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DIE MANISCHE AUSSAGE (2)

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Die manische Hochstimmung als Fenster zur Persönlichkeit

Die manische Hochstimmung, der gemütsmäßige Gegenpool zur Depression, gehört zu den schwierigsten, belastendsten und folgenschwersten seelischen Störungen. Sie ist häufiger als man denkt, zumindest in ihren leichteren bis mittelschweren Verlaufsformen. Und sie hinterlässt eine breitere Schneise der partnerschaftlichen, familiären, beruflichen, finanziellen und gesellschaftlichen Einbußen als die meisten ahnen. Dazu die Angst vor dem Rückfall, ohne dass der Betroffene daraus etwas zu lernen scheint.

Deshalb sind die verzweifelten Angehörigen manchmal auch so unflexibel, so kompromisslos, wütend und bisweilen fast gnadenlos bis rachsüchtig - scheinbar. In Wirklichkeit wissen sie sich nicht mehr zu helfen, sehen sich hilflos einer regelrechten psychosozialen Selbstzerstörung ausgeliefert. Und doch ist es in den meisten Fällen nicht damit getan, den Patienten in der nächsten psychiatrischen Klinik durch eine Zwangseinweisung einfach "auszuschalten".

Besser wäre es - sofern irgendwie tragbar - einen inneren Zugang zu ihm zu finden, zum Beispiel unterstützt durch den Arzt seines Vertrauens. Das ist nicht einfach und ein Weg voller Fußangeln und Fallgruben. Doch wenn es gelingt, ist es die beste aller möglichen Lösungen. Denn die manische Hochstimmung ist wie ein Fenster zur Persönlichkeit eines Menschen, der zwar einer biologisch gesteuerten Krankheit (Psychose) unterworfen ist, bei der jedoch vor allem zwischenmenschliche Aspekte einen großen Einfluss ausüben. Und die gilt es zu erkennen und in die Therapie einzubauen. Die manische Aussage hilft dabei. Um was handelt es sich hier?

Hinter jeder endogenen Manie steht nicht nur ein biologisch begründbares Krankheitsbild, sondern auch eine individuelle Not, die nicht unwesentlich an Ausbruch, Beschwerdebild und Verlauf dieses - scheinbar rein organisch vorgegebenen - Leidens beteiligt ist. Leider schaut nur jeder auf das offensichtliche Fehlverhalten und seine Folgen. Und in der Tat: Die Manie lässt einem dazu häufig keine andere Wahl.

Dennoch sollte man sich zwingen, hinter dieser "verrückten Fassade" ein persönliches Problem, ja Leid identifizieren zu lernen. Das ist nicht nur hilfreich für den Patienten, es erleichtert auch der Umgebung den Zugang zu den psychodynamischen Hintergründen und damit das Erkennen, Verstehen und Helfen.

Vom psychosozialen Ärgernis zur psychodynamischen Interpretation

Die lehrbuch-typische Charakteristikum des manischen Beschwerdebildes lautet: 1. gehobene oder gereizte Stimmung, 2. Überaktivität, 3. Redefluss (siehe auch der entsprechende Beitrag über die Manie - krankhafte Hochstimmung mit Folgen). Dem sollte man mit der klassischen therapeutischen Trias begegnen: 1. Distanz halten, 2. Sedieren (medikamentös dämpfen), 3. notfalls stationäre Aufnahme in einer psychiatrischen Fachklinik.

Doch der Maniker will nicht behandelt werden und schon gar keine Medikamente. Und auch einen Arzt, zumal einen Nervenarzt oder Psychiater, braucht er aus seiner Sicht am allerwenigsten. Schließlich geht es ihm zur Zeit so gut wie noch nie. Wer lässt sich auch freiwillig aus seiner Hochstimmung herunterbremsen.

Was kann aber der Arzt tun, um vom Patienten den größten Schaden abzuhalten (und das Gleiche gilt auch für Angehörige, Freunde, Arbeitskollegen usw.)? 1. Zur Mitarbeit gewinnen, 2. überlisten oder 3. überwältigen. Kooperation scheint in der Regel unmöglich. Klappt die List nicht, bleibt nur noch Gewalt. Ist Letztere groß und entschieden genug, gibt der Patient meist nach. Das ist zwar die Realität, aber nicht die Lösung des Problems. Ideal (wenn man hier von so etwas sprechen kann) wären 1. intensiver Gesprächskontakt, 2. antimanische medikamentöse Behandlung durch den niedergelassenen Arzt mit aber nur geringer Dämpfung, 3. stationäre Aufnahme in der Fachklinik erst einmal möglichst vermeiden.

