MIGRÄNE
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Häufigkeit – seelische, körperliche und psychosoziale Ursachen – Sonderformen – Therapie und Vorbeugung
Die Migräne, der attacken-artige, meist einseitige und heftig pulsierende Kopfschmerz, gehört den quälendsten neurologischen Krankheitsbildern. Sie ist häufig (besonders beim weiblichen Geschlecht), oft „ererbt“ und leider meist das halbe Leben begleitend. Deshalb gilt es mögliche Auslöse-Faktoren zu kennen und zu meiden. Das Gleiche gilt für psychologische bzw. psychosoziale Hintergründe, also jene seelischen Faktoren, die eine Migräne bahnen können.
Nachfolgend eine kurz gefasste Übersicht zu diesem häufigen, aber auch gefürchteten Leidensbild, das in unserer Zeit und Gesellschaft eher mehr als weniger zu werden scheint.
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Kopfschmerzen gehören zu den häufigsten Beeinträchtigungen überhaupt: mehr als zwei Drittel der Bevölkerung, schon bei Schulkindern in 10 bis 15%. Am häufigsten finden sich Spannungskopfschmerz, Cluster-Kopfschmerz, der medikamenten-bedingte Dauerkopfschmerz, der cervikogene Kopfschmerz und die Migräne, die wohl qualvollsten Kopfschmerz-Attacken (Einzelheiten s. u.).
Die Migräne ist eine chronische Erkrankung. An ihr leiden allein in Deutschland zwischen 10 und 30%, bei einmaliger Migräne-Attacke sogar noch mehr. Frauen sind etwa 3- bis 4-mal häufiger betroffen. Ein Maximum findet sich zwischen dem 25. und 55. Lebensjahr („die besten Jahre"). Die Migräne tritt erstmals um die Pubertät und im frühen Erwachsenenalter auf und geht dann wieder zahlenmäßig etwas zurück, nach dem 40. Lebensjahr wird sie eher selten. Individuelle Belastungsfaktoren sind möglich, jedoch nicht die Regel (Stadt-/Land-Bevölkerung, Gebirge/See, Umwelt- oder Wettereinflüsse u. a.). Das Wichtigste scheint eine genetische Disposition zu sein (Erbanlage).
Das Beschwerdebild bzw. die typischen Schmerz-Phasen sind allseits bekannt:
- Die Prodromi (Vorposten- bzw. Ankündigungs-Symptome) sind schon Stunden bis ein, ja zwei Tage davor möglich. In psychischer Hinsicht: Stimmungsschwankungen (teils euphorisch hoch-gestimmt, teils depressiv-niedergeschlagen), Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit, mangelnde Ausdauer, Unruhe, Rastlosigkeit u. a. Auf organischer Ebene Geruchs-, Lärm- und Licht-Überempfindlichkeit, Müdigkeit, Heißhunger, Verstopfung oder Durchfall, Ödeme (Wasseransammlung in den Geweben), körperlich verlangsamt oder nervös-hektisch, ständiges Gähnen usw.
- In der Aura (eigentlicher Beschwerdebeginn) kommt es zu Flimmern vor den Augen oder zu Sehausfällen, Kribbel-Missempfindungen, Übelkeit, Brechreiz, Schwindel, ja Doppelbildern, Sprachstörungen sowie Geh- und bisweilen gar Bewusstseinsstörungen.
- Während der eigentlichen Kopfschmerzphase kommt es charakteristischer Weise zu attackenartigen, meist einseitigen und heftig pulsierenden Kopfschmerzen, die unter körperlicher Aktivität zunehmen. Die betroffene Kopfseite kann einerseits wechseln oder den ganzen Kopf betreffen, wenn auch verstärkt im Hinterkopf-, Nacken- oder Gesichtsbereich. Dazu verstärkte Übelkeit, Erbrechen, Lärm- und Lichtempfindlichkeit, auf jeden Fall eine erhebliche Verminderung der Tages-Aktivität u. a.
- In der Rückbildungsphase Stimmungsschwankungen, Erschöpfung, verstärktes Wasserlassen, manchmal sogar eine Art Hochstimmung.
