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Das prämenstruelle Syndrom

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Die Monatsblutung und ihre psychosozialen Folgen

Die Monatsblutung ist ein normaler Ablauf im Leben der Frau. Doch bis zu zwei Drittel und mehr klagen über entsprechende seelische und/oder körperliche Störungen bzw. psychosoziale Auswirkungen, die mehr oder weniger regelmäßig vor der Periode einsetzen und mit Beginn der Menses wieder abklingen. Ernster betroffen sind etwa ein Viertel, in extrem starker Form rund 2,5 bis 8 %. Das nennt man dann ein prämenstruelles Syndrom oder - wenn es noch beeinträchtigender ist - eine prämenstruelle dysphorische Störung, die erhebliche Konsequenzen im zwischenmenschlichen, familiären, nachbarschaftlichen und beruflichen Bereich nach sich ziehen kann.

Der Zusammenhang zwischen seelischem Befinden, insbesondere aber bestimmten Störungen und dem Menstruationszyklus wurde schon vor mehr als 2.500 Jahren beschrieben, z. B. von dem griechischen Arzt Hippokrates. Doch erst im 20. Jahrhundert erkannte man den engen Zusammenhang zwischen Psyche und ovariellem Hormonhaushalt. Im Verlauf dieser Forschung fand man schließlich heraus, dass depressive und ängstliche Verstimmungen hauptsächlich in der lutealen Phase auftreten, während sich psychisches Wohlbefinden häufiger in der Follikelphase des Menstruations-zyklus beobachten lässt.

Monatsblutung

Der Menstruationszyklus ist die mit dem 1. Tag der Monatsblutung beginnende, periodisch wiederkehrende Veränderung an Eierstock und Gebärmutterschleimhaut. Die erste Phase ist die Follikelreifungs- bzw. Proliferationsphase (1. bis 12./14. Tag), auf der nach dem Follikelsprung (12. bis 14. Tag) die Corpus luteum- oder Luteal- bzw. Sekretionsphase folgt. Das ist der Zeitraum nach der Ovulation (Eisprung), der mit der nächsten Zyklusblutung endet.

Etwa zwei Drittel klagen über entsprechende seelische und/oder körperliche Störungen, die mehr oder weniger regelmäßig vor der Monatsblutung einsetzen und mit Regelbeginn wieder abklingen. Ernster betroffen sind etwa ein Viertel, in extrem starker Form rund 2,5 bis 8 % aller Frauen.

Das Beschwerdebild vor der Menstruation

- Die häufigsten seelischen und psychosozialen Beschwernisse vor der Menstruation sind innere Unruhe und Anspannung, schließlich Ruhelosigkeit, Nervosität, Reizbarkeit, gelegentlich Aggressivität sowie Gemütslabilität, Verstimmungen und Leistungsabfall. Mitunter hört man auch von "dunklen Gedanken" (erhöhte Suizidalität) und Neigung zu abnormen Reaktionen (z. B. Ladendiebstahl oder unkontrollierte Affekthandlungen).

- Beim körperlichen Beschwerdebild geht es vor allem um Spannungsgefühle in der Brust, um Magen-Darm-Beschwerden, Ödeme (Speicherung von Gewebewasser), Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Kreuz- und Rückenschmerzen, Herzrasen sowie Hautveränderungen.

Dies ist das Beschwerdebild, wie es beim prämenstruellen Syndrom am häufigsten geklagt wird, allerdings in Form einer mehr oder weniger regelmäßigen Befindlichkeitsstörung und damit nicht eigentlich krankhaft (obgleich es Lebensqualität und Leistungsfähigkeit schon gelegentlich beeinträchtigen kann).

Die prämenstruelle dysphorische Störung

Etwas anderes ist die sogenannte prämenstruelle dysphorische Störung. Dieses, gleichsam verstärkte prämenstruelle Beschwerdebild ist inzwischen auch offiziell als Krankheit anerkannt. Das Leiden spricht für sich:

- Seelische und psychosoziale Störungen: freudlos, resigniert, depressiv, ängstlich, ja sogar hoffnungslos; ferner merk- und konzentrationsgestört, interesselos, bisweilen energielos, müde, matt und abgeschlagen sowie leicht erschöpfbar, ja völlig kraftlos. Oder nicht nur angespannt, sondern auch rasch verängstigt, gereizt und aggressiv. Mitunter sogar beides zusammen, nämlich matt und nervös-gespannt zugleich. Das ist dann besonders unangenehm bis quälend.

