Prof. Dr. med. Volker Faust Psychosoziale Gesundheit von Angst bis Zwang Seelische Störungen erkennen, verstehen, verhindern, behandeln |
WAS TUN GEGEN BURNOUT(2) ?Erkennen - Anerkennen - Vorbeugen
Burnout, also nicht nur erschöpft, sondern auch verbittert und schließlich aus-gebrannt, ist zwar in aller Munde, aber deshalb noch keine Diagnose - noch nicht. Es ist aber sehr wohl ein beklagenswerter Zustand, der immer häufiger wird und der nicht nur psychosozial, sondern auch wirtschaftlich großen Schaden anrichtet. Betroffen sind vor allem helfende Berufe, jedenfalls war das der bisherige Stand wissenschaftlicher Erkenntnis. Inzwischen aber scheint niemand mehr davon verschont zu bleiben, und zwar auf allen Ebenen der Hierarchie einschließlich der Selbständigen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass man sich neuerdings auch in Industrie und Wirtschaft für dieses Phänomen interessiert. Denn dort merkt man es am schnellsten, dass etwas nicht stimmt, und zwar an der Bilanz. Gewarnt werden muss vor einer wachsenden innerbetrieblichen Kälte. Denn der seelisch-mentale Stressballast infolge rüden Führungsverhaltens ist ein gefährlich unterschätzter Sprengsatz an den Fundamenten der Unternehmen: Die harte innerbetriebliche Gangart macht die Mehrzahl der Mitarbeiter bereits zu angeschlagenen Kämpfern, bevor sie überhaupt mit ihrer Arbeit begonnen haben (Th. Weegen). Was kann man tun? Ausgangspunkt jeder Prävention und Intervention ist erst einmal die gründliche Situations-Analyse. Es ist erstaunlich, wie lange sich viele Menschen ausgebrannt dahinschleppen, ohne über mögliche Ursachen realistisch und vor allem objektiv nachgedacht zu haben. Hier muss man nachhelfen. Zusammengefasst heißt das: - Welche Umweltbedingungen sind belastend? - Welche eigenen Bedürfnisse und Ziele wurden vernachlässigt? - Welche Fähigkeiten blieben unterentwickelt? - Welche Vorstellungen sind unrealistisch? - Welche Glaubenssätze und Denkmuster dysfunktional? - Welche Informationen fehlen? - Wo lässt sich mit dem besten Aufwand-/Nutzen-Verhältnis etwas ändern, vor allem ein Stück Autonomie, also Freiheit für sich selber wiedergewinnen? Dazu einige konkrete Überlegungen in Stichworten:
· Sich der Möglichkeit bewusst sein, dass das "Ausbrennen" jeden treffen kann. Deshalb den Einsatz frühzeitig dosieren und damit die Kräfte langfristig schonen. Zu großes Überengagement am Anfang birgt immer eine Erschöpfungsgefahr in sich ("ausbrennen kann nur der, der zuvor gelodert hat ..."). Natürlich hängt die Erschöpfung vom individuellen Kräfte-Reservoir und entsprechenden Arbeitsbedingungen ab. Doch weder das Eine noch das Andere lässt sich oft genug klar und realistisch einschätzen, besonders am Anfang einer Laufbahn. · Klärung, ob der jetzige Beruf tatsächlich der "Jugendtraum" war. Oder ob man ihn eigentlich nie angestrebt hat. Sich darüber klar zu werden, heißt zwar schmerzliche Erkenntnisse hinzunehmen, bedeutet aber auch keinen Illusionen mehr aufzusitzen. · Versuch, die Selbsteinschätzung schonend zu modifizieren, d.h. Schluss mit den überhöhten Ansprüchen an sich selber ("was man nicht selber tut, ist nicht getan").