Auslöse-Faktoren (Fachbegriff: Trigger-Faktoren) sind niedriger Blutdruck, Wetterumschlag oder bestimmte meteorologische Einflüsse (z. B. Föhn), hoher Alkoholkonsum (besonders Rotwein) sowie bestimmte Käsesorten allein oder noch folgenschwerer zusammen. Außerdem regelmäßiger starker Koffeingenuss mit Schwankungen des Koffeinspiegels, Stress, gemütsmäßige Belastungen (aber auch Entlastung), ein veränderter Schlaf-Wach-Rhythmus (z. B. Wochenende mit Ausschlafen), hormonelle Umstellungen (Regelblutung, Eisprung, „Pille“), Umwelt-Belastungen wie Lärm, Kälte, Flackerlicht, Höhe und neben dem Käse auch Schokolade, bestimmte Südfrüchte, eine Reihe von kopfschmerz-auslösenden Medikamenten (s. u.), Hunger, Erwartungsangst, Schlafentzug, die Häufung in bestimmten Jahreszeiten (Frühjahr und Herbst) u. a.
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Differentialdiagnostisch (was könnte es sonst noch sein?) muss man an die schon erwähnten anderen Kopfschmerz-Arten sowie weitere kopfschmerz-verdächtige Krankheitsbilder denken. Beispiele:
- Cluster-Kopfschmerz: besonders quälende Schmerz-Intensität mit Schwerpunkt im Gesicht (unerträglich, bohrend, brennend, „glühende Messer“), immer nur eine Seite usw.
- Verschiedene Formen von Durchblutungsstörungen oder Blutungen im Gehirn (Fachbegriffe: Subarachnoidalblutung, ischämischer Insult (TIA), Sinusvenen-Thrombose usw.): jeweils relativ konkrete Symptom-, Lokalisations- und Verlaufs-Hinweise einschließlich Bewusstseinslage.
- Spannungskopfschmerz: beinahe täglich, lang anhaltend, dumpf-drückend, keine Aura (s. o.) und nur wenig Begleit-Symptome.
- Medikamenten-bedingter Dauerkopfschmerz: häufige oder gar tägliche Einnahme bestimmter Arzneimittel, vor allem Kopfschmerzmittel („Kopfschmerzmittel-Kopfschmerz“): dumpf-drückend, gelegentlich pochend-pulsierend, ein- oder beidseitig, meist wechselnd, schon beim Aufwachen vorhanden, Zunahme bei körperlicher Anstrengung usw. Mitunter Doppel-Belastung: Migräne-Patient mit Medikamenten-Dauerkopfschmerz.
- Cervikogener Kopfschmerz: anfallsweise oder dauerhaft, Ausstrahlung vom Nacken über das Hinterhaupt, die Schläfen bis zur Stirn und „in die Augen“ mit dumpf-ziehendem Dauerschmerz und attackenartiger Verstärkung, meist durch bestimmte Kopfbewegungen, längeres Beugen oder Strecken, manchmal auch Husten, Niesen u. a.
- Trigeminus-Neuralgie: blitzartig einschießende, meist einseitige Schmerzattacken von unerträglicher Intensität bis zu einer halben Minute Dauer. Auslösung dieses Gesichtsnerven-Schmerzes oft durch Kauen, Sprechen, Zähneputzen, Rasieren, kaltes Wasser u. a.
Sonderformen der Migräne können ebenfalls an alle möglichen Erkrankungen denken lassen. Beispiele: Halbseiten-Lähmung, Sprachstörungen, Hörminderung, Steh- und Gehstörungen, Missempfindungen, Sehstörungen bis zur Erblindung eines Auges, Bewusstseinsstörungen u. a.
Es gibt aber auch Warn-Hinweise, die an der Diagnose einer Migräne zweifeln lassen sollten. Beispiele: Kopfschmerzdauer unter zwei Stunden, nie Seitenwechsel, erstmaliger Ausbruch nach dem 40. Lebensjahr, jahrelange Beschwerdefreiheit zwischen den Kopfschmerz-Attacken, Fieber, ungewöhnlich schwere Kopfschmerz-Intensität, anhaltende Müdigkeit, allgemeine Erschöpfbarkeit usw.