Und durch alles vermehrte Leistungseinbußen und insbesondere zwischenmenschliche Auseinandersetzungen.

- In körperlicher Hinsicht appetitlos oder Heißhunger, unerklärbare Gier nach bestimmten Lebensmitteln und dann entsprechende Gewichtszunahme. Ferner Schlafstörungen, Berührungsüberempfindlichkeit, Kopfdruck, Gelenk- und Muskelschmerzen, Spannungsgefühle in der Brust, Flüssigkeitsansamm-lung in den Geweben u.a.

Wie erklärt man sich ein prämenstruelles dysphorisches Syndrom?

Die Ursachen sind mehrschichtig, wie zu erwarten. Die Grundlage ist aber wohl am ehesten biologischer Natur. Dabei gibt es natürlich individuelle Schwerpunkte. Was wird diskutiert?

- Am einleuchtendsten ist der Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der menstruellen Blutung bzw. den vor und während der Monatsblutung auftretenden Beschwerden oder gar Schmerzen und entsprechenden Verstimmungszuständen: Je ausgeprägter das eine, desto beeinträchtigender das andere.

- Interessant ist auch die Erkenntnis, dass die weiblichen Sexualhormone, die Östrogene, die Konzentration bestimmter Botenstoffe im Gehirn erhöhen sollen, vor allem den für das Seelenleben wichtigen Neurotransmitter Serotonin. Deshalb diskutiert man bei den Östrogenen auch eine antidepressive Wirkung.

Zumindest theoretisch kann man deshalb zu dem Schluss kommen, dass die höheren Konzentrationen von Östrogenen in der Follikelphase des Menstruationszyklus ("Eisprung") die Stimmung zu stabilisieren helfen. In der späten Lutealphase mit der entsprechend niedrigeren Hormonkonzentration fällt dagegen dieser Schutzfaktor weg, es drohen bei entsprechender Anlage oder Belastung die erwähnten Beschwerden auf seelischem und körperlichen Gebiet.

Allerdings lässt sich damit immer noch nicht erklären, warum die eine Frau mit Niedergeschlagenheit und Ängsten reagiert und die andere nicht, obgleich bei beiden die Hormonkonzentration abfällt. Deshalb werden noch andere biologische Einflussfaktoren diskutiert (z. B. erniedrigter Melatonin-Spiegel, veränderte Schilddrüsenhormonwerte u.a.), wobei aber noch erheblicher Forschungsbedarf besteht (Einzelheiten siehe Fachliteratur).

Seelische und psychosoziale Einflussfaktoren

Gerade ein Beschwerdebild mit überwiegend seelischen und psychosozialen Beschwernissen bietet natürlich mannigfaltige Erklärungsversuche auf psychologischer Ebene, auch wenn es sich letztlich um ein biologisches Geschehen handelt. Offenbar gibt es aber keine schlüssigen Hinweise darauf, dass ein solches prämenstruelles dysphorisches Syndrom in entscheidender Weise durch irgendwelche psychologischen Faktoren ausgelöst wird.

Vor allem lässt sich kaum schlüssig beweisen, selbst bei "unterdrückten Konflikten im Rahmen des weiblichen Rollenverständnisses", warum sich das Ganze immer nur so kurz und geballt abspielen soll, vor und nach der Monatsblutung aber keine psychologische Bedeutung zu haben scheint. Hier wird der - zeitlich begrenzte - Einfluss biologischer Ursachen noch deutlicher.

Das gleiche gilt für die Frage: Fruchtbar oder nicht (Fachbegriffe: fertil oder infertil). Außerdem fand sich bisher kein spezifischer Persönlichkeitstypus oder gar eine entsprechende neurotische oder Persönlichkeitsstörung, die man mit diesen hormonell gebundenen Veränderungen in Verbindung bringen könnte.

Deshalb wurden auch weitere Beeinflussungsfaktoren untersucht, nämlich Lebensalter, soziale Schicht, Schulbildung, Art der Berufstätigkeit, Geburtserfahrung u.a. Doch aus allem ließen sich keine schlüssigen Erkenntnisse ableiten.