Manie in Stichworten


Psychisches Krankheitsbild, affektive Störung (Fachbegriff) = Gemütskrankheit. Meist im Sinne einer manisch-depressiven Psychose (Geisteskrankheit, hier konkreter: Gemütsleiden) mit unregelmäßig abwechselnden manischen und depressiven Krankheitsepisoden. Selten auch als ausschließlich manischer Zustand. Meist endogen (d. h. "von innen", also biologische Ursachen), gelegentlich aber auch durch bestimmte körperliche Erkrankungen in abgeschwächter Form (Vergiftungszustände, Tumoren oder Entzündungen des Gehirns, endokrine bzw. Stoffwechsel-Störungen, durch Medikamente oder Rauschdrogen ausgelöst).

Die Manie gilt als Gegenstück zur Depression. Die Stimmung ist gehoben bis übermütig (kennzeichnend: ansteckend!), kann aber auch unverfroren-rechthaberisch, gereizt, ja aggressiv sein. Erhöhte Ablenkbarkeit ("von Thema zu Thema"), witzig-schlagfertig, manchmal aber auch verworren. Ungebremster Bewegungsdrang: laut, schnell, lebhaft, ständig in Bewegung, rastlos, voller Wagemut, Vielgeschäftigkeit, Reise-, Rede- und Schreibdrang, ständiges Telefonieren. Mitunter enthemmt, unpassende Vertraulichkeiten, Prahlereien, gesellschaftliche "Ausrutscher", Schwindeleien. Aufdringlich, herausfordernd, ggf. Gefahr sexueller Fehlhandlungen (allerdings seltener und auch weniger "schamlos", wie gerne kolportiert wird).

Körperlich "in prächtiger Verfassung". Kleidung, Schmuck, das ganze Auftreten manchmal exzentrisch oder herausfordernd (aber nicht grundsätzlich). Die gesellschaftlichen, familiären und finanziellen Folgen sind - je nach Ausprägungsgrad des Leidens, vorbestehender Wesensart und psychosozialen Umständen - mehr oder weniger folgenschwer: sogenannte Erfindungen, Verbesserungen, weltanschauliche, theologische oder politische Erneuerungen, mehr oder weniger gewagte finanzielle Unternehmungen (vom "lockeren Geldbeutel" über den Kaufrausch bis zur Unternehmensgründung), Auseinandersetzungen mit Verwandten, Bekannten, Vorgesetzten, Fremden, Behörden, von der Distanzlosigkeit bis zur Beleidigung. Rauschende Feste, sinnlose Reisen, öffentliche Diskussionen (und Auseinandersetzungen). Am Schluss oftmals ernste und vor allem langfristige Probleme in Familie, Nachbarschaft, am Arbeitsplatz und überhaupt in der Gesellschaft. Bisweilen herbe finanzielle Verluste.

Behandlung: meist medikamentös (antipsychotisch wirkende Neuroleptika, Phasenprophylaktika wie Lithium, Carbamazepin und Valproinsäure). Noch günstiger wäre der psychologische Zugang - falls möglich. Am günstigsten in der Regel ein sogenannter Gesamtbehandlungsplan aus psychagogischer Führung (Mischung aus psychotherapeutischer Behandlung und pädagogischer Leitung), aus soziotherapeutischen Korrekturen und Unterstützungsmaßnahmen (Angehörige, Freunde, Arbeitsplatz) und den entsprechenden Arzneimitteln, wenngleich dosis-mäßig angepasst (möglichst nicht völlig "runter-dämpfen" oder gar "nieder-spritzen").

Die Heilungsaussichten sind gut, denn manische Episoden vergehen wieder und es bleibt nichts zurück (außer ggf. finanzielle Einbußen, "partnerschaftliche und familiäre Scherben", gesellschaftliche Konsequenzen). Und natürlich der drohende gemütsmäßige Gegenpol: Depressionen. Schon deshalb ist auch eine langfristige medikamentöse Behandlung (Rückfallschutz) empfehlenswert.

Zur Psychologie der Manie

Wer nur die Disziplinierung im Auge hat (wie das die inzwischen verzweifelten Angehörigen tun), kommt nicht weiter, es sei denn mit Gewalt. Wer aber die psychologische Ausgangssituation zu hinterfragen, zu klären und zu lösen versucht, hat eine Therapiechance. Was heißt das (nach H. L. Kröber)?

