinnen, Krankenhausapotheker, Lehrer, Leiter von Kliniken und Rehabilitationseinrichtungen, Manager, Mitarbeiter von Beratungsstellen, Pfarrer, Pfleger, Polizisten, Psychotherapeuten, Schulpsychologen, Schwestern, Sozialarbeiter, Sporttrainer, Sprach- und Stimmtherapeuten, Stewardessen, Therapeuten behinderter Kinder und Zahnärzte. Ferner - von den üblichen Bedingungen abweichend aber offenbar nicht selten - Arbeitslose, Büroangestellte, Fabrikarbeiter, Fluglotsen, Studenten u.a.

Ein Großteil der bisher vorliegenden Publikationen bezieht sich aber immer noch auf helfende und soziale Berufe, wobei Krankenpflegeberufe auffällig häufig erwähnt werden. Dabei sollen die in der Psychiatrie arbeitenden Krankenschwestern mit die höchsten Stresswerte zeigen - nicht zuletzt in Abhängigkeit von bestimmten Abteilungen, Stationen oder Arbeitsbereichen. Psychiatrisches Pflegepersonal - so manche Untersuchungen - scheint ein höheres Ausmaß an Burnout aufzuweisen als Angehörige anderer Berufe, die mit psychisch Kranken arbeiten wie Sozialarbeiter, Psychologen und Psychiater.

Eine besondere Unzufriedenheit herrscht dort, wo die anfänglich hochgesteckten Ziele einer Resozialisierung sich am wenigsten realisieren lassen. In nicht-psychiatrischen Institutionen scheint die körperliche Belastung stärker, in psychiatrischen die psychologische. Die körperliche scheint aber gesamthaft gesehen weniger beeinträchtigend als die seelische.

Ein wichtiger Zusatzfaktor ist die Beschäftigungsdauer: je länger, desto eher. Inzwischen gilt aber auch hier: Zwar gibt es Schwerpunkte, aber möglich ist jede Verlaufsform. Kritisch, und dabei bleibt es bis heute, wird es vor allem dann, wenn zu hohe (d.h. unrealistische) Erwartungen an den Berufserfolg gestellt werden.

Was kann an äußeren Belastungen zum Burnout führen?

Zu Ätiologie (Krankheitsursache) und Pathogenese (Krankheitsverlauf) besteht bisher kein einheitliches Meinungsbild. Wenn man aber ganz schlicht die am häufigsten beklagten Belastungsfaktoren zusammenzählt, kommen schon immer wieder die gleichen Ursachen zur Sprache (Einzelheiten siehe Kasten). Interessanterweise ist dabei auch eine wichtige Therapiesäule, nämlich die Ärzteschaft, nicht ausgenommen. Dort soll das Burnout-Syndrom inzwischen ganz besonders verhängnisvoll wüten.

Welche äußeren Burnout-Ursachen werden am häufigsten diskutiert?

- Hohe Arbeitsbelastung
- schlechte Arbeitsbedingungen
- Zeitdruck oder zu großes Pensum in einem zu eng gesteckten Zeitrahmen
- schlechtes Betriebsklima
- wenig tragfähige Beziehungen zu den MitarbeiterInnen
- wachsende Verantwortung
- Nacht- und Schichtarbeit, die nicht den chronobiologischen Erkenntnissen angepasst sind
- unzulängliche materielle Ausstattung des Arbeitsplatzes
- schlechte Kommunikation unter allen Beteiligten (Arbeitgeber, aber auch MitarbeiterInnen untereinander)
- zu geringe Unterstützung durch den Vorgesetzten
- wachsende Komplexität und Unüberschaubarkeit der Arbeitsabläufe und -zusammenhänge
- unzureichender Einfluss auf die Arbeitsorganisation
- Hierarchieprobleme
- Verwaltungszwänge
- Termin- und Zeitnot
- unpersönliches, bedrückendes oder intrigenbelastetes Arbeitsklima, vom Mobbing, also dem gezielten Quälen von Mitarbeitern oder Untergebenen ganz zu schweigen ("die kleine Gemeinheit zwischendurch")
- ständige organisatorische Umstellungen, ohne die Betroffenen in Planung und Entscheidung einzubeziehen, bei Misserfolgen aber verantwortlich zu machen
- zunehmende, immer neue und vor allem rasch wechselnde Anforderungen
- wachsende Angst vor Arbeitsplatzverlust u.a.m.

Prävention - Therapie - Rehabilitation

Was kann man dagegen tun bzw. wie kann man das Ausbrenne schon im Vorfeld verhindern? Dazu gibt es eindrucksvolle Therapie-Schemata, aber auch wiederum ganz einfache bzw. realitätsgerechte Empfehlungen, die durch ihre Schlichtheit zwar wenig beeindrucken und noch weniger zur Nachahmung anregen, in Wirklichkeit aber das Geheimnis eines zwar "burnout-bedrohten", aber letztlich noch nicht "burnout-zerstörten" Mitarbeiters sind.

Einzelheiten siehe das Kapitel: Burnout: erschöpft-verbittert-ausgebrannt. Wie verhindern, wie behandeln? (Prof. Dr. med. Volker Faust).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
Beachten Sie deshalb bitte auch unseren Haftungsausschluss (s. Impressum).