Das gleiche gilt schließlich für eine sehr konkrete Fragestellung, nämlich den Grad der individuellen "Ärger-Bewältigung". Unklar war die Hypothese: "Wer sich schneller und ausgeprägter ärgert, reagiert eben auch eher mit einem prämenstruellen dysphorischen Syndrom". Doch auch hier lassen sich keine Beweise erbringen und damit vorbeugende Schlussfolgerungen ziehen.

Dagegen erschweren sowohl objektiv als auch subjektiv erhöhte Belastungsfaktoren ein solches Leidensbild nicht unerheblich, je nach individueller Einstellung. Dazu gehören berufliche und private Doppelbelastung, die Neigung zu funktionellen oder Befindlichkeitsstörungen (früher als vegetative Labilität, heute als Somatisierungsstörung bezeichnet), eine als negativ empfundene erste (!) Monatsblutung (Fachbegriff: Menarche) und überhaupt eine negative Einstellung zur Menstruation. Und natürlich kann die Neigung zu depressiven und ängstlichen Verstimmungen generell ein solch biologisches Beschwerdebild noch verstärken.

Damit lässt sich die Frage der biologischen bzw. psychologischen Ursachen-Anteile letztlich wie folgt zusammenfassen:

Das prämenstruelle dysphorische Syndrom bleibt ein biologisches Ereignis, das vor allem endokrin, also von den "inneren Drüsen" gesteuert wird. Psychologisch nachvollziehbare Zusatzbelastungen sind aber in der Ursachen-Verkettung ein wichtiger Aspekt, der dann auch psychotherapeutisch berücksichtigt werden sollte.

Gibt es eine erbliche Belastung?

Dafür scheinen genetische Aspekte, also erbliche Belastungsfaktoren eine nicht geringe Rolle zu spielen: 70 % aller Töchter von Patientinnen mit einem solchen Beschwerdebild sollen ebenfalls darunter leiden. Ähnlich eindrucksvoll sind auch sogenannte Zwillingsuntersuchungen, vor allem an eineiigen Zwillingen mit völliger Identität.

In diesem Zusammenhang passt auch ein weiterer Belastungsfaktor: Patientinnen mit einem prämenstruellen dysphorischen Syndrom geraten offenbar eher in Gefahr, eine sogenannte postpartale Depression nach der Geburt zu erleiden. Dass sich bereits vorbestehende, vor allem biologisch fundierte (früher endogen genannte) Depressionen vor der Monatsblutung verschlechtern und sich Klinikeinweisungen und sogar Suizidversuche während dieser Zeit häufen, ist eine alte Erkenntnis.

Deshalb lässt sich trotz aller Vorsicht folgende Erkenntnis formulieren:

Beim prämenstruellen dysphorischen Syndrom handelt es sich nicht selten um eine vererbte "seelisch-körperliche Schwachstelle", bei der weitere Störungen, insbesondere Depressionen nicht auszuschließen sind.

Was kann man tun?

Während sich die Beschwerden einer normalen Monatsblutung in der Regel gut bis leidlich überwinden lassen, auch ohne therapeutische Maßnahmen, braucht das prämenstruelle dysphorische Syndrom nun doch gelegentlich eine entsprechende Behandlung. Hier bieten sich hormonelle Maßnahmen, Psychopharmaka, psychotherapeutische und soziotherapeutische Unterstützungsmaßnahmen u.a. an. Im Einzelnen:

- Bei den hormonellen Behandlungsmethoden geht es vor allem um Gestagen-Östrogen-Kombinationen und um Progesteron. Einzelheiten siehe die entsprechende Fachliteratur. Diese Behandlungsverfahren scheinen die meisten Erfolge bei körperlichen Beeinträchtigungen zu haben, weniger bei seelischen und psychosozialen. Allerdings gibt es dazu unterschiedliche Untersuchungs-Ergebnisse.

- Bei den Psychopharmaka greift man am häufigsten zu Antidepressiva (stimmungsaufhellenden Arzneimitteln) und hier insbesondere zu den modernen selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI). Eine wichtige Frage, die im Bedarfsfalle individuell, d.h. von Patientin, Hausarzt, Psychiater und Gynäkologe gelöst werden muss, lautet: Antidepressiva nur während der Lutealphase, wo es der Patientin besonders schlecht geht, oder während des gesamten Menstruationszyklus?