Der Maniker lebt in seiner gesunden Zwischenzeit vor allem auf seine soziale Umgebung bezogen. Bedeutsam sind für ihn das, was die Psychiater tradierte Normen (von früheren Generationen überkommene, allgemein anerkannte und als verbindlich geltende Regeln) und externe Leistungsvorgaben nennen (das tun, was "man" zu tun hat). Aber er erlebt sich auch als unfrei, kontrolliert, in seiner Autonomie (Selbständigkeit, Unabhängigkeit) und seinen Entwicklungsmöglichkeiten beschnitten.

In seinen gesunden Zeiten duckt er sich. Während der manischen "Explosion" aber versucht er die Änderung dieser Situation, allerdings unkritisch, undiplomatisch, rücksichtslos und ggf. "mit der Brechstange". Jetzt will er seine scheinbar längst begrabenen Autonomiewünsche realisieren und nichts mehr von seiner zuvor praktizierten Selbstunterwerfung wissen. Er ist zukunftsorientiert, voller Pläne, veränderungsbereit, aktiv - leider ungesteuert aktiv - und damit für seine Umgebung nicht selten schon dadurch "krank".

Die Familiensituation des Manikers

Dazu kommt oft eine spezifische Familiensituation. Hier spielt meist ein bestimmtes Familienmitglied die entscheidende Rolle, in der Regel der Partner oder die Mutter. In gesunden Zeiten ist es jene Person, der am meisten seine Zuwendung und Fürsorge gilt. In der akuten Manie aber bricht der Kranke aus dieser Partnerschaft aus. Für den Therapeuten oder andere Vermittler entsteht dadurch eine komplizierte Situation:

- Auf der einen Seite der Maniker, meist allein, allenfalls in der phantasierten Koalition mit jenen, die er gegenwärtig idealisiert - bis er enttäuscht wird.

- Auf der anderen Seite diejenigen, die ihn verzweifelt kontrollieren und tatsächlich oder scheinbar seine Autonomiewünsche blockieren wollen.

In der Sprache der Fachleute heißt das: Der Maniker will seine chaotisch, rücksichtslos oder zumindest egoistisch erscheinenden Autonomie-Bestrebungen durchsetzen, die Angehörigen flüchten in diktatorische Kontrollwünsche. Beide wenden sich an den Arzt oder einen anderen Vermittler - und der ist nicht zu beneiden.

Die Verwandten verlangen, dass der Arzt "das Nötige veranlasst", schließlich ist schon allerhand passiert (Rufschädigung, Konflikte mit Angehörigen, Nachbarn, Freunden, Behörden und Vorgesetzten, finanzielle Verluste, ggf. sexuelle Gefährdung u.a.). Für den Maniker aber gibt es nur einen Grund, allein oder mit den Angehörigen zum Arzt zu gehen: die vage Hoffnung, dass er Verständnis findet für sein für ihn "nachvollziehbares Ausbrechen" und Unterstützung gegen seine "restriktive Umgebung".

Was kann man tun?

Was kann nun der Arzt oder ein anderer Vermittler tun? Als erstes sollte er grundsätzlich um die psychodynamischen Hintergründe einer solchen Situation wissen. Wenn er sich nur an den bereits gesetzten psychosozialen Schäden orientiert, wird er nur die "Pillen-Keule" schwingen können, wird den Patienten nur mit Hilfe des Gerichts gegen seinen Willen "einsperren" und ggf. "niederspritzen" lassen, wie es der Patient im akuten Stadium so gut wie immer interpretiert, auch wenn das objektiv gesehen nicht die ganze Wahrheit ist. Dass er damit auf jeden Fall nicht das Vertrauen "seines" Patienten erringt, ist auch ihm klar - aber was soll er machen?

Besser wäre es deshalb, er würde sich trotz manischem Redeschwall, kesser Anmaßungen und kleiner Frechheiten seitens des Patienten die Zeit nehmen um herauszufinden, was dieser wirklich will - und warum er das gerade jetzt will, und in dieser aufwendigen bis "skandalösen" Form. Und ob das alles nicht auch anders geht als mit manischem Chaos, mit medikamentöser Zwangsbehandlung und stationärer Aufnahme.