· Gesunde Lebensführung ist zwar eine reichlich strapazierte Mahnung, auf die niemand mehr hört, zum eigenen Nachteil. Doch das heißt: - Genügend Schlaf (viele gehen offenbar einem wachsendem Schlafdefizit entgegen, das sie abends immer später ins Bett bringt, obgleich sie morgens unverändert früh raus müssen). - Ausreichend körperliche Aktivität, und zwar nicht stoßweise, sondern regelmäßig: Dazu gehören ein "täglicher Gesundmarsch bei Tageslicht" (vor allem in der dunklen Jahreszeit, Vorsicht vor der Winterdepression), und/oder Fahrrad fahren, Schwimmen, Gymnastik, Gartenarbeit (emotional besonders ausgleichend) oder jede körperaktive Sportart, aber ohne gesundheitsgefährdenden Ehrgeiz. - Gesundes Nahrungsverhalten: viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukte und sich ansonsten an die jedermann bekannten Ernährungs-Regeln halten. - Alkohol und Kaffee in Maßen, Nikotin meiden, keine Rauschdrogen, also auch keine Psychostimulanzien, Appetitzügler, Designerdrogen und gerne verharmloste Halluzinogene wie Haschisch und Marihuana. · Erlernen von Entspannungstechniken, wie Autogenes Training, Yoga, Progressive Muskelrelaxtion, und zwar bevor man sie braucht. Und dann auch regelmäßig nutzen.
· Pflege von Hobbys und sonstigen Tätigkeiten außerhalb des Berufs. Denn wenn der Beruf zum Hobby wird (wie von Workaholics gerne behauptet), plötzlich aber beides zum Problem wird, was bleibt dann? · Kontakte zu Freunden pflegen: Zwischenmenschliche Beziehungen schützen vor dem "Ausbrennen". Das gilt für alle Kontakte, also Hausgemeinschaft, Nachbarschaft, Verein, sonstige Bekannte. Das gerne belächelte "Schwätzchen", das man besonders dem weiblichen Geschlecht anlastet, ist psychohygienisch viel nützlicher, als generell zugestanden wird. Auch Chefs sollten dem kurzen "Schwatz auf dem Gang" eher positiv gegenüber stehen, vorausgesetzt er wird nicht zur leistungsmindernden Norm.· Vernünftige Arbeitsorganisation: Tages- und Wochenpläne mit exakter Aufteilung der aktiven und passiven Arbeits- und Freizeitphasen (und letztere auch respektieren). Keine dauerhafte Überlastung der eigenen Person zulassen (den Anfängen wehren). Soweit möglich wechselnde Aufgabenfelder bzw. Misch-Arbeit nutzen. Und was empfiehlt sich für Arbeitgeber und Vorgesetzte? Es gibt einen betriebspsychologischen Grundsatz, der keiner Diskussion bedarf:
Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Das Betriebsklima wird rauer. Explodierende Kosten und harte Wettbewerbsbedingungen fordern die Unternehmen immer mehr. Viele suche dann Lösungsansätze in neuen Strategien, die zudem noch häufig ausgewechselt werden. Dabei vergisst man aber oft den pfleglichen Umgang mit den Mitarbeitern. Besonders die zur Schlankheit gezwungenen Organisationsebenen fordern immer härtere Bandagen. Doch die Folgen dieser "betriebsklimatischen Eiszeit" sind verheerend: Wenn über das pausenlose Fordern das geistig-seelische Wohlbefinden vergessen wird, stimmen über kurz oder lang auch die Zahlen nicht mehr. Das muss nicht einmal in das viel diskutierte Mobbing auswachsen, es reicht auch als "unsichtbarer Schwelbrand". Was der Sport schon lange zeigt, gilt auch für die Wirtschaft und natürlich für jede andere Institution: Siege werden in den Köpfen errungen. Erfolge sind das sichtbar gewordene Ergebnis innerer Einstellung. Wo Powerplay mit Menschen und Mitteln dominiert und das innere Wohlbefinden zur Nebensache wird, heißt das Endergebnis nicht Erfolg sondern Krise (H. Volk).
Zum Schluss die bekannte Story aus den USA, die aber gleichwohl zum Nachdenken anregen sollte: Eigentlich wollte man nur wissen, welche fünf US-Firmen im Jahresdurchschnitt die höchsten Gewinne pro Aktie erzielt hatten. Doch als man schließlich diese fünf Gewinner nach ihren Gemeinsamkeiten untersuchte, kam lediglich folgendes heraus: Alle verfügten weder über eine beherrschende Marktposition noch über eine einzigartige Technologie. Noch waren sie Markenproduzenten. Sie agierten auch nicht in ausgesprochenen Wachstumsmärkten oder konnten sich auf Zulieferer stützen, die dem Unternehmen besonders eng verbunden waren. Vielmehr zeigte sich nur eines (VDI-N v. 16.02.96):
Prof. Dr. med. Volker Faust |
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Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise. |