In psychologischer Hinsicht (so genannte bio-psycho-soziale Pathogenese) wird seit jeher eine Vielzahl von Auslöse- und Verstärker-Faktoren diskutiert. Dabei gehen die wissenschaftlichen Meinungen bisweilen deutlich auseinander. Nachfolgend einige Beispiele ohne Wertung:
Erhöhte Ängstlichkeit und Depressivität, zu ausgeprägte und wenig steuerbare Reizoffenheit gegenüber äußeren Belastungen, Übergenauigkeit bis Zwanghaftigkeit, verstärkte Selbstunsicherheit, die sich besonders in ungewohnten Situationen zu Konflikt- und Belastungsreaktionen aufschaukelt („Stress"), verstärkte Reizbarkeit, ja Aggressivität bis hin zur Entladung aufgestauter Feindseligkeitsimpulse, Verlust- und Trennungsbefürchtungen (Furcht vor Abhängigkeit, aber auch Einsamkeit), Neigung zu Minderwertigkeitsgefühlen (schon ein kleiner Fehler macht in der subjektiven Negativ-Einschätzung zum „vollkommenen Versager“), Neigung, sich zu viel Verantwortung aufzubürden (was letztlich gar nicht gefordert ist), Einschätzung der eigenen Unersetzlichkeit (kompetent und alles richtig machen, um von jedermann respektiert zu werden, weniger könnte als Inkompetenz aufgefasst werden), Tendenz zu überzogenen Konsequenzen was das eigene, oft labile Selbstwert-Erleben anbelangt sowie Pessimismus und Resignation als falsche Schlussfolgerung aus relativ harmlosen Ereignissen heraus, die als ewig und unkorrigierbar fehl-interpretiert werden u.a.m.
Die Behandlung einer Migräne sollte deshalb nicht nur medikamentös, sondern ggf. auch bio-psycho-sozial orientiert sein, und zwar mit Schwerpunkt auf seelischen und psycho-sozialen Faktoren, die es zuvor (vorsichtig!) zu erarbeiten und danach konsequent zu korrigieren gilt.
Im Einzelnen:
- Therapie der Migräne-Attacke: Reiz-Abschirmung, körperliche Entspannung durch Hinlegen, gezielte medikamentöse Behandlung, je nach Ankündigungs-Symptomen (s. o.), leichten oder schweren Migräne-Attacken, wenn nicht gar Status migraenosus (ungewöhnlich lang anhaltende Migräne) bzw. Sonderformen (s. o.). Einzelheiten, vor allem Medikamentennamen, siehe haus- bzw. fachärztliche Betreuung.
- Als nicht-medikamentöse Behandlungsmaßnahmen gelten „Gefäßtraining“ (die willkürliche Beeinflussung der Gefäßweite bestimmter Arterien trainieren) sowie Schmerz-Bewältigungstraining (Aufmerksamkeitslenkung weg vom Schmerz, positive Selbst-Informationen u. a.).
- Als vorbeugende Maßnahmen (Prophylaxe) empfehlen sich die Vermeidung entsprechender Auslöse-Faktoren (s. o.) sowie die Regulierung von Schlaf-Wach-Rhythmus, Nahrungszufuhr und Tagesablauf, am besten durch das Führen einen Kopfschmerz-Tagesbuchs. Erfolgreich, wenngleich aufwendig, sind verhaltens-medizinische Maßnahmen wie Biofeedback-Therapie, Stress- und Selbstsicherheitstraining, Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson u. a.
Bei gewissenhafter, ausreichend langer und konsequenter Anwendung kann es zu einer 30 bis 70%iger Reduktion der Attacken pro Monat kommen. Einzelheiten zur medikamentösen Prophylaxe siehe die ärztliche Beratung.
Schlussfolgerung: Eine „Heilung“ durch die bisher verfügbaren Therapien jeglicher Art ist nicht möglich, jedenfalls derzeit. Bei konsequenter Anwendung aller verfügbaren Mittel (am besten kombiniert - s. o.) und guter Compliance (Therapietreue, Einnahmezuverlässigkeit) ist aber in der Regel eine zufrieden stellende Besserung für die meisten Patienten erreichbar.
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