Doch dann muss er auch dem Kranken signalisieren, dass er ihn und seine Bedürfnisse ernst nimmt. Das wird für diesen neu sein. Denn bisher sah er sich in seinem Anliegen schroff zurückgewiesen (so brüsk halt, wie er meist selber vorgegangen ist). Jetzt aber scheint sich ein echter Ansprechpartner gefunden zu haben.

Dem Maniker Zeit lassen, seine Gedanken und Wünsche zu ordnen

Leider vermag der Maniker sich nicht klar genug zu äußern - krankheitsbedingt. Dabei sind schon alle Nerven seines näheren und weiteren Umfelds bis aufs Äußerste angespannt. Und dann versucht "dieser Mensch" auch noch weitschweifig, vor allem verständnis- und kompromisslos, ungeduldig, wenn nicht gar arrogant jedes "vernünftige Gegenargument" auszuhebeln. Unerträglich auch seine nebulösen, verblasenen Vorstellungen, seine unrealistischen Pläne, falschen Voraussetzungen, gefährlichen "Spinnereien", das ständige Vom-Thema-zu-Thema-Springen, zumindest aber das dauernde Abschweifen, wenn man ihn endlich zu einer ergiebigen Stellungnahme verpflichtet meinte.

Also muss man seine Fragen hartnäckig wiederholen und auf einer verständlichen Antwort bestehen. Das wiederum reizt den Patienten ("das haben Sie mich jetzt schon zum dritten Mal gefragt"), hilft aber nach und nach einen festen Standpunkt zu suchen. Und in der Tat kann es sehr eindrucksvoll sein, wie der Maniker letztlich ernsthaft und schließlich auch fruchtbar um das konstruktive Durchhalten eines solchen Gesprächs ringt, trotz krankhafter Sprunghaftigkeit und Inkonsequenz. Das fördert das Vertrauensverhältnis, vielleicht sogar die erstmals ernsthafte Überlegung, was geschah und was man tunlichst vermeiden sollte, falls es noch zu retten ist.

Die Angehörigen sind unzufrieden

Doch das Eis, auf dem solche Übereinkünfte dann auch wirklich tragfähig entstehen sollen, ist und bleibt dünn. Und ausgerechnet die Gesunden, nämlich die genervten Angehörigen, auch die Freunde, Nachbarn und Arbeitskollegen, sehen in ihrer Verzweiflung hier nur die negativen Seiten eines solchen Abkommens: "Er hat wieder einen Sieg errungen", so meint man, weil er auch noch den Arzt überzeugt (nach Meinung der Verwandten überrumpelt) hat. "Er wird sich an nichts halten, wie bisher. Im Gegenteil: Jetzt wird er sich - in seinen Augen unterstützt durch die ärztliche Autorität - noch mehr herausnehmen, noch mehr Schaden anrichten, seinen finanziellen und gesellschaftlichen Ruin noch gründlicher zu Ende bringen." Manche Angehörige fühlen sich auch um Genugtuung oder Bestrafungswünsche geprellt. Deshalb muss der Arzt viel Verständnis zeigen für ihre enorme Belastung, die durch die geplante ambulante Betreuung mit Verzicht einer Klinikbehandlung vorerst nicht geringer wird.

Wäre da nicht grundsätzlich eine stationäre Behandlung besser, für alle Beteiligten? Die ergibt sich so oder so, wenn es nicht anders geht. Wenn eine manische Psychose "überkocht" (Fachausdruck bzw. Klinikjargon) bzw. psychosozial so "durchknallt" (Zitat eines Angehörigen), dass keine andere Wahl mehr bleibt, wird geschehen, was geschehen muss.

Andererseits darf man nicht vergessen: Gemessen an depressiven Krankheitsepisoden kommen manische Zustände (die ja zumeist als manisch-depressive Erkrankungen auftreten) recht selten in die Fachklinik. Es gibt sie also viel häufiger, als es die klinische Statistik ausweist. Das heißt aber auch: Die meisten manischen Zustände können zwar mit Verlusten aller Art, aber irgendwie noch tragbar "draußen" gehalten werden. Und hier sollte man auch therapeutisch ansetzen, zumal nicht jeder Maniker von der Vernunft völlig "abgekoppelt" ist.

Viele Maniker suchen geradezu verzweifelt einen Menschen, der die dringende Kurskorrektur begleitet, aber natürlich nicht erzwingt. Die meisten aus seinem Umfeld haben sich jedoch - notgedrungen in ihrer misslichen Situation, in die sie als Partner, Kinder, Eltern, Freunde, Nachbarn und Mitarbeiter gedrängt wurden - als hilfreiche und gleichzeitig vom Patienten akzeptierte Begleiter rasch disqualifiziert. Bleibt nur noch der Arzt. Vor allem der Hausarzt oder Psychiater als Partner des Patienten "in Freiheit".