Während der Einsatz von Antidepressiva vor allem in letzter Zeit diskutiert und vermehrt genutzt wird, werden Tranquilizer (Beruhigungsmittel) schon seit Jahrzehnten gegeben, vor allem wenn innere Unruhe, Nervosität und Anspannung im Vordergrund stehen. Sie haben jedoch ihre eigenen Gefahren, wovon die Abhängigkeit je nach Dosis und Dauer nur eine ist. Deshalb werden sie nur für besonders schwierige Situationen empfohlen und dann stets kurzfristig und nie ohne ärztliche Kontrolle.

Darüber hinaus gibt es noch weitere Arzneimittel mit Wirkung auf das Seelenleben, die allerdings nur selten zum Einsatz gelangen und teilweise auch problematisch sind, weshalb sie hier auch nicht genannt werden.

- Ein interessanter Vorschlag, der in letzter Zeit wieder vermehrt diskutiert wird, ist die sogenannte Lichttherapie, die sich vor allem bei der saisonalen, Lichtmangel- oder Winter-Depression bewährt hat. Beim prämenstruellen dysphorischen Syndrom soll sie nach Ansicht einiger Experten zumindest zu einer Milderung des Beschwerdebildes beitragen können.

Dabei sollte allerdings auch die alte Erkenntnis ins Gedächtnis zurückgerufen werden, dass ein mindestens einstündiger "Gesundmarsch" (moderner Begriff: Walking oder mit zwei Teleskop-Wanderstöcken Nordic-Walking) bei Tageslicht das gleiche oder gar leisten. Denn selbst ein bedeckter Himmel weist mehr Helligkeit auf als die künstliche Lichttherapie zu erreichen vermag. Wichtig ist vor allem die regelmäßige Anwendung, und zwar gleichgültig ob Natur- oder Kunstlicht. Natürlich hat ein "Gesundmarsch" auch noch den Vorteil von Frischluft und körperlicher Aktivität.

- Nicht zu unterschätzen sind schließlich die sogenannten supportiven (stützenden) psychotherapeutischen Maßnahmen, vor allem gesprächspsychotherapeutisch orientiert. Hilfe erwarten sich die Patientinnen hier vor allem angesichts zwischenmenschlicher Belastungen und psychosozialer Konsequenzen, insbesondere, was Partnerschaft und Sexualleben betrifft. Auch die Gruppentherapie wird von einigen Experten empfohlen.

- Am günstigsten - und das betrifft alle seelischen Störungen - dürfte aber auch hier ein sogenannter Gesamt-Behandlungsplan sein, der aus mehreren Therapiesäulen besteht: Pharmakotherapie, hormonelle Behandlungsversuche, psychotherapeutische Maßnahmen, soziotherapeutische Hilfen, körperliche Aktivität u.a.

- Und hier sei vor allem noch abschließend auf das sogenannte Selbst-Management verwiesen, also alle jene Selbst-Behandlungsstrategien, die sich auf diesem Gebiet als nützlich herausgestellt haben: Entspannungsverfahren, die mehrfach erwähnte körperliche Aktivität und auch die seit Jahrtausenden von Millionen Menschen praktizierten halblauten Selbstgespräche zur seelischen Stabilisierung (Hippokrates vor rund 2.500 Jahren: "Für was ich Worte habe, darüber bin ich schon hinweg").

Schlussfolgerung

Die prämenstruelle dysphorische Störung geht zwar auf physiologische (normale körperliche) Abläufe des Organismus zurück, die die Mehrzahl nicht weiter belästigen, einige mehr oder weniger beeinträchtigen, eine kleine, aber unglückliche Gruppe jedoch erheblich belasten.

Den glücklicher Gestellten kann mit einem gezielt eingesetzten und konsequenten Gesamt-Behandlungsplan zumindest etwas Milderung versprochen werden. Doch auch diejenigen, bei denen die erwähnten Vorschläge nicht befriedigend greifen, sollten nicht verzagen.

Denn es gilt die alte Regel: Wer aufgibt, hat sich aufgegeben. Und wer sich aufgegeben hat, ist seinen Beschwernissen besonders hilflos ausgeliefert. Auch hier hilft die alte Erkenntnis: "Ich leide wohl, aber gebe nicht auf".

Wenn Sie mehr über die prämenstruelle dysphorische Störung wissen wollen, nutzen Sie das Kapitel Frau und seelische Störung: Monatsblutung und psychosoziale Folgen (Kapitel 4) in der Internet-Serie Psychiatrie heute.

(Prof. Dr. med. Volker Faust)

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
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