Für den Stationsarzt in der Klinik wird es da schon schwerer. Er mag noch so viel Verständnis haben, er ist und bleibt letztlich der "Büttel" einer "Zwangs-Institution, die den Patienten seiner Freiheit beraubt hat" (Zitat). Psychiatrische Kliniken sind tatsächlich - so die Klinikpsychiater selber - in der Regel und notgedrungen fest eingespielte Institutionen, relativ unflexibel, von hohem Verantwortungsgefühl (nicht zuletzt administrativ und juristisch erzwungen) und deshalb erheblich kustodial (vom lateinischen: custos = Wächter, Hüter, Aufseher). Kurz: Der Stationsarzt hat weit weniger Chancen als sein niedergelassener Kollege, also Allgemeinarzt, Internist, Psychiater u. a. - sofern er das notwendige Wissen um diese ungewöhnliche seelische Störung und ihre biologischen Hintergründe und psychosozialen Folgen hat. Und die "Nerven", also Geduld und Durchstehvermögen. Und ein wenig Glück, das sei zugegeben.

Wie alte Konflikte zementiert werden

Außerdem wiederholt sich durch die stationäre Aufnahme in unfruchtbarer Weise der alte Konflikt des Manikers zwischen Autonomiestreben und äußeren Kontrollbedürfnissen, den er ja durch seinen manischen Höhenrausch gleichsam wegsprengen wollte. Das hinterlässt tiefe Spuren in seinem Selbstbewusstsein, auch nach der Genesung, die ohnehin von Scham- und Schuldgefühlen überschattet sein wird. Zudem wird in der Rückschau die stationäre Behandlung oft als (leider gerechte) Bestrafung und Unterwerfung erlebt und entmutigt damit legitime und wichtige Veränderungswünsche, die seinem Leben endlich die richtige Richtung geben könnten.

Dem gegenüber ist jede aktive und ambulant gemeisterte manische Krise eine Ermutigung, so sonderbar sich das anhört. Denn der Maniker muss aus seiner Erkrankung auch lernen dürfen Es gibt nicht nur negative Folgen einer Manie. Es kann auch zur Nachreifung kommen.

Das sollte allen Beteiligten, Angehörigen und Therapeuten Mut machen, die psychodynamischen Hintergründe besser zu verstehen lernen. Und mehr zu wagen. Das setzt zwar enorm viel Einsatz voraus. Hausarzt: "Ein auch nur mittelschwer erkrankter Maniker braucht mehr Zeit und Kraft als die halbe übrige Praxisklientel". Vorgesetzter: "Wir waren wochenlang nur mit ihm befasst, praktisch ruhten alle anderen Geschäfte...". Angehöriger: "So etwas hält ein normaler Mensch nicht lange aus. Unsere Familie hat sich praktisch in alle Winde zerstreut...". Nachbar: "Erst waren wir amüsiert, dann verwundert, dann verärgert, schließlich wütend und am Schluss erschöpft und resigniert. So etwas kann sich ein normaler Bürger ja gar nicht vorstellen."

So und ähnlich lauten viele Kommentare - zu Recht. Andererseits zahlt es sich letztlich aus. Und zwar nicht nur für die jetzige Krisenbewältigung, auch für die psychodynamische Klärung der familiären Verhältnisse, für die Persönlichkeitsreifung und durch ein gutes Arzt-Patient-Verhältnis für eventuelle Rückfälle. Denn die sind ohne medikamentöse Langzeitprophylaxe (siehe der Beitrag über die Manie - krankhafte Hochstimmung mit Folgen) oft geradezu programmiert.

Wenn dann der Patientin durch seine "schlechten Erfahrungen" alle Ärzte oder sonstigen Vermittler ablehnt, wird es erst so richtig schwierig, bis die letztlich von allen ungeliebte Zwangslösung der stationären Klinikaufnahme zwar allem ein Ende bereitet, aber auch mit den entsprechenden Folgen. Denn:

Die Manie ist wie ein Fenster, durch das wir Einblicke in die Persönlichkeit erhalten - wenn man es nicht leichtfertig zuschlägt... (Prof. Dr. med. Volker Faust